Tokio, wie man mir sagte, zwei volle Jahre gearbeitet worden war, wurde der sichere Beweis geliefert, dass man die alte Lackierkunst wohl noch versteht, wenn Zeit und Mittel reichlich zur Verfügung stehen. Eine schönere Decoration mit erhabener Goldlackarbeit ist kaum denkbar, als die prächtig ausgeführten rothen und weissen Päonien- blüthen in Gold und Silber, die verschiedenen Chrysanthemum und andere Lieblingsblumen mit ihren Blättern, welche diesen Schirm schmückten. Die Preiscommission lohnte den Aussteller Minoda Chio- jire, einen Kaufmann aus Tokio, mit der goldenen Medaille, ein eng- lischer Liebhaber aber dadurch, dass er die Summe von 60000 Frcs. dafür zahlte.
Wer diese Industrie seitdem weiter verfolgt und ihre Producte in den Handlungen mit besseren kunstgewerblichen Erzeugnissen Japans zu London, Paris und Berlin näher beachtet hat, dem musste sich wohl die Ueberzeugung aufdrängen, dass jetzt ihre höheren Anstrengungen und Leistungen glücklicherweise nicht blos auf die grossen Weltaus- stellungen berechnet werden, sondern auch ausserhalb derselben zu finden sind und weitere Anerkennung durch Abnehmer ihnen nicht fehlt.
Heutzutage concentriert sich die Lackindustrie vornehmlich in und um Tokio und es erfolgt die grösste Ausfuhr ihrer Producte über Yoko- hama. Hierher gelangen auch die meisten Lackwaaren von Shidzuoka, sowie den nördlicheren Provinzialstädten Wakamatsu, Yonezawa und Niigata, ebenso die von Noshiro. Shidzuoka und Niigata liefern u. A. die meisten der beliebten elliptischen Brodkörbchen aus Magnolienholz mit und ohne Rotangbeleg auf der Aussenseite. In Niigata nährten sich 1874 nicht weniger als 200 Familien von der Lackindustrie.
Im Thale des oberen Sai-gawa, sowie des Kiso-gawa der Provinz Shinano längs des Nakasendo verfertigen die Orte Hirasawa, Na- gai, Yabuhara und Fukushima ziemlich viele und billige hölzerne Lackwaaren für den einheimischen Bedarf, vornehmlich Suppennäpfe (wan) und andere hölzerne Essgeräthe. Statt des Kokuso-kau be- streicht man die Fugen einfach mit einem Gemisch aus Weizenmehl und Se-shime-urushi. -- Wakayama versorgt mit Kioto vornehmlich den Markt von Ozaka und Hiogo. In Nagoya wird die Lackverzie- rung besonders auf Thonwaaren (Porzellan und irdenes Geschirr) an- gewandt, in Kioto auch auf Bronze und Kupfer. Nagasaki liefert vor allem die Schildkrotarbeiten und Imitationen mit zum Theil sehr schö- ner Goldlackverzierung. Auch kommen Cabinette und andere Sachen mit Perlmutterarbeit vornehmlich von hier, sodann die lackierten Arita- Vasen mit wellenförmigem Rande.
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Tôkio, wie man mir sagte, zwei volle Jahre gearbeitet worden war, wurde der sichere Beweis geliefert, dass man die alte Lackierkunst wohl noch versteht, wenn Zeit und Mittel reichlich zur Verfügung stehen. Eine schönere Decoration mit erhabener Goldlackarbeit ist kaum denkbar, als die prächtig ausgeführten rothen und weissen Päonien- blüthen in Gold und Silber, die verschiedenen Chrysanthemum und andere Lieblingsblumen mit ihren Blättern, welche diesen Schirm schmückten. Die Preiscommission lohnte den Aussteller Minoda Chio- jire, einen Kaufmann aus Tôkio, mit der goldenen Medaille, ein eng- lischer Liebhaber aber dadurch, dass er die Summe von 60000 Frcs. dafür zahlte.
Wer diese Industrie seitdem weiter verfolgt und ihre Producte in den Handlungen mit besseren kunstgewerblichen Erzeugnissen Japans zu London, Paris und Berlin näher beachtet hat, dem musste sich wohl die Ueberzeugung aufdrängen, dass jetzt ihre höheren Anstrengungen und Leistungen glücklicherweise nicht blos auf die grossen Weltaus- stellungen berechnet werden, sondern auch ausserhalb derselben zu finden sind und weitere Anerkennung durch Abnehmer ihnen nicht fehlt.
