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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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4. Viehzucht und Seidenzucht.
wegt, im Zuchtraume aber im Durchschnitt auf 10--20° C. ge-
halten wird.

Die künstliche Wärme von 20--25° C., welche man bei den meisten
Zuchten in Europa anwendet, kürzt die Zucht der japanischen Rassen
auf 32 Tage, die der Brianzarasse sogar auf 25 Tage ab.

In Japan ist die Seidenzucht auf Hondo, die grösste der Inseln,
beschränkt. Sie bildet hier die verbreitetste und wichtigste Haus-
industrie, die in den meisten Fällen neben andern landwirthschaft-
lichen Beschäftigungen herläuft, in der Regel jedoch Haupterwerbs-
quell der Bewohner ist. Wo sie besonders intensiv betrieben wird,
nimmt man an den grossen reinlichen Häusern und ihren schönen
Matten den durch sie bewirkten grösseren Wohlstand der Bewohner
wahr. Kein anderer landwirthschaftlicher Industriezweig lässt einen
gleich günstigen Einfluss erkennen. In solchen Gebieten gibt es wohl
auch besondere Locale, worin die Raupen in grösserem Umfang ge-
zogen werden. In einigen engen Gebirgsthälern hat man sogar den
gewöhnlich einstöckigen Baustiel der Häuser verlassen und der unteren
Wohnung noch einen Stock aufgesetzt, um für die Seidenzucht ge-
nügend trockene und luftige Räume zu gewinnen, wie ich dies unter
anderm in der Provinz Kaga bei Ushikubi beobachten konnte. Wo
dagegen der Züchter aus Armut oder Nachlässigkeit seinen Raupen
keinen besonderen Raum bietet, wo mir beim Eintreten übler Geruch
und ein Schwarm Fliegen, wie in manchem unserer Viehställe ent-
gegentrat, da konnte ich auch verderbliche Krankheitserscheinungen,
die Pebrine nicht ausgenommen, constatieren und sehen, wie bei einem
einzigen Lagerwechsel hunderte von kranken Raupen dem vorbeifliessen-
den Wasser übergeben werden mussten, wie z. B. im nördlichen Theile
von Mino. Verschieden und den Mitteln angepasst, wie die Zucht-
räume, sind auch die Lagervorrichtungen, vom einfachen Rahmen oder
Sieb bis zum soliden Aufbau eines hohen Gestells mit Abtheilungen.
Dasselbe ist in der Regel zwei vertical gegenüberstehenden Leitern
vergleichbar, über deren Sprossen in 25--40 cm Entfernung von ein-
ander die horizontal laufenden Hürden oder Lager gelegt werden, welche
entweder aus parallel laufenden Latten oder aus Bambusstäben mit 1 bis
3 cm Zwischenräumen bestehen und mit dünnen Strohmatten überdeckt
werden. --

Naht die Zeit, in welcher die Zucht beginnen soll, so bringt man
die Cartons mit dem Samen, welche man bis dahin an einem trockenen
kühlen Ort in Papier eingeschlagen und gegen Mäuse verwahrt hatte,
in den Zuchtraum oder ins Freie an einen schattigen Ort, an welchem
allmählich mit zunehmender Wärme die Entwickelung des Räupchens

4. Viehzucht und Seidenzucht.
wegt, im Zuchtraume aber im Durchschnitt auf 10—20° C. ge-
halten wird.

Die künstliche Wärme von 20—25° C., welche man bei den meisten
Zuchten in Europa anwendet, kürzt die Zucht der japanischen Rassen
auf 32 Tage, die der Brianzarasse sogar auf 25 Tage ab.

