6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.
"Wer japanische Kunst studieren will, darf es nicht versäumen, diesen Netsuke's besondere Aufmerksamkeit zu widmen."*)
Kein Wunder, dass Netsuke's, besonders solche aus Elfenbein, die gesuchtesten und am theuersten bezahlten Kleinigkeiten der japani- schen Curiositätenhändler geworden sind, und dass diejenigen euro- päischen Sammler, welchen es gelang, zur Zeit, als die Nachfrage noch gering, die Auswahl gross und die Preise niedrig waren, eine schöne Sammlung derselben zu erwerben, mit besonderem Stolze auf eine solche blicken.
Die Holzschnitzerei oder Ki-no-hori-mono hat im buddhisti- schen Ostasien gerade so wie im christlichen Europa sich zuerst in der Ausschmückung der Tempel geübt und dadurch mancherlei An- regung und Förderung erhalten. Von dem Anfang des 6. Jahrhun- derts an, wo die ersten Statuen indischer Heiligen von Korea nach Japan kamen, hat die Anfertigung von Moku-butsu oder Holzgötzen die Bildschnitzer Japans vornehmlich in Anspruch genommen. Zu den grössten und wirkungsvollsten Werken ihrer Kunst gehören un- streitig die beiden Thorhüter, welche zu beiden Seiten des hohen Aussenthors (Sam-mon) buddhistischer Tempel angebracht sind, stramme, nackte, athletische Gestalten von 3--4 m Höhe mit grimmigem Gesichtsausdruck und einer oft in wunderbarer Kraft und Treue ausge- führten Muskulatur. Sie sind unter dem Namen Ni-o (Niwo-sama), die ehrwürdigen Könige, bekannt. Besonders beachtenswerth sind die beiden Ni-o in der südlichen goldenen Halle (Nan-yen-do) in der Nähe des ehemaligen berühmten Tempels Ko-fuku-ji zu Nara.**) -- Mehrere der in der Geschichte Japans hervorragenden Persönlichkeiten pflegt man ebenfalls oft in Holz darzustellen. Unter den kleineren Bild- schnitzereien dieser Art findet man Hitomaro (Kaki-no-moto-no-Hito- maro), einen berühmten Dichter, der vor 1200 Jahren lebte, besonders häufig und vortrefflich ausgeführt.***) Es ist eine typische, edle, intelligente Gestalt, die immer in gleicher Weise sitzend wiederge- geben wird. Auf dem gebogenen Knie des vorgestreckten rechten Beines ruht die entsprechende Hand mit dem Pinsel (Fude), über dem linken Knie ein Tischchen, auf welches sich der linke Arm stützt.
*) Carl Senft in Amtlicher Bericht der Wiener Weltausstellung. 10. Gruppe. Kurzwaaren.
**) "Among a crowd of miscellaneous images are an excellent pair of Ni-o, the anatomy of which is perfect. They are the best examples of sculpture in wood to be seen in Japan." -- Siehe Satow & Hawes: "A Handbook for travel- lers in Japan. 2. Edition. London 1884, pg. 389.
***) Siehe Handbook etc. pg. 401.
6. Holz-, Elfenbein- u. Beinschnitzerei. Schildpatt-, Horn- etc. Arbeiten.
»Wer japanische Kunst studieren will, darf es nicht versäumen, diesen Netsuke’s besondere Aufmerksamkeit zu widmen.«*)
Kein Wunder, dass Netsuke’s, besonders solche aus Elfenbein, die gesuchtesten und am theuersten bezahlten Kleinigkeiten der japani- schen Curiositätenhändler geworden sind, und dass diejenigen euro- päischen Sammler, welchen es gelang, zur Zeit, als die Nachfrage noch gering, die Auswahl gross und die Preise niedrig waren, eine schöne Sammlung derselben zu erwerben, mit besonderem Stolze auf eine solche blicken.
