Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.aus schlossen, daß sie keine fleischfressende Thiere wären. Doch wagten die fliegenden Menschen es nicht, sich umringen zu lassen, besonders war der Gemal der Jshmichtriß in der grösten Furcht. Alexander erbot sich gegen seinen Vater den Stier- menschen sich zu nähern; indem er ihm vorstellte, daß sie, wenn ihm etwas begegnen sollte, ia Mit- tel hätten, diese Wilden zu erschrecken und ihn zu be- freien. Victorin wollte darein nicht willigen; aber die anhaltenden Bitten seines Sohnes brachten ihn end- lich zum Nachgeben. Alexander trat daher mit Brod von Getreide und einigen schönen Früchten in der Hand hervor. Die gehörnten Menschen er- warteten seine Ankunft. Besonders drängten sich die Frauenzimmer, traten, als sie ihn annähern sahen, in die erste Reihe und betrachteten ihn mit unverwandten Augen. Er ward sehr wohl aufge- nommen, und überreichte den Vornehmsten der Na- tion seine Geschenke; ein Stück Brod und eine schöne Panate (dies ist der Name des Fruchtbrods) aber hob er für die artigste und auffallendste von den Försen auf, die sehr nahe auf ihn zugekom- men waren. Er überreichte ihr diese Geschenke mit vielem Anstande. Das Mädchen erröthete bis an die Hörner und schien erschrocken; aber das freund- schaftliche Benehmen des ungehörnten Menschen be- wog sie, seine Geschenke anzunehmen, die sie als- bald kostete und den Rest davon mit ihren Gespie- linnen theilte. Alle Stiermenschen bläkten, als Alexander dies Geschenk machte, zum Zeichen des Beifalls. Ein Alter, dessen Hörner fünf Fuß hoch N 2
aus ſchloſſen, daß ſie keine fleiſchfreſſende Thiere waͤren. Doch wagten die fliegenden Menſchen es nicht, ſich umringen zu laſſen, beſonders war der Gemal der Jſhmichtriß in der groͤſten Furcht. Alexander erbot ſich gegen ſeinen Vater den Stier- menſchen ſich zu naͤhern; indem er ihm vorſtellte, daß ſie, wenn ihm etwas begegnen ſollte, ia Mit- tel haͤtten, dieſe Wilden zu erſchrecken und ihn zu be- freien. Victorin wollte darein nicht willigen; aber die anhaltenden Bitten ſeines Sohnes brachten ihn end- lich zum Nachgeben. Alexander trat daher mit Brod von Getreide und einigen ſchoͤnen Fruͤchten in der Hand hervor. Die gehoͤrnten Menſchen er- warteten ſeine Ankunft. Beſonders draͤngten ſich die Frauenzimmer, traten, als ſie ihn annaͤhern ſahen, in die erſte Reihe und betrachteten ihn mit unverwandten Augen. Er ward ſehr wohl aufge- nommen, und uͤberreichte den Vornehmſten der Na- tion ſeine Geſchenke; ein Stuͤck Brod und eine ſchoͤne Panate (dies iſt der Name des Fruchtbrods) aber hob er fuͤr die artigſte und auffallendſte von den Foͤrſen auf, die ſehr nahe auf ihn zugekom- men waren. Er uͤberreichte ihr dieſe Geſchenke mit vielem Anſtande. Das Maͤdchen erroͤthete bis an die Hoͤrner und ſchien erſchrocken; aber das freund- ſchaftliche Benehmen des ungehoͤrnten Menſchen be- wog ſie, ſeine Geſchenke anzunehmen, die ſie als- bald koſtete und den Reſt davon mit ihren Geſpie- linnen theilte. Alle Stiermenſchen blaͤkten, als Alexander dies Geſchenk machte, zