vorausgehen musste, ist dasselbe zur Aufnahme der neuen Pflanzung vollständig hergerichtet. --
Von ganz besonderer Wichtigkeit erscheint das Bewässerungs- system. Jede Scheidewand des Reisfeldes hat eine oder mehrere kleine Durchstiche, hier für den Zutritt, dort für den Abfluss des Wassers. Kommt dieses von einem Bergabhang, so wird es zunächst zum höchst gelegenen Felde der Thalsohle oder Terrassenanlage ge- leitet.
Der kleine Wasserlauf -- ein starker würde ja zu viel Gefahren für's Feld bringen -- überrieselt dasselbe bis zu einer gewissen Höhe und fliesst dann über zum nächsten Grundstück, bewirkt hier bald das- selbe, geht hierauf über zur dritten Stufe und so fort von Terrasse zu Terrasse, bis das ganze System bewässert ist. Natürliche Flussbette, oder Canäle mit Betten, welche tiefer liegen als die Felder, durch- ziehen das Ganze, um das Wasser, wenn es nicht mehr nöthig ist, aufzunehmen und fortzuführen. Auf diese Weise steht es stets unter vollkommener Controlle, die nur bei längeren starken Regen aufhört.
In wasserarmen Distrikten, solchen, die mehr auf Regen, denn auf die Zufuhr durch Flüsse aus höheren, bewaldeten Gebirgen ange- wiesen sind, hat man Teiche angelegt, damit, wenn in trocknen Sommern die natürlichen Zuflüsse versiegen, der in jenen aufge- speicherte Wasservorrath aushelfen könne. Viele dieser Teiche haben bereits ein hohes Alter; auch wird in der ältesten Landesgeschichte schon solcher Anlagen durch den einen oder den andern Mikado ge- dacht. In ebenen Gegenden und nach längerer Trockenheit werden, wie in China, Indien und anderwärts Schaufelräder angewandt, um das unentbehrliche Wasser aus den tiefer gelegenen Gräben zu heben und den Reisfeldern zuzuführen. Dies geschieht jedoch vielfach auch mit Händen und Schaufeln. Eine beliebte Methode, welche ich auch in Aegypten anwenden sah, ist ferner die, dass zwei Männer sich an den beiden Ufern gegenüberstellen und eine dicht geflochtene Korb- wanne an starken Seilen derart zwischen sich im Takte schwingen, dass dieselbe mit jeder Abwärtsbewegung der Arme in's Wasser taucht und das dabei Geschöpfte beim Aufsteigen in eine zum Felde führende Leitung ausleert. -- Im Herbst, wenn die reifende Ernte des Wassers nicht mehr bedarf, oder auch sonst, wenn Regen das Bedürfniss des Feldes zur Genüge deckt, werden die Zuflüsse verstopft und die Quell- wasser in ihren natürlichen Canälen gelassen. --
So sehr sich nun aber auch die japanische Reiscultur durch diese künstliche Bewässerung vortheilhaft von der im südlichen Monsun- gebiet, z. B. in Siam, unterscheidet, so erreicht sie doch den rationellen
I. Land- und Forstwirthschaft.
vorausgehen musste, ist dasselbe zur Aufnahme der neuen Pflanzung vollständig hergerichtet. —
Von ganz besonderer Wichtigkeit erscheint das Bewässerungs- system. Jede Scheidewand des Reisfeldes hat eine oder mehrere kleine Durchstiche, hier für den Zutritt, dort für den Abfluss des Wassers. Kommt dieses von einem Bergabhang, so wird es zunächst zum höchst gelegenen Felde der Thalsohle oder Terrassenanlage ge- leitet.
Der kleine Wasserlauf — ein starker würde ja zu viel Gefahren für’s Feld bringen — überrieselt dasselbe bis zu einer gewissen Höhe und fliesst dann über zum nächsten Grundstück, bewirkt hier bald das- selbe, geht hierauf über zur dritten Stufe und so fort von Terrasse zu Terrasse, bis das ganze System bewässert ist. Natürliche Flussbette, oder Canäle mit Betten, welche tiefer liegen als die Felder, durch- ziehen das Ganze, um das Wasser, wenn es nicht mehr nöthig ist, aufzunehmen und fortzuführen. Auf diese Weise steht es stets unter vollkommener Controlle, die nur bei längeren starken Regen aufhört.