Die Holzschnitzerei oder Ki-no-hori-mono hat im buddhisti- schen Ostasien gerade so wie im christlichen Europa sich zuerst in der Ausschmückung der Tempel geübt und dadurch mancherlei An- regung und Förderung erhalten. Von dem Anfang des 6. Jahrhun- derts an, wo die ersten Statuen indischer Heiligen von Korea nach Japan kamen, hat die Anfertigung von Moku-butsu oder Holzgötzen die Bildschnitzer Japans vornehmlich in Anspruch genommen. Zu den grössten und wirkungsvollsten Werken ihrer Kunst gehören un- streitig die beiden Thorhüter, welche zu beiden Seiten des hohen Aussenthors (Sam-mon) buddhistischer Tempel angebracht sind, stramme, nackte, athletische Gestalten von 3—4 m Höhe mit grimmigem Gesichtsausdruck und einer oft in wunderbarer Kraft und Treue ausge- führten Muskulatur. Sie sind unter dem Namen Ni-ô (Niwo-sama), die ehrwürdigen Könige, bekannt. Besonders beachtenswerth sind die beiden Ni-ô in der südlichen goldenen Halle (Nan-yen-dô) in der Nähe des ehemaligen berühmten Tempels Kô-fuku-ji zu Nara.**) — Mehrere der in der Geschichte Japans hervorragenden Persönlichkeiten pflegt man ebenfalls oft in Holz darzustellen. Unter den kleineren Bild- schnitzereien dieser Art findet man Hitomaro (Kaki-no-moto-no-Hito- maro), einen berühmten Dichter, der vor 1200 Jahren lebte, besonders häufig und vortrefflich ausgeführt.***) Es ist eine typische, edle, intelligente Gestalt, die immer in gleicher Weise sitzend wiederge- geben wird. Auf dem gebogenen Knie des vorgestreckten rechten Beines ruht die entsprechende Hand mit dem Pinsel (Fude), über dem linken Knie ein Tischchen, auf welches sich der linke Arm stützt.
*) Carl Senft in Amtlicher Bericht der Wiener Weltausstellung. 10. Gruppe. Kurzwaaren.
**) »Among a crowd of miscellaneous images are an excellent pair of Ni-ô, the anatomy of which is perfect. They are the best examples of sculpture in wood to be seen in Japan.« — Siehe Satow & Hawes: »A Handbook for travel- lers in Japan. 2. Edition. London 1884, pg. 389.
***) Siehe Handbook etc. pg. 401.
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»Wer japanische Kunst studieren will, darf es nicht versäumen, diesen
Netsuke’s besondere Aufmerksamkeit zu widmen.« *)
Kein Wunder, dass Netsuke’s, besonders solche aus Elfenbein, die
gesuchtesten und am theuersten bezahlten Kleinigkeiten der japani-
schen Curiositätenhändler geworden sind, und dass diejenigen euro-
päischen Sammler, welchen es gelang, zur Zeit, als die Nachfrage noch
gering, die Auswahl gross und die Preise niedrig waren, eine schöne
Sammlung derselben zu erwerben, mit besonderem Stolze auf eine
solche blicken.
Die Holzschnitzerei oder Ki-no-hori-mono hat im buddhisti-
schen Ostasien gerade so wie im christlichen Europa sich zuerst in
der Ausschmückung der Tempel geübt und dadurch mancherlei An-
regung und Förderung erhalten. Von dem Anfang des 6. Jahrhun-
derts an, wo die ersten Statuen indischer Heiligen von Korea nach
Japan kamen, hat die Anfertigung von Moku-butsu oder Holzgötzen
die Bildschnitzer Japans vornehmlich in Anspruch genommen. Zu
den grössten und wirkungsvollsten Werken ihrer Kunst gehören un-
streitig die beiden Thorhüter, welche zu beiden Seiten des hohen
Aussenthors (Sam-mon) buddhistischer Tempel angebracht sind,
stramme, nackte, athletische Gestalten von 3—4 m Höhe mit grimmigem
Gesichtsausdruck und einer oft in wunderbarer Kraft und Treue ausge-
führten Muskulatur. Sie sind unter dem Namen Ni-ô (Niwo-sama),
die ehrwürdigen Könige, bekannt. Besonders beachtenswerth sind die
beiden Ni-ô in der südlichen goldenen Halle (Nan-yen-dô) in der Nähe
des ehemaligen berühmten Tempels Kô-fuku-ji zu Nara. **) — Mehrere
der in der Geschichte Japans hervorragenden Persönlichkeiten pflegt
man ebenfalls oft in Holz darzustellen. Unter den kleineren Bild-
schnitzereien dieser Art findet man Hitomaro (Kaki-no-moto-no-Hito-
maro), einen berühmten Dichter, der vor 1200 Jahren lebte, besonders
häufig und vortrefflich ausgeführt. ***) Es ist eine typische, edle,
intelligente Gestalt, die immer in gleicher Weise sitzend wiederge-
geben wird. Auf dem gebogenen Knie des vorgestreckten rechten
Beines ruht die entsprechende Hand mit dem Pinsel (Fude), über dem
linken Knie ein Tischchen, auf welches sich der linke Arm stützt.
*) Carl Senft in Amtlicher Bericht der Wiener Weltausstellung. 10. Gruppe.
Kurzwaaren.
**) »Among a crowd of miscellaneous images are an excellent pair of Ni-ô,
the anatomy of which is perfect. They are the best examples of sculpture in
wood to be seen in Japan.« — Siehe Satow & Hawes: »A Handbook for travel-
lers in Japan. 2. Edition. London 1884, pg. 389.
***) Siehe Handbook etc. pg. 401.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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