In Japan ist die Seidenzucht auf Hondo, die grösste der Inseln,
beschränkt. Sie bildet hier die verbreitetste und wichtigste Haus-
industrie, die in den meisten Fällen neben andern landwirthschaft-
lichen Beschäftigungen herläuft, in der Regel jedoch Haupterwerbs-
quell der Bewohner ist. Wo sie besonders intensiv betrieben wird,
nimmt man an den grossen reinlichen Häusern und ihren schönen
Matten den durch sie bewirkten grösseren Wohlstand der Bewohner
wahr. Kein anderer landwirthschaftlicher Industriezweig lässt einen
gleich günstigen Einfluss erkennen. In solchen Gebieten gibt es wohl
auch besondere Locale, worin die Raupen in grösserem Umfang ge-
zogen werden. In einigen engen Gebirgsthälern hat man sogar den
gewöhnlich einstöckigen Baustiel der Häuser verlassen und der unteren
Wohnung noch einen Stock aufgesetzt, um für die Seidenzucht ge-
nügend trockene und luftige Räume zu gewinnen, wie ich dies unter
anderm in der Provinz Kaga bei Ushikubi beobachten konnte. Wo
dagegen der Züchter aus Armut oder Nachlässigkeit seinen Raupen
keinen besonderen Raum bietet, wo mir beim Eintreten übler Geruch
und ein Schwarm Fliegen, wie in manchem unserer Viehställe ent-
gegentrat, da konnte ich auch verderbliche Krankheitserscheinungen,
die Pébrine nicht ausgenommen, constatieren und sehen, wie bei einem
einzigen Lagerwechsel hunderte von kranken Raupen dem vorbeifliessen-
den Wasser übergeben werden mussten, wie z. B. im nördlichen Theile
von Mino. Verschieden und den Mitteln angepasst, wie die Zucht-
räume, sind auch die Lagervorrichtungen, vom einfachen Rahmen oder
Sieb bis zum soliden Aufbau eines hohen Gestells mit Abtheilungen.
Dasselbe ist in der Regel zwei vertical gegenüberstehenden Leitern
vergleichbar, über deren Sprossen in 25—40 cm Entfernung von ein-
ander die horizontal laufenden Hürden oder Lager gelegt werden, welche
entweder aus parallel laufenden Latten oder aus Bambusstäben mit 1 bis
3 cm Zwischenräumen bestehen und mit dünnen Strohmatten überdeckt
werden. —

Naht die Zeit, in welcher die Zucht beginnen soll, so bringt man
die Cartons mit dem Samen, welche man bis dahin an einem trockenen
kühlen Ort in Papier eingeschlagen und gegen Mäuse verwahrt hatte,
in den Zuchtraum oder ins Freie an einen schattigen Ort, an welchem
allmählich mit zunehmender Wärme die Entwickelung des Räupchens

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[229/0251] 4. Viehzucht und Seidenzucht. wegt, im Zuchtraume aber im Durchschnitt auf 10—20° C. ge- halten wird. Die künstliche Wärme von 20—25° C., welche man bei den meisten Zuchten in Europa anwendet, kürzt die Zucht der japanischen Rassen auf 32 Tage, die der Brianzarasse sogar auf 25 Tage ab. In Japan ist die Seidenzucht auf Hondo, die grösste der Inseln, beschränkt. Sie bildet hier die verbreitetste und wichtigste Haus- industrie, die in den meisten Fällen neben andern landwirthschaft- lichen Beschäftigungen herläuft, in der Regel jedoch Haupterwerbs- quell der Bewohner ist. Wo sie besonders intensiv betrieben wird, nimmt man an den grossen reinlichen Häusern und ihren schönen Matten den durch sie bewirkten grösseren Wohlstand der Bewohner wahr. Kein anderer landwirthschaftlicher Industriezweig lässt einen gleich günstigen Einfluss erkennen. In solchen Gebieten gibt es wohl auch besondere Locale, worin die Raupen in grösserem Umfang ge- zogen werden. In einigen engen Gebirgsthälern hat man sogar den gewöhnlich einstöckigen Baustiel der Häuser verlassen und der unteren Wohnung noch einen Stock aufgesetzt, um für die Seidenzucht ge- nügend trockene und luftige Räume zu gewinnen, wie ich dies unter anderm in der Provinz Kaga bei Ushikubi beobachten konnte. Wo dagegen der Züchter aus Armut oder Nachlässigkeit seinen Raupen keinen besonderen Raum bietet, wo mir beim Eintreten übler Geruch und ein Schwarm Fliegen, wie in manchem unserer Viehställe ent- gegentrat, da konnte ich auch verderbliche Krankheitserscheinungen, die Pébrine nicht ausgenommen, constatieren und sehen, wie bei einem einzigen Lagerwechsel hunderte von kranken Raupen dem vorbeifliessen- den Wasser übergeben werden mussten, wie z. B. im nördlichen Theile von Mino. Verschieden und den Mitteln angepasst, wie die Zucht- räume, sind auch die Lagervorrichtungen, vom einfachen Rahmen oder Sieb bis zum soliden Aufbau eines hohen Gestells mit Abtheilungen. Dasselbe ist in der Regel zwei vertical gegenüberstehenden Leitern vergleichbar, über deren Sprossen in 25—40 cm Entfernung von ein- ander die horizontal laufenden Hürden oder Lager gelegt werden, welche entweder aus parallel laufenden Latten oder aus Bambusstäben mit 1 bis 3 cm Zwischenräumen bestehen und mit dünnen Strohmatten überdeckt werden. — Naht die Zeit, in welcher die Zucht beginnen soll, so bringt man die Cartons mit dem Samen, welche man bis dahin an einem trockenen kühlen Ort in Papier eingeschlagen und gegen Mäuse verwahrt hatte, in den Zuchtraum oder ins Freie an einen schattigen Ort, an welchem allmählich mit zunehmender Wärme die Entwickelung des Räupchens

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/251>, abgerufen am 22.11.2024.