Heutzutage concentriert sich die Lackindustrie vornehmlich in und um Tôkio und es erfolgt die grösste Ausfuhr ihrer Producte über Yoko- hama. Hierher gelangen auch die meisten Lackwaaren von Shidzuoka, sowie den nördlicheren Provinzialstädten Wakamatsu, Yonezawa und Niigata, ebenso die von Noshiro. Shidzuoka und Niigata liefern u. A. die meisten der beliebten elliptischen Brodkörbchen aus Magnolienholz mit und ohne Rotangbeleg auf der Aussenseite. In Niigata nährten sich 1874 nicht weniger als 200 Familien von der Lackindustrie.
Im Thale des oberen Sai-gawa, sowie des Kiso-gawa der Provinz Shinano längs des Nakasendô verfertigen die Orte Hirasawa, Na- gai, Yabuhara und Fukushima ziemlich viele und billige hölzerne Lackwaaren für den einheimischen Bedarf, vornehmlich Suppennäpfe (wan) und andere hölzerne Essgeräthe. Statt des Kokuso-kau be- streicht man die Fugen einfach mit einem Gemisch aus Weizenmehl und Se-shime-urushi. — Wakayama versorgt mit Kiôto vornehmlich den Markt von Ôzaka und Hiogo. In Nagoya wird die Lackverzie- rung besonders auf Thonwaaren (Porzellan und irdenes Geschirr) an- gewandt, in Kiôto auch auf Bronze und Kupfer. Nagasaki liefert vor allem die Schildkrotarbeiten und Imitationen mit zum Theil sehr schö- ner Goldlackverzierung. Auch kommen Cabinette und andere Sachen mit Perlmutterarbeit vornehmlich von hier, sodann die lackierten Arita- Vasen mit wellenförmigem Rande.
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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Tôkio, wie man mir sagte, zwei volle Jahre gearbeitet worden war,
wurde der sichere Beweis geliefert, dass man die alte Lackierkunst
wohl noch versteht, wenn Zeit und Mittel reichlich zur Verfügung
stehen. Eine schönere Decoration mit erhabener Goldlackarbeit ist kaum
denkbar, als die prächtig ausgeführten rothen und weissen Päonien-
blüthen in Gold und Silber, die verschiedenen Chrysanthemum und
andere Lieblingsblumen mit ihren Blättern, welche diesen Schirm
schmückten. Die Preiscommission lohnte den Aussteller Minoda Chio-
jire, einen Kaufmann aus Tôkio, mit der goldenen Medaille, ein eng-
lischer Liebhaber aber dadurch, dass er die Summe von 60000 Frcs.
dafür zahlte.
Wer diese Industrie seitdem weiter verfolgt und ihre Producte in
den Handlungen mit besseren kunstgewerblichen Erzeugnissen Japans
zu London, Paris und Berlin näher beachtet hat, dem musste sich wohl
die Ueberzeugung aufdrängen, dass jetzt ihre höheren Anstrengungen
und Leistungen glücklicherweise nicht blos auf die grossen Weltaus-
stellungen berechnet werden, sondern auch ausserhalb derselben zu
finden sind und weitere Anerkennung durch Abnehmer ihnen nicht fehlt.
Heutzutage concentriert sich die Lackindustrie vornehmlich in und
um Tôkio und es erfolgt die grösste Ausfuhr ihrer Producte über Yoko-
hama. Hierher gelangen auch die meisten Lackwaaren von Shidzuoka,
sowie den nördlicheren Provinzialstädten Wakamatsu, Yonezawa und
Niigata, ebenso die von Noshiro. Shidzuoka und Niigata liefern u. A.
die meisten der beliebten elliptischen Brodkörbchen aus Magnolienholz
mit und ohne Rotangbeleg auf der Aussenseite. In Niigata nährten
sich 1874 nicht weniger als 200 Familien von der Lackindustrie.
Im Thale des oberen Sai-gawa, sowie des Kiso-gawa der Provinz
Shinano längs des Nakasendô verfertigen die Orte Hirasawa, Na-
gai, Yabuhara und Fukushima ziemlich viele und billige hölzerne
Lackwaaren für den einheimischen Bedarf, vornehmlich Suppennäpfe
(wan) und andere hölzerne Essgeräthe. Statt des Kokuso-kau be-
streicht man die Fugen einfach mit einem Gemisch aus Weizenmehl
und Se-shime-urushi. — Wakayama versorgt mit Kiôto vornehmlich
den Markt von Ôzaka und Hiogo. In Nagoya wird die Lackverzie-
rung besonders auf Thonwaaren (Porzellan und irdenes Geschirr) an-
gewandt, in Kiôto auch auf Bronze und Kupfer. Nagasaki liefert vor
allem die Schildkrotarbeiten und Imitationen mit zum Theil sehr schö-
ner Goldlackverzierung. Auch kommen Cabinette und andere Sachen
mit Perlmutterarbeit vornehmlich von hier, sodann die lackierten Arita-
Vasen mit wellenförmigem Rande.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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