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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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9. Emailindustrie.
Mittelalter das Email genannt, -- verband man, wie Theophilus *) an-
führt und zahlreiche Beispiele beweisen, die Ausschmückung mit kost-
baren Steinen, welche sich zum Teil mitten aus dem Zellenschmelz
hervorheben. Emailierte Reliquienschreine wurden besonders beliebt.
Doch zierte man nicht blos diese, Särge, Altäre, Crucifixe, Räucher-
gefässe und sonstige Kirchengeräthe mit Grubenschmelz, sondern auch
Waffen, Gürtel und allerlei Schmuckgegenstände. Zur Unterlage wählte
man statt Edelmetall mehr und mehr das billigere Kupfer, auf dessen
polierter Fläche die Verzierungen vorgezeichnet und dann mit dem
Stichel ausgegraben wurden. Erst viel später hat man sich diese
Arbeit durch Guss und Nachgravierung bedeutend erleichtert. Der
Grubenschmelz auf Kupfer ermöglichte in ganz anderer Weise, wie
der Zellenschmelz auf Edelmetall, die Verzierung grösserer Flächen und
wurde in Europa herrschend, während das Email cloisonne seine
Hauptausbildung in China und Japan gefunden hat.

Deutsch-Lothringer brachten den Grubenschmelz nach Paris, von
wo er im 12. Jahrhundert weiter nach Limoges gelangte und hier bald
zu grosser Blüthe kam. Als aber im 15. Jahrhundert die Kunst in
der Gunst des Publikums sank, entwickelte sich daraus das Limosiner
Email oder Maleremail von Limoges, in welchem die Emailierkunst
überhaupt ihre grössten Leistungen aufzuweisen hat. Im 17. Jahr-
hundert folgte in Limoges diesem Maleremail die noch blühende Faience-
industrie, der sich im 18. Jahrhundert die Porzellanindustrie zugesellte.

Die Kunst, metallene Gegenstände durch Flachemail, insbesondere
Grubenschmelz, zu verzieren, verschwand in Europa gegen Ende des
Mittelalters mehr und mehr, ohne völlig auszusterben. Ihre erste Neu-
belebung fand im 17. Jahrhundert zur "Zeit der Patriarchen und
Czaren" in Moskau durch griechische Meister statt. Bischofsmützen,
Crucifixe, Scepter, Reichsäpfel, Schilde, Schwerter, Köcher und andere
Dinge mehr wurden mit Steinen und Email decoriert. Aber dies Email
zeigt, wie der moderne europäische Zellenschmelz überhaupt, viel
glänzendere Farben. Die Ursache liegt unstreitig in einer veränderten
Verfahrungsweise. Während man in früherer Zeit -- und in Japan
und China sogar noch vor wenigen Jahren -- die Farben mit den
übrigen Bestandteilen des Zellenschmelzes mischte und in der Zelle
oder Grube durch Hitze zur Glasmasse vereinigte, werden jetzt farbige
Gläser angewandt. Man zerstösst sie und zerreibt ihr Pulver mit

*) Theophilus oder Rugerus, der um die Mitte des 11. Jahrhunderts lebte,
gibt in seinen hinterlassenen Manuscripten "Diversarum artium schedula" die erste
Beschreibung von der Herstellung des Email cloisonne.

9. Emailindustrie.
Mittelalter das Email genannt, — verband man, wie Theophilus *) an-
führt und zahlreiche Beispiele beweisen, die Ausschmückung mit kost-
baren Steinen, welche sich zum Teil mitten aus dem Zellenschmelz
hervorheben. Emailierte Reliquienschreine wurden besonders beliebt.
Doch zierte man nicht blos diese, Särge, Altäre, Crucifixe, Räucher-
gefässe und sonstige Kirchengeräthe mit Grubenschmelz, sondern auch
Waffen, Gürtel und allerlei Schmuckgegenstände. Zur Unterlage wählte
man statt Edelmetall mehr und mehr das billigere Kupfer, auf dessen
polierter Fläche die Verzierungen vorgezeichnet und dann mit dem
Stichel ausgegraben wurden. Erst viel später hat man sich diese
Arbeit durch Guss und Nachgravierung bedeutend erleichtert. Der
Grubenschmelz auf Kupfer ermöglichte in ganz anderer Weise, wie
der Zellenschmelz auf Edelmetall, die Verzierung grösserer Flächen und
wurde in Europa herrschend, während das Email cloisonné seine
Hauptausbildung in China und Japan gefunden hat.

Deutsch-Lothringer brachten den Grubenschmelz nach Paris, von
wo er im 12. Jahrhundert weiter nach Limoges gelangte und hier bald
zu grosser Blüthe kam. Als aber im 15. Jahrhundert die Kunst in
der Gunst des Publikums sank, entwickelte sich daraus das Limosiner
Email oder Maleremail von Limoges, in welchem die Emailierkunst
überhaupt ihre grössten Leistungen aufzuweisen hat. Im 17. Jahr-
hundert folgte in Limoges diesem Maleremail die noch blühende Faience-
industrie, der sich im 18. Jahrhundert die Porzellanindustrie zugesellte.

