"Schwer erkennst Du im Glanze des Mondes die Blüthe der Pflaume. Aber Du findest sie gleich, gehst Du dem Dufte nur nach". *)Mitsune.
Zum Dichter gesellt sich im Haru (Lenz) die Uguisu oder jap. Nachtigall (Cettia cantans T. & Schl.) und singt, wie erfreut bei dem ersten Blüthenduft des Jahres und klagend über das rasche Verwelken. Und wie die bescheidene Poesie, so hat auch die entwickeltere Kunst des Landes beide, Mume und Uguisu, mit einander verknüpft und im Bilde, wie plastisch auf den verschiedensten Erzeugnissen des Kunstgewerbes dargestellt. Dabei erinnert die Mume in ihrer Blatt- losigkeit und der Fülle und Gestalt ihrer sitzenden Blüthen etwas an blühende Zweige unseres Schwarzdorns.
Neben der Mume bringen die japanischen Gärtner auch die schlan- ken und mit gelben Blüthenglocken behangenen Zweige des Rengijo (Forsythia suspensa Vahl) um die alte Neujahrszeit viel zum Verkauf. Die Pflanze wurde aus Japan bei uns eingeführt, ist aber dort eben- sowenig heimisch, wie die Mume und die folgende, stammt vielmehr gleich diesen aus China.
Auch der Dodan (Enkianthus japonicus Hook.), welchen man in Gärten pflanzt, weil im Herbst seine Blätter sich prächtig roth färben, wurde am Neujahrsfest zur Ausschmückung der Wohnungen viel her- angezogen. Da er im Freien erst 1--2 Monate später zur Blüthe kommt, musste, wie in China, für den erwähnten Zweck das Warm- haus des Handelsgärtners mitwirken.
Im März, dem zweiten Monat des früheren japanischen Jahres, gesellt sich zur Mume der Blüthenschmuck des Momo oder Pfirsich- baumes (Amygdalus persica L.), welchem derjenige der Higan-sakura (Prunus subhirtella Miq.) gegen Ende des Monats folgt. Mehrere Mag- nolien entfalten um diese Zeit ebenfalls ihre Blüthen noch vor den Blättern, so vor allen M. conspicua Salisb. (M. Yulan Desf.), die Haku- ren d. h. "weisse Lotusblume" der Japaner, und die Kobushi (M. Kobus D. C.). Der April ist die Blüthezeit für den zweiten grossen Lieb- ling des Jahres, die Sakura (Prunus pseudocerasus Lindl.). Man nennt diese Pflanze (siehe auch pg. 297) wohl den japanischen Kirschbaum, weil ihre ganze Tracht und ihr Blüthenschmuck an Kirschbäume er- innern; doch sind ihre Früchte ungeniessbar und nicht grösser, als die unseres Prunus Padus. Yama-sakura heisst die in den Bergwal- dungen weitverbreitete, ursprüngliche Form des Baumes, von der eine sehr alte Cultur ausserordentlich viele Abarten mit rosafarbenen und
*) "Tsukiyo ni wa | sore tomo miye zu | mume no hana | ka wo tazunete zo | shiru bekari keru." Lange: Altjapanische Frühlingslieder pg. 30.
I. Land- und Forstwirthschaft.
»Schwer erkennst Du im Glanze des Mondes die Blüthe der Pflaume. Aber Du findest sie gleich, gehst Du dem Dufte nur nach«. *)Mitsune.
Zum Dichter gesellt sich im Haru (Lenz) die Uguisu oder jap. Nachtigall (Cettia cantans T. & Schl.) und singt, wie erfreut bei dem ersten Blüthenduft des Jahres und klagend über das rasche Verwelken. Und wie die bescheidene Poesie, so hat auch die entwickeltere Kunst des Landes beide, Mume und Uguisu, mit einander verknüpft und im Bilde, wie plastisch auf den verschiedensten Erzeugnissen des Kunstgewerbes dargestellt. Dabei erinnert die Mume in ihrer Blatt- losigkeit und der Fülle und Gestalt ihrer sitzenden Blüthen etwas an blühende Zweige unseres Schwarzdorns.
Neben der Mume bringen die japanischen Gärtner auch die schlan- ken und mit gelben Blüthenglocken behangenen Zweige des Rengijo (Forsythia suspensa Vahl) um die alte Neujahrszeit viel zum Verkauf. Die Pflanze wurde aus Japan bei uns eingeführt, ist aber dort eben- sowenig heimisch, wie die Mume und die folgende, stammt vielmehr gleich diesen aus China.
Auch der Dodan (Enkianthus japonicus Hook.), welchen man in Gärten pflanzt, weil im Herbst seine Blätter sich prächtig roth färben, wurde am Neujahrsfest zur Ausschmückung der Wohnungen viel her- angezogen. Da er im Freien erst 1—2 Monate später zur Blüthe kommt, musste, wie in China, für den erwähnten Zweck das Warm- haus des Handelsgärtners mitwirken.
