Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.sen, welche von beyden Parteyen hat denn Recht? die Stärkste ohnstreitig: Einer blinden Gewalt wollt ihr Elende also die Entscheidung eurer Vortheile überlassen! Mit Verläugnung eurer Vernunft, die den Menschen der Gottheit nähert, wollt ihr euch als Gottesläugner oder vielmehr als das Vieh betra- gen? O ihr Thoren! und ihr habt Gesetze, welche die Mörder und Räuber zum Tode verurtheilen! Die ersten, die grausamsten Meuchelmörder, tausend Räder und tausend Scheiterhaufen würdig, sind eure Feldherrn, im Begriff durch ihren Befehl zum Mor- de, die Natur zu schänden, die Gottheit zu lästern, indem sie der Ungerechtigkeit opfern; den Menschen zu erniedrigen, indem sie ihn mit Vernunft und mit Würde im Ausdruck begabt, handeln machen, wie das Thier handelt. Aber o ihr verabscheuungswür- digen Elenden, ihr fürchtet die Vernunft; thätet ihr dies nicht, ihr würdet sie gebrauchen, auf ihren Aus- spruch hören, oder wenn ihr zu sehr eingenommen, zu sehr verblendet wäret, wenigstens unpartheyischen Schiedsrichtern euch überlassen. Doch ihr ver- schmäht Vernunft und Gerechtigkeit. Gleichwohl ist Gott die Gerechtigkeit selbst. Von ihm fallt ihr daher ab! Elende! und ihr habt Gesetze wider die Gottesverläugner, wider die Mörder! ihr habt Got- tesdienst, Priester und Altäre! Jst es ein Spott? haltet ihr euch über die Gottheit auf? ... Jhr seyd keine Menschen, ich verkenne euch! nein, ihr seyd keine Menschen! Kämpft, und den Augenblick richt' ich meinen Angrif wider die Vornehmsten der beyden Armeen; ihr strafbares Leben bezahle den Schimpf,
ſen, welche von beyden Parteyen hat denn Recht? die Staͤrkſte ohnſtreitig: Einer blinden Gewalt wollt ihr Elende alſo die Entſcheidung eurer Vortheile uͤberlaſſen! Mit Verlaͤugnung eurer Vernunft, die den Menſchen der Gottheit naͤhert, wollt ihr euch als Gotteslaͤugner oder vielmehr als das Vieh betra- gen? O ihr Thoren! und ihr habt Geſetze, welche die Moͤrder und Raͤuber zum Tode verurtheilen! Die erſten, die grauſamſten Meuchelmoͤrder, tauſend Raͤder und tauſend Scheiterhaufen wuͤrdig, ſind eure Feldherrn, im Begriff durch ihren Befehl zum Mor- de, die Natur zu ſchaͤnden, die Gottheit zu laͤſtern, indem ſie der Ungerechtigkeit opfern; den Menſchen zu erniedrigen, indem ſie ihn mit Vernunft und mit Wuͤrde im Ausdruck begabt, handeln machen, wie das Thier handelt. Aber o ihr verabſcheuungswuͤr- digen Elenden, ihr fuͤrchtet die Vernunft; thaͤtet ihr dies nicht, ihr wuͤrdet ſie gebrauchen, auf ihren Aus- ſpruch hoͤren, oder wenn ihr zu ſehr eingenommen, zu ſehr verblendet waͤret, wenigſtens unpartheyiſchen Schiedsrichtern euch uͤberlaſſen. Doch ihr ver- ſchmaͤht Vernunft und Gerechtigkeit. Gleichwohl iſt Gott die Gerechtigkeit ſelbſt. Von ihm fallt ihr daher ab! Elende! und ihr habt Geſetze wider die Gottesverlaͤugner, wider die Moͤrder! ihr habt Got- tesdienſt, Prieſter und Altaͤre! Jſt es ein Spott? haltet ihr euch uͤber die Gottheit auf? … Jhr ſeyd keine Menſchen, ich verkenne euch! nein, ihr ſeyd keine Menſchen! Kaͤmpft, und den Augenblick richt’ ich meinen Angrif wider die Vornehmſten der beyden Armeen; ihr ſtrafbares Leben bezahle den Schimpf,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="108"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſen, welche von beyden Parteyen hat denn Recht?<lb/> die Staͤrkſte ohnſtreitig: Einer blinden Gewalt wollt<lb/> ihr Elende alſo die Entſcheidung eurer Vortheile<lb/> uͤberlaſſen! Mit Verlaͤugnung eurer Vernunft, die<lb/> den Menſchen der Gottheit naͤhert, wollt ihr euch<lb/> als Gotteslaͤugner oder vielmehr als das Vieh betra-<lb/> gen? O ihr Thoren! und ihr habt Geſetze, welche<lb/> die Moͤrder und Raͤuber zum Tode verurtheilen! Die<lb/> erſten, die grauſamſten Meuchelmoͤrder, tauſend<lb/> Raͤder und tauſend Scheiterhaufen wuͤrdig, ſind eure<lb/> Feldherrn, im Begriff durch ihren Befehl zum Mor-<lb/> de, die Natur zu ſchaͤnden, die Gottheit zu laͤſtern,<lb/> indem ſie der Ungerechtigkeit opfern; den Menſchen<lb/> zu erniedrigen, indem ſie ihn mit Vernunft und mit<lb/> Wuͤrde im Ausdruck begabt, handeln machen, wie<lb/> das Thier handelt. Aber o ihr verabſcheuungswuͤr-<lb/> digen Elenden, ihr fuͤrchtet die Vernunft; thaͤtet ihr<lb/> dies nicht, ihr wuͤrdet ſie gebrauchen, auf ihren Aus-<lb/> ſpruch hoͤren, oder wenn ihr zu ſehr eingenommen,<lb/> zu ſehr verblendet waͤret, wenigſtens unpartheyiſchen<lb/> Schiedsrichtern euch uͤberlaſſen. Doch ihr ver-<lb/> ſchmaͤht Vernunft und Gerechtigkeit. Gleichwohl<lb/> iſt Gott die Gerechtigkeit ſelbſt. Von ihm fallt ihr<lb/> daher ab! Elende! und ihr habt Geſetze wider die<lb/> Gottesverlaͤugner, wider die Moͤrder! ihr habt Got-<lb/> tesdienſt, Prieſter und Altaͤre! Jſt es ein Spott?<lb/> haltet ihr euch uͤber die Gottheit auf? … Jhr<lb/> ſeyd keine Menſchen, ich verkenne euch! nein, ihr<lb/> ſeyd keine Menſchen! Kaͤmpft, und den Augenblick<lb/> richt’ ich meinen Angrif wider die Vornehmſten der<lb/> beyden Armeen; ihr ſtrafbares Leben bezahle den<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Schimpf,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0116]
ſen, welche von beyden Parteyen hat denn Recht?
die Staͤrkſte ohnſtreitig: Einer blinden Gewalt wollt
ihr Elende alſo die Entſcheidung eurer Vortheile
uͤberlaſſen! Mit Verlaͤugnung eurer Vernunft, die
den Menſchen der Gottheit naͤhert, wollt ihr euch
als Gotteslaͤugner oder vielmehr als das Vieh betra-
gen? O ihr Thoren! und ihr habt Geſetze, welche
die Moͤrder und Raͤuber zum Tode verurtheilen! Die
erſten, die grauſamſten Meuchelmoͤrder, tauſend
Raͤder und tauſend Scheiterhaufen wuͤrdig, ſind eure
Feldherrn, im Begriff durch ihren Befehl zum Mor-
de, die Natur zu ſchaͤnden, die Gottheit zu laͤſtern,
indem ſie der Ungerechtigkeit opfern; den Menſchen
zu erniedrigen, indem ſie ihn mit Vernunft und mit
Wuͤrde im Ausdruck begabt, handeln machen, wie
das Thier handelt. Aber o ihr verabſcheuungswuͤr-
digen Elenden, ihr fuͤrchtet die Vernunft; thaͤtet ihr
dies nicht, ihr wuͤrdet ſie gebrauchen, auf ihren Aus-
ſpruch hoͤren, oder wenn ihr zu ſehr eingenommen,
zu ſehr verblendet waͤret, wenigſtens unpartheyiſchen
Schiedsrichtern euch uͤberlaſſen. Doch ihr ver-
ſchmaͤht Vernunft und Gerechtigkeit. Gleichwohl
iſt Gott die Gerechtigkeit ſelbſt. Von ihm fallt ihr
daher ab! Elende! und ihr habt Geſetze wider die
Gottesverlaͤugner, wider die Moͤrder! ihr habt Got-
tesdienſt, Prieſter und Altaͤre! Jſt es ein Spott?
haltet ihr euch uͤber die Gottheit auf? … Jhr
ſeyd keine Menſchen, ich verkenne euch! nein, ihr
ſeyd keine Menſchen! Kaͤmpft, und den Augenblick
richt’ ich meinen Angrif wider die Vornehmſten der
beyden Armeen; ihr ſtrafbares Leben bezahle den
Schimpf,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |