ders geschickt in der Fabrikation von faconniertem Atlas, Krepp und Brocat.
In den folgenden Spalten mögen noch diejenigen Erzeugnisse der japanischen Seidenindustrie eine nähere Erörterung finden, welche von europäischen wesentlich abweichen oder sich durch hervorragende Schönheit und Güte besonders auszeichnen.
Habutaye (sprich Habutai) oder Kabe-habutai, ein eigen- artig geripptes Seidengewebe von weisser Farbe, gehört zu den präch- tigsten ungemusterten Seidenstoffen, welche Japan aufweisen kann. Dieses Habutai ist wellig gerieft, ein Mittelding zwischen Krepp und Rips. Kette und Einschlag sind viel dicker als bei glatten und ge- köperten Stoffen. Die Schussfäden sind eigenartig locker gedreht. Ein dünnerer Faden, aus 2 Haspelfäden bestehend, umwindet nämlich in langgestreckter Spirale einen dickeren, der aus 6 Gregefäden zu- sammengesetzt ist. Dies bedingt nicht blos die eigenartige wellige Rippung des Stoffes, sondern auch seine grössere Fülle und Geschmei- digkeit. Nach Dicke und Weichheit erinnert Habutai an Sammet, von dem er jedoch sonst durchaus abweicht.
Dieses Gewebe war in Japan immer für Festkleider des Adels sehr beliebt; auch pflegte der Hof oft Geschenke damit zu machen. So schenkte nach Berichten aus Japan der Mikado während seiner Rundreise durch das mittlere und nördliche Hondo im Jahre 1878 manche Elle Habutai an seine Wirthe. Kabe Habutai wurde immer in brei- teren Bahnen gewoben, als gewöhnliche glatte oder geköperte Seiden- stoffe. In Kioto kostete 1875 ein Stück von 16,6 m Länge und 70 cm Breite 13 yen oder 52 Mk.
Der beliebteste rauhe, glanzlose Seidenstoff der Japaner, den sie sowohl einfach als in verschiedener Weise gemustert darstellen, ist ohne Zweifel der Chirimen oder Krepp. Weicht auch, wie das Aus- sehen, so die Anfertigung der verschiedenen Sorten ansehnlich von einander ab, so findet sich doch bei allen ein gemeinsamer Zug. Er besteht darin, dass man zur Kette, wie zum Schuss ziemlich gleich starke Fäden nimmt, von denen aber die Einschlagfäden auf der Zwirn- maschine noch besonders teils rechts, teils links gezwirnt wurden. Beim Einschlag dieser doppelt gedrehten Fäden wechselt man mit den beiden Sorten ab. Ist das Stück (Tan oder I'tan) fertig, so kommt es in ein Bad, erleidet dabei eine starke Contraction, namentlich in die Breite, wird darauf in Wasser ausgesüsst und vor völligem Trocknen über eine hölzerne Walze gerollt und gestreckt, dann an der Sonne vollends ge- trocknet. Solche Kreppseide, bei der die Anwendung einer sogenann- ten Kreppmaschine unbekannt ist, kann nur im Stück gefärbt werden.
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
ders geschickt in der Fabrikation von façonniertem Atlas, Krepp und Brocat.
In den folgenden Spalten mögen noch diejenigen Erzeugnisse der japanischen Seidenindustrie eine nähere Erörterung finden, welche von europäischen wesentlich abweichen oder sich durch hervorragende Schönheit und Güte besonders auszeichnen.
Habutaye (sprich Habutai) oder Kabe-habutai, ein eigen- artig geripptes Seidengewebe von weisser Farbe, gehört zu den präch- tigsten ungemusterten Seidenstoffen, welche Japan aufweisen kann. Dieses Habutai ist wellig gerieft, ein Mittelding zwischen Krepp und Rips. Kette und Einschlag sind viel dicker als bei glatten und ge- köperten Stoffen. Die Schussfäden sind eigenartig locker gedreht. Ein dünnerer Faden, aus 2 Haspelfäden bestehend, umwindet nämlich in langgestreckter Spirale einen dickeren, der aus 6 Grègefäden zu- sammengesetzt ist. Dies bedingt nicht blos die eigenartige wellige Rippung des Stoffes, sondern auch seine grössere Fülle und Geschmei- digkeit. Nach Dicke und Weichheit erinnert Habutai an Sammet, von dem er jedoch sonst durchaus abweicht.
