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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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6. Eigenschaften und Verwendung der wichtigeren Waldbäume etc.
Wortes wachsen sehen kann, und zwar unter Umständen 10 und mehr
Meter hoch in einer Woche. Ast- und blattlos dringt es leicht durch
das Dickicht älterer Rohre, und erst, wenn es nahezu seine volle
Höhe erreicht hat, treibt es aus den Knoten seine dünnen Aeste nach
verschiedenen Richtungen und verdichtet mit ihnen und ihrem licht-
grünen Blattwerk das Gewebe der schon vorhandenen Kronen. Dass
für die kräftige Entwickelung der jungen Rohre in einer Pflanzung
für Luft und Licht gesorgt werden muss, liegt auf der Hand. Die am
Boden abgesägten oder abgehauenen älteren Exemplare gelangen zur
Verwerthung und junge nehmen ihre Stelle ein. Die grösseren, culti-
vierten Bambusrohrarten Japans sind nicht, wie in Indien, auch Be-
standtheile des Waldes selbst, sondern, wie bereits früher hervorgehoben
wurde, Anpflanzungen an den Waldrändern, um die Ortschaften und
in Tempelhainen. Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Arten selbst
in ihrer indischen Heimat, wo sie in den Wäldern grössere oder klei-
nere Dickichte, zuweilen von 25--30 m Höhe bilden, und nur von den
grössten Bäumen überragt werden, oder auch angebaut um die Dörfer
sich finden, nur nach langen Perioden zur Blüthen- und Samen-
entwickelung kommen, worauf sie absterben. In Japan blühen die
grossen, angepflanzten Arten nie; auch erreichen dieselben hier nicht
die Höhe und Stärke, wie in ihrer tropischen Heimat.

In Indien wird Bambusa Brandisii Munro zuweilen 30--36 m
hoch und im wärmeren China erreichen B. arundinacea und B. vul-
garis 28--30 engl. Zoll (70--75 cm) Stammumfang und über 20 m Höhe.
Das sind Dimensionen, welche die der stärksten Rohre Japans noch
ansehnlich überbieten.

In jeder Grösse, auf allen Altersstufen, in sämmtlichen Theilen
und zu den verschiedensten Zwecken findet das baumartige Bambus-
rohr seine Verwendung. Obenan durch ihren weitragenden Nutzen
nach unzähligen Richtungen stehen jedoch die ausgewachsenen Stämme
selbst, riesige, verholzte Halme, denen die Natur eine Reihe von
werthvollen Eigenschaften verliehen hat, wie sie in gleichem Maasse
keinem andern Holzstamm zukommen. Kein anderer vereinigt mit
Leichtigkeit so viel Festigkeit, Elasticität und Stärke. Die grosse
Menge freier Kieselsäure, welche im Bambusrohr abgelagert ist, macht
es hart und widerstandsfähig gegen vielerlei Einflüsse, die anderes
Holz bald zerstören. Sie ist wohl auch die Ursache des lauten Kni-
sterns und Knallens beim Verbrennen, dessen schon Marco Polo ge-
denkt, der auch hervorhebt, dass dadurch Nachts wilde Thiere vom
Lagerfeuer und den Früchten des Feldes abgehalten werden. Auch
die Schlankheit und Länge, die Röhrenform und nicht minder deren

Rein, Japan. II. 18

6. Eigenschaften und Verwendung der wichtigeren Waldbäume etc.
Wortes wachsen sehen kann, und zwar unter Umständen 10 und mehr
Meter hoch in einer Woche. Ast- und blattlos dringt es leicht durch
das Dickicht älterer Rohre, und erst, wenn es nahezu seine volle
Höhe erreicht hat, treibt es aus den Knoten seine dünnen Aeste nach
verschiedenen Richtungen und verdichtet mit ihnen und ihrem licht-
grünen Blattwerk das Gewebe der schon vorhandenen Kronen. Dass
für die kräftige Entwickelung der jungen Rohre in einer Pflanzung
für Luft und Licht gesorgt werden muss, liegt auf der Hand. Die am
Boden abgesägten oder abgehauenen älteren Exemplare gelangen zur
Verwerthung und junge nehmen ihre Stelle ein. Die grösseren, culti-
vierten Bambusrohrarten Japans sind nicht, wie in Indien, auch Be-
standtheile des Waldes selbst, sondern, wie bereits früher hervorgehoben
wurde, Anpflanzungen an den Waldrändern, um die Ortschaften und
in Tempelhainen. Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Arten selbst
in ihrer indischen Heimat, wo sie in den Wäldern grössere oder klei-
nere Dickichte, zuweilen von 25—30 m Höhe bilden, und nur von den
grössten Bäumen überragt werden, oder auch angebaut um die Dörfer
sich finden, nur nach langen Perioden zur Blüthen- und Samen-
entwickelung kommen, worauf sie absterben. In Japan blühen die
grossen, angepflanzten Arten nie; auch erreichen dieselben hier nicht
die Höhe und Stärke, wie in ihrer tropischen Heimat.

In Indien wird Bambusa Brandisii Munro zuweilen 30—36 m
hoch und im wärmeren China erreichen B. arundinacea und B. vul-
garis 28—30 engl. Zoll (70—75 cm) Stammumfang und über 20 m Höhe.
Das sind Dimensionen, welche die der stärksten Rohre Japans noch
ansehnlich überbieten.

In jeder Grösse, auf allen Altersstufen, in sämmtlichen Theilen
und zu den verschiedensten Zwecken findet das baumartige Bambus-
rohr seine Verwendung. Obenan durch ihren weitragenden Nutzen
nach unzähligen Richtungen stehen jedoch die ausgewachsenen Stämme
selbst, riesige, verholzte Halme, denen die Natur eine Reihe von
werthvollen Eigenschaften verliehen hat, wie sie in gleichem Maasse
keinem andern Holzstamm zukommen. Kein anderer vereinigt mit
Leichtigkeit so viel Festigkeit, Elasticität und Stärke. Die grosse
Menge freier Kieselsäure, welche im Bambusrohr abgelagert ist, macht
es hart und widerstandsfähig gegen vielerlei Einflüsse, die anderes
Holz bald zerstören. Sie ist wohl auch die Ursache des lauten Kni-
sterns und Knallens beim Verbrennen, dessen schon Marco Polo ge-
denkt, der auch hervorhebt, dass dadurch Nachts wilde Thiere vom
Lagerfeuer und den Früchten des Feldes abgehalten werden. Auch
die Schlankheit und Länge, die Röhrenform und nicht minder deren

Rein, Japan. II. 18
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[273/0297] 6. Eigenschaften und Verwendung der wichtigeren Waldbäume etc. Wortes wachsen sehen kann, und zwar unter Umständen 10 und mehr Meter hoch in einer Woche. Ast- und blattlos dringt es leicht durch das Dickicht älterer Rohre, und erst, wenn es nahezu seine volle Höhe erreicht hat, treibt es aus den Knoten seine dünnen Aeste nach verschiedenen Richtungen und verdichtet mit ihnen und ihrem licht- grünen Blattwerk das Gewebe der schon vorhandenen Kronen. Dass für die kräftige Entwickelung der jungen Rohre in einer Pflanzung für Luft und Licht gesorgt werden muss, liegt auf der Hand. Die am Boden abgesägten oder abgehauenen älteren Exemplare gelangen zur Verwerthung und junge nehmen ihre Stelle ein. Die grösseren, culti- vierten Bambusrohrarten Japans sind nicht, wie in Indien, auch Be- standtheile des Waldes selbst, sondern, wie bereits früher hervorgehoben wurde, Anpflanzungen an den Waldrändern, um die Ortschaften und in Tempelhainen. Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Arten selbst in ihrer indischen Heimat, wo sie in den Wäldern grössere oder klei- nere Dickichte, zuweilen von 25—30 m Höhe bilden, und nur von den grössten Bäumen überragt werden, oder auch angebaut um die Dörfer sich finden, nur nach langen Perioden zur Blüthen- und Samen- entwickelung kommen, worauf sie absterben. In Japan blühen die grossen, angepflanzten Arten nie; auch erreichen dieselben hier nicht die Höhe und Stärke, wie in ihrer tropischen Heimat. In Indien wird Bambusa Brandisii Munro zuweilen 30—36 m hoch und im wärmeren China erreichen B. arundinacea und B. vul- garis 28—30 engl. Zoll (70—75 cm) Stammumfang und über 20 m Höhe. Das sind Dimensionen, welche die der stärksten Rohre Japans noch ansehnlich überbieten. In jeder Grösse, auf allen Altersstufen, in sämmtlichen Theilen und zu den verschiedensten Zwecken findet das baumartige Bambus- rohr seine Verwendung. Obenan durch ihren weitragenden Nutzen nach unzähligen Richtungen stehen jedoch die ausgewachsenen Stämme selbst, riesige, verholzte Halme, denen die Natur eine Reihe von werthvollen Eigenschaften verliehen hat, wie sie in gleichem Maasse keinem andern Holzstamm zukommen. Kein anderer vereinigt mit Leichtigkeit so viel Festigkeit, Elasticität und Stärke. Die grosse Menge freier Kieselsäure, welche im Bambusrohr abgelagert ist, macht es hart und widerstandsfähig gegen vielerlei Einflüsse, die anderes Holz bald zerstören. Sie ist wohl auch die Ursache des lauten Kni- sterns und Knallens beim Verbrennen, dessen schon Marco Polo ge- denkt, der auch hervorhebt, dass dadurch Nachts wilde Thiere vom Lagerfeuer und den Früchten des Feldes abgehalten werden. Auch die Schlankheit und Länge, die Röhrenform und nicht minder deren Rein, Japan. II. 18

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/297>, abgerufen am 26.06.2024.