In wasserarmen Distrikten, solchen, die mehr auf Regen, denn auf die Zufuhr durch Flüsse aus höheren, bewaldeten Gebirgen ange- wiesen sind, hat man Teiche angelegt, damit, wenn in trocknen Sommern die natürlichen Zuflüsse versiegen, der in jenen aufge- speicherte Wasservorrath aushelfen könne. Viele dieser Teiche haben bereits ein hohes Alter; auch wird in der ältesten Landesgeschichte schon solcher Anlagen durch den einen oder den andern Mikado ge- dacht. In ebenen Gegenden und nach längerer Trockenheit werden, wie in China, Indien und anderwärts Schaufelräder angewandt, um das unentbehrliche Wasser aus den tiefer gelegenen Gräben zu heben und den Reisfeldern zuzuführen. Dies geschieht jedoch vielfach auch mit Händen und Schaufeln. Eine beliebte Methode, welche ich auch in Aegypten anwenden sah, ist ferner die, dass zwei Männer sich an den beiden Ufern gegenüberstellen und eine dicht geflochtene Korb- wanne an starken Seilen derart zwischen sich im Takte schwingen, dass dieselbe mit jeder Abwärtsbewegung der Arme in’s Wasser taucht und das dabei Geschöpfte beim Aufsteigen in eine zum Felde führende Leitung ausleert. — Im Herbst, wenn die reifende Ernte des Wassers nicht mehr bedarf, oder auch sonst, wenn Regen das Bedürfniss des Feldes zur Genüge deckt, werden die Zuflüsse verstopft und die Quell- wasser in ihren natürlichen Canälen gelassen. —
So sehr sich nun aber auch die japanische Reiscultur durch diese künstliche Bewässerung vortheilhaft von der im südlichen Monsun- gebiet, z. B. in Siam, unterscheidet, so erreicht sie doch den rationellen
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[50/0070]
I. Land- und Forstwirthschaft.
vorausgehen musste, ist dasselbe zur Aufnahme der neuen Pflanzung
vollständig hergerichtet. —
Von ganz besonderer Wichtigkeit erscheint das Bewässerungs-
system. Jede Scheidewand des Reisfeldes hat eine oder mehrere
kleine Durchstiche, hier für den Zutritt, dort für den Abfluss des
Wassers. Kommt dieses von einem Bergabhang, so wird es zunächst
zum höchst gelegenen Felde der Thalsohle oder Terrassenanlage ge-
leitet.
Der kleine Wasserlauf — ein starker würde ja zu viel Gefahren
für’s Feld bringen — überrieselt dasselbe bis zu einer gewissen Höhe
und fliesst dann über zum nächsten Grundstück, bewirkt hier bald das-
selbe, geht hierauf über zur dritten Stufe und so fort von Terrasse zu
Terrasse, bis das ganze System bewässert ist. Natürliche Flussbette,
oder Canäle mit Betten, welche tiefer liegen als die Felder, durch-
ziehen das Ganze, um das Wasser, wenn es nicht mehr nöthig ist,
aufzunehmen und fortzuführen. Auf diese Weise steht es stets unter
vollkommener Controlle, die nur bei längeren starken Regen aufhört.
In wasserarmen Distrikten, solchen, die mehr auf Regen, denn
auf die Zufuhr durch Flüsse aus höheren, bewaldeten Gebirgen ange-
wiesen sind, hat man Teiche angelegt, damit, wenn in trocknen
Sommern die natürlichen Zuflüsse versiegen, der in jenen aufge-
speicherte Wasservorrath aushelfen könne. Viele dieser Teiche haben
bereits ein hohes Alter; auch wird in der ältesten Landesgeschichte
schon solcher Anlagen durch den einen oder den andern Mikado ge-
dacht. In ebenen Gegenden und nach längerer Trockenheit werden,
wie in China, Indien und anderwärts Schaufelräder angewandt, um
das unentbehrliche Wasser aus den tiefer gelegenen Gräben zu heben
und den Reisfeldern zuzuführen. Dies geschieht jedoch vielfach auch
mit Händen und Schaufeln. Eine beliebte Methode, welche ich auch
in Aegypten anwenden sah, ist ferner die, dass zwei Männer sich an
den beiden Ufern gegenüberstellen und eine dicht geflochtene Korb-
wanne an starken Seilen derart zwischen sich im Takte schwingen,
dass dieselbe mit jeder Abwärtsbewegung der Arme in’s Wasser taucht
und das dabei Geschöpfte beim Aufsteigen in eine zum Felde führende
Leitung ausleert. — Im Herbst, wenn die reifende Ernte des Wassers
nicht mehr bedarf, oder auch sonst, wenn Regen das Bedürfniss des
Feldes zur Genüge deckt, werden die Zuflüsse verstopft und die Quell-
wasser in ihren natürlichen Canälen gelassen. —
So sehr sich nun aber auch die japanische Reiscultur durch diese
künstliche Bewässerung vortheilhaft von der im südlichen Monsun-
gebiet, z. B. in Siam, unterscheidet, so erreicht sie doch den rationellen
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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