Dieses Gewebe war in Japan immer für Festkleider des Adels sehr beliebt; auch pflegte der Hof oft Geschenke damit zu machen. So schenkte nach Berichten aus Japan der Mikado während seiner Rundreise durch das mittlere und nördliche Hondo im Jahre 1878 manche Elle Habutai an seine Wirthe. Kabe Habutai wurde immer in brei- teren Bahnen gewoben, als gewöhnliche glatte oder geköperte Seiden- stoffe. In Kiôto kostete 1875 ein Stück von 16,6 m Länge und 70 cm Breite 13 yen oder 52 Mk.
Der beliebteste rauhe, glanzlose Seidenstoff der Japaner, den sie sowohl einfach als in verschiedener Weise gemustert darstellen, ist ohne Zweifel der Chirimen oder Krepp. Weicht auch, wie das Aus- sehen, so die Anfertigung der verschiedenen Sorten ansehnlich von einander ab, so findet sich doch bei allen ein gemeinsamer Zug. Er besteht darin, dass man zur Kette, wie zum Schuss ziemlich gleich starke Fäden nimmt, von denen aber die Einschlagfäden auf der Zwirn- maschine noch besonders teils rechts, teils links gezwirnt wurden. Beim Einschlag dieser doppelt gedrehten Fäden wechselt man mit den beiden Sorten ab. Ist das Stück (Tan oder I’tan) fertig, so kommt es in ein Bad, erleidet dabei eine starke Contraction, namentlich in die Breite, wird darauf in Wasser ausgesüsst und vor völligem Trocknen über eine hölzerne Walze gerollt und gestreckt, dann an der Sonne vollends ge- trocknet. Solche Kreppseide, bei der die Anwendung einer sogenann- ten Kreppmaschine unbekannt ist, kann nur im Stück gefärbt werden.
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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
ders geschickt in der Fabrikation von façonniertem Atlas, Krepp und
Brocat.
In den folgenden Spalten mögen noch diejenigen Erzeugnisse der
japanischen Seidenindustrie eine nähere Erörterung finden, welche von
europäischen wesentlich abweichen oder sich durch hervorragende
Schönheit und Güte besonders auszeichnen.
Habutaye (sprich Habutai) oder Kabe-habutai, ein eigen-
artig geripptes Seidengewebe von weisser Farbe, gehört zu den präch-
tigsten ungemusterten Seidenstoffen, welche Japan aufweisen kann.
Dieses Habutai ist wellig gerieft, ein Mittelding zwischen Krepp und
Rips. Kette und Einschlag sind viel dicker als bei glatten und ge-
köperten Stoffen. Die Schussfäden sind eigenartig locker gedreht.
Ein dünnerer Faden, aus 2 Haspelfäden bestehend, umwindet nämlich
in langgestreckter Spirale einen dickeren, der aus 6 Grègefäden zu-
sammengesetzt ist. Dies bedingt nicht blos die eigenartige wellige
Rippung des Stoffes, sondern auch seine grössere Fülle und Geschmei-
digkeit. Nach Dicke und Weichheit erinnert Habutai an Sammet, von
dem er jedoch sonst durchaus abweicht.
Dieses Gewebe war in Japan immer für Festkleider des Adels
sehr beliebt; auch pflegte der Hof oft Geschenke damit zu machen.
So schenkte nach Berichten aus Japan der Mikado während seiner
Rundreise durch das mittlere und nördliche Hondo im Jahre 1878 manche
Elle Habutai an seine Wirthe. Kabe Habutai wurde immer in brei-
teren Bahnen gewoben, als gewöhnliche glatte oder geköperte Seiden-
stoffe. In Kiôto kostete 1875 ein Stück von 16,6 m Länge und 70 cm
Breite 13 yen oder 52 Mk.
Der beliebteste rauhe, glanzlose Seidenstoff der Japaner, den sie
sowohl einfach als in verschiedener Weise gemustert darstellen, ist
ohne Zweifel der Chirimen oder Krepp. Weicht auch, wie das Aus-
sehen, so die Anfertigung der verschiedenen Sorten ansehnlich von
einander ab, so findet sich doch bei allen ein gemeinsamer Zug. Er
besteht darin, dass man zur Kette, wie zum Schuss ziemlich gleich
starke Fäden nimmt, von denen aber die Einschlagfäden auf der Zwirn-
maschine noch besonders teils rechts, teils links gezwirnt wurden.
Beim Einschlag dieser doppelt gedrehten Fäden wechselt man mit den
beiden Sorten ab. Ist das Stück (Tan oder I’tan) fertig, so kommt es in
ein Bad, erleidet dabei eine starke Contraction, namentlich in die Breite,
wird darauf in Wasser ausgesüsst und vor völligem Trocknen über eine
hölzerne Walze gerollt und gestreckt, dann an der Sonne vollends ge-
trocknet. Solche Kreppseide, bei der die Anwendung einer sogenann-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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