Im März, dem zweiten Monat des früheren japanischen Jahres, gesellt sich zur Mume der Blüthenschmuck des Momo oder Pfirsich- baumes (Amygdalus persica L.), welchem derjenige der Higan-sakura (Prunus subhirtella Miq.) gegen Ende des Monats folgt. Mehrere Mag- nolien entfalten um diese Zeit ebenfalls ihre Blüthen noch vor den Blättern, so vor allen M. conspicua Salisb. (M. Yulan Desf.), die Haku- ren d. h. »weisse Lotusblume« der Japaner, und die Kobushi (M. Kobus D. C.). Der April ist die Blüthezeit für den zweiten grossen Lieb- ling des Jahres, die Sakura (Prunus pseudocerasus Lindl.). Man nennt diese Pflanze (siehe auch pg. 297) wohl den japanischen Kirschbaum, weil ihre ganze Tracht und ihr Blüthenschmuck an Kirschbäume er- innern; doch sind ihre Früchte ungeniessbar und nicht grösser, als die unseres Prunus Padus. Yama-sakura heisst die in den Bergwal- dungen weitverbreitete, ursprüngliche Form des Baumes, von der eine sehr alte Cultur ausserordentlich viele Abarten mit rosafarbenen und
*) »Tsukiyo ni wa | sore tomo miye zu | mume no hana | ka wo tazunete zo | shiru bekari keru.« Lange: Altjapanische Frühlingslieder pg. 30.
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I. Land- und Forstwirthschaft.
»Schwer erkennst Du im Glanze des Mondes die Blüthe der Pflaume.
Aber Du findest sie gleich, gehst Du dem Dufte nur nach«. *) Mitsune.
Zum Dichter gesellt sich im Haru (Lenz) die Uguisu oder jap.
Nachtigall (Cettia cantans T. & Schl.) und singt, wie erfreut bei dem
ersten Blüthenduft des Jahres und klagend über das rasche Verwelken.
Und wie die bescheidene Poesie, so hat auch die entwickeltere Kunst
des Landes beide, Mume und Uguisu, mit einander verknüpft und
im Bilde, wie plastisch auf den verschiedensten Erzeugnissen des
Kunstgewerbes dargestellt. Dabei erinnert die Mume in ihrer Blatt-
losigkeit und der Fülle und Gestalt ihrer sitzenden Blüthen etwas an
blühende Zweige unseres Schwarzdorns.
Neben der Mume bringen die japanischen Gärtner auch die schlan-
ken und mit gelben Blüthenglocken behangenen Zweige des Rengijo
(Forsythia suspensa Vahl) um die alte Neujahrszeit viel zum Verkauf.
Die Pflanze wurde aus Japan bei uns eingeführt, ist aber dort eben-
sowenig heimisch, wie die Mume und die folgende, stammt vielmehr
gleich diesen aus China.
Auch der Dodan (Enkianthus japonicus Hook.), welchen man in
Gärten pflanzt, weil im Herbst seine Blätter sich prächtig roth färben,
wurde am Neujahrsfest zur Ausschmückung der Wohnungen viel her-
angezogen. Da er im Freien erst 1—2 Monate später zur Blüthe
kommt, musste, wie in China, für den erwähnten Zweck das Warm-
haus des Handelsgärtners mitwirken.
Im März, dem zweiten Monat des früheren japanischen Jahres,
gesellt sich zur Mume der Blüthenschmuck des Momo oder Pfirsich-
baumes (Amygdalus persica L.), welchem derjenige der Higan-sakura
(Prunus subhirtella Miq.) gegen Ende des Monats folgt. Mehrere Mag-
nolien entfalten um diese Zeit ebenfalls ihre Blüthen noch vor den
Blättern, so vor allen M. conspicua Salisb. (M. Yulan Desf.), die Haku-
ren d. h. »weisse Lotusblume« der Japaner, und die Kobushi (M.
Kobus D. C.). Der April ist die Blüthezeit für den zweiten grossen Lieb-
ling des Jahres, die Sakura (Prunus pseudocerasus Lindl.). Man nennt
diese Pflanze (siehe auch pg. 297) wohl den japanischen Kirschbaum,
weil ihre ganze Tracht und ihr Blüthenschmuck an Kirschbäume er-
innern; doch sind ihre Früchte ungeniessbar und nicht grösser, als die
unseres Prunus Padus. Yama-sakura heisst die in den Bergwal-
dungen weitverbreitete, ursprüngliche Form des Baumes, von der eine
sehr alte Cultur ausserordentlich viele Abarten mit rosafarbenen und
*) »Tsukiyo ni wa | sore tomo miye zu | mume no hana | ka wo tazunete zo |
shiru bekari keru.« Lange: Altjapanische Frühlingslieder pg. 30.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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