Die Kunst, metallene Gegenstände durch Flachemail, insbesondere
Grubenschmelz, zu verzieren, verschwand in Europa gegen Ende des
Mittelalters mehr und mehr, ohne völlig auszusterben. Ihre erste Neu-
belebung fand im 17. Jahrhundert zur »Zeit der Patriarchen und
Czaren« in Moskau durch griechische Meister statt. Bischofsmützen,
Crucifixe, Scepter, Reichsäpfel, Schilde, Schwerter, Köcher und andere
Dinge mehr wurden mit Steinen und Email decoriert. Aber dies Email
zeigt, wie der moderne europäische Zellenschmelz überhaupt, viel
glänzendere Farben. Die Ursache liegt unstreitig in einer veränderten
Verfahrungsweise. Während man in früherer Zeit — und in Japan
und China sogar noch vor wenigen Jahren — die Farben mit den
übrigen Bestandteilen des Zellenschmelzes mischte und in der Zelle
oder Grube durch Hitze zur Glasmasse vereinigte, werden jetzt farbige
Gläser angewandt. Man zerstösst sie und zerreibt ihr Pulver mit

*) Theophilus oder Rugerus, der um die Mitte des 11. Jahrhunderts lebte,
gibt in seinen hinterlassenen Manuscripten »Diversarum artium schedula« die erste
Beschreibung von der Herstellung des Email cloisonné.
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[585/0643] 9. Emailindustrie. Mittelalter das Email genannt, — verband man, wie Theophilus *) an- führt und zahlreiche Beispiele beweisen, die Ausschmückung mit kost- baren Steinen, welche sich zum Teil mitten aus dem Zellenschmelz hervorheben. Emailierte Reliquienschreine wurden besonders beliebt. Doch zierte man nicht blos diese, Särge, Altäre, Crucifixe, Räucher- gefässe und sonstige Kirchengeräthe mit Grubenschmelz, sondern auch Waffen, Gürtel und allerlei Schmuckgegenstände. Zur Unterlage wählte man statt Edelmetall mehr und mehr das billigere Kupfer, auf dessen polierter Fläche die Verzierungen vorgezeichnet und dann mit dem Stichel ausgegraben wurden. Erst viel später hat man sich diese Arbeit durch Guss und Nachgravierung bedeutend erleichtert. Der Grubenschmelz auf Kupfer ermöglichte in ganz anderer Weise, wie der Zellenschmelz auf Edelmetall, die Verzierung grösserer Flächen und wurde in Europa herrschend, während das Email cloisonné seine Hauptausbildung in China und Japan gefunden hat. Deutsch-Lothringer brachten den Grubenschmelz nach Paris, von wo er im 12. Jahrhundert weiter nach Limoges gelangte und hier bald zu grosser Blüthe kam. Als aber im 15. Jahrhundert die Kunst in der Gunst des Publikums sank, entwickelte sich daraus das Limosiner Email oder Maleremail von Limoges, in welchem die Emailierkunst überhaupt ihre grössten Leistungen aufzuweisen hat. Im 17. Jahr- hundert folgte in Limoges diesem Maleremail die noch blühende Faience- industrie, der sich im 18. Jahrhundert die Porzellanindustrie zugesellte. Die Kunst, metallene Gegenstände durch Flachemail, insbesondere Grubenschmelz, zu verzieren, verschwand in Europa gegen Ende des Mittelalters mehr und mehr, ohne völlig auszusterben. Ihre erste Neu- belebung fand im 17. Jahrhundert zur »Zeit der Patriarchen und Czaren« in Moskau durch griechische Meister statt. Bischofsmützen, Crucifixe, Scepter, Reichsäpfel, Schilde, Schwerter, Köcher und andere Dinge mehr wurden mit Steinen und Email decoriert. Aber dies Email zeigt, wie der moderne europäische Zellenschmelz überhaupt, viel glänzendere Farben. Die Ursache liegt unstreitig in einer veränderten Verfahrungsweise. Während man in früherer Zeit — und in Japan und China sogar noch vor wenigen Jahren — die Farben mit den übrigen Bestandteilen des Zellenschmelzes mischte und in der Zelle oder Grube durch Hitze zur Glasmasse vereinigte, werden jetzt farbige Gläser angewandt. Man zerstösst sie und zerreibt ihr Pulver mit *) Theophilus oder Rugerus, der um die Mitte des 11. Jahrhunderts lebte, gibt in seinen hinterlassenen Manuscripten »Diversarum artium schedula« die erste Beschreibung von der Herstellung des Email cloisonné.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/643>, abgerufen am 24.11.2024.