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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
verrichtete. Der Lein reifte an den Stengeln und ging mit deren Bast
zu Grunde.

Mancher Leser dieser Zeilen wird sich der berüchtigten "Model-
farm" in Shimosa erinnern; doch ich will nicht alle Beispiele solcher
verkehrten Versuche, die Landwirthschaft zu heben, hier anführen.
Der richtige Weg für die Regierung, statt Alles selbst in die Hand
zu nehmen, wäre jedenfalls der gewesen, die Neigung Fremder, in
Japan die Landwirthschaft zu versuchen, zu unterstützen, ihnen auf
eine Reihe von Jahren Staatsländereien abgabenfrei oder gegen einen
bescheidenen Pacht zu überlassen und ihre Versuche anstellen zu
lassen. Gelangen dieselben, so konnten sie dem Volke als Muster
dienen und dasselbe zur Nachahmung reizen, blieben sie aber erfolglos,
so zahlte das Land nicht die Kosten.

Aber die Besorgniss, dass Concessionen zum Betrieb des Acker-
baues an Fremde die Japaner benachtheiligen und zu Verwickelungen
führen könnten, drängte alle derartigen Erwägungen zurück.

Auf Yezo hatte im Jahre 1867, also gegen Ende der Shogun-
Regierung und im Auftrage derselben, ein deutscher Landwirth,
Namens R. Gärtner, eine Musterwirthschaft begründet und zwei Jahre
später auf eigene Rechnung übernommen. "Augustenfelde", wie er
das Gut nannte, entwickelte sich bald unter Gärtner's umsichtiger,
tüchtiger Leitung zu einer wirklichen Musteranstalt eines für die
dortigen Verhältnisse zweckmässigen Betriebes, doch nicht auf lange.
Kaum hatte sich die neue Regierung organisiert und befestigt, so
übernahm sie gegen reiche Entschädigung das Gut, dessen gedeihliche
Entwickelung damit ihr Ende erreichte. Yezo blieb, um mich mit
Gärtner's eigenen Worten auszudrücken, "das grosse und reiche Haus,
dessen Bewohner aber, gleich den Schwalben, nur an den Aussenseiten
desselben in einem ausserordentlich ärmlichen Zustand leben". Der
Fang zahlreicher Fische und sonstiger Seethiere sowie das Einsammeln
und der Versandt mariner Algen im Auftrag unternehmender Kaufleute
beschäftigt und nährt sie hinreichend, wenn auch dürftig. Von
der chinesischen Landwirthschaft sagt Capt. Gill,*) sie sei nach seiner
Meinung vielfach überschätzt worden; dasselbe gilt von der ihr so
innig verwandten japanischen. In einem Punkte aber stehen beide
einzig in ihrer Art da, in der Sorgfalt nämlich, mit der innerhalb des
unter Cultur stehenden Bodens darüber gewacht wird, dass nichts
verloren geht.

Der japanische Feldbau ist ein in hohem Grade intensiver und

*) Journal Roy. Geogr. Soc. 1878 pag. 60.

I. Land- und Forstwirthschaft.
verrichtete. Der Lein reifte an den Stengeln und ging mit deren Bast
zu Grunde.

Mancher Leser dieser Zeilen wird sich der berüchtigten »Model-
farm« in Shimosa erinnern; doch ich will nicht alle Beispiele solcher
verkehrten Versuche, die Landwirthschaft zu heben, hier anführen.
Der richtige Weg für die Regierung, statt Alles selbst in die Hand
zu nehmen, wäre jedenfalls der géwesen, die Neigung Fremder, in
Japan die Landwirthschaft zu versuchen, zu unterstützen, ihnen auf
eine Reihe von Jahren Staatsländereien abgabenfrei oder gegen einen
bescheidenen Pacht zu überlassen und ihre Versuche anstellen zu
lassen. Gelangen dieselben, so konnten sie dem Volke als Muster
dienen und dasselbe zur Nachahmung reizen, blieben sie aber erfolglos,
so zahlte das Land nicht die Kosten.

Aber die Besorgniss, dass Concessionen zum Betrieb des Acker-
baues an Fremde die Japaner benachtheiligen und zu Verwickelungen
führen könnten, drängte alle derartigen Erwägungen zurück.

Auf Yezo hatte im Jahre 1867, also gegen Ende der Shôgun-
Regierung und im Auftrage derselben, ein deutscher Landwirth,
Namens R. Gärtner, eine Musterwirthschaft begründet und zwei Jahre
später auf eigene Rechnung übernommen. »Augustenfelde«, wie er
das Gut nannte, entwickelte sich bald unter Gärtner’s umsichtiger,
tüchtiger Leitung zu einer wirklichen Musteranstalt eines für die
dortigen Verhältnisse zweckmässigen Betriebes, doch nicht auf lange.
Kaum hatte sich die neue Regierung organisiert und befestigt, so
übernahm sie gegen reiche Entschädigung das Gut, dessen gedeihliche
Entwickelung damit ihr Ende erreichte. Yezo blieb, um mich mit
Gärtner’s eigenen Worten auszudrücken, »das grosse und reiche Haus,
dessen Bewohner aber, gleich den Schwalben, nur an den Aussenseiten
desselben in einem ausserordentlich ärmlichen Zustand leben«. Der
Fang zahlreicher Fische und sonstiger Seethiere sowie das Einsammeln
und der Versandt mariner Algen im Auftrag unternehmender Kaufleute
beschäftigt und nährt sie hinreichend, wenn auch dürftig. Von
der chinesischen Landwirthschaft sagt Capt. Gill,*) sie sei nach seiner
Meinung vielfach überschätzt worden; dasselbe gilt von der ihr so
innig verwandten japanischen. In einem Punkte aber stehen beide
einzig in ihrer Art da, in der Sorgfalt nämlich, mit der innerhalb des
unter Cultur stehenden Bodens darüber gewacht wird, dass nichts
verloren geht.

Der japanische Feldbau ist ein in hohem Grade intensiver und

*) Journal Roy. Geogr. Soc. 1878 pag. 60.
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[22/0042] I. Land- und Forstwirthschaft. verrichtete. Der Lein reifte an den Stengeln und ging mit deren Bast zu Grunde. Mancher Leser dieser Zeilen wird sich der berüchtigten »Model- farm« in Shimosa erinnern; doch ich will nicht alle Beispiele solcher verkehrten Versuche, die Landwirthschaft zu heben, hier anführen. Der richtige Weg für die Regierung, statt Alles selbst in die Hand zu nehmen, wäre jedenfalls der géwesen, die Neigung Fremder, in Japan die Landwirthschaft zu versuchen, zu unterstützen, ihnen auf eine Reihe von Jahren Staatsländereien abgabenfrei oder gegen einen bescheidenen Pacht zu überlassen und ihre Versuche anstellen zu lassen. Gelangen dieselben, so konnten sie dem Volke als Muster dienen und dasselbe zur Nachahmung reizen, blieben sie aber erfolglos, so zahlte das Land nicht die Kosten. Aber die Besorgniss, dass Concessionen zum Betrieb des Acker- baues an Fremde die Japaner benachtheiligen und zu Verwickelungen führen könnten, drängte alle derartigen Erwägungen zurück. Auf Yezo hatte im Jahre 1867, also gegen Ende der Shôgun- Regierung und im Auftrage derselben, ein deutscher Landwirth, Namens R. Gärtner, eine Musterwirthschaft begründet und zwei Jahre später auf eigene Rechnung übernommen. »Augustenfelde«, wie er das Gut nannte, entwickelte sich bald unter Gärtner’s umsichtiger, tüchtiger Leitung zu einer wirklichen Musteranstalt eines für die dortigen Verhältnisse zweckmässigen Betriebes, doch nicht auf lange. Kaum hatte sich die neue Regierung organisiert und befestigt, so übernahm sie gegen reiche Entschädigung das Gut, dessen gedeihliche Entwickelung damit ihr Ende erreichte. Yezo blieb, um mich mit Gärtner’s eigenen Worten auszudrücken, »das grosse und reiche Haus, dessen Bewohner aber, gleich den Schwalben, nur an den Aussenseiten desselben in einem ausserordentlich ärmlichen Zustand leben«. Der Fang zahlreicher Fische und sonstiger Seethiere sowie das Einsammeln und der Versandt mariner Algen im Auftrag unternehmender Kaufleute beschäftigt und nährt sie hinreichend, wenn auch dürftig. Von der chinesischen Landwirthschaft sagt Capt. Gill, *) sie sei nach seiner Meinung vielfach überschätzt worden; dasselbe gilt von der ihr so innig verwandten japanischen. In einem Punkte aber stehen beide einzig in ihrer Art da, in der Sorgfalt nämlich, mit der innerhalb des unter Cultur stehenden Bodens darüber gewacht wird, dass nichts verloren geht. Der japanische Feldbau ist ein in hohem Grade intensiver und *) Journal Roy. Geogr. Soc. 1878 pag. 60.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/42>, abgerufen am 24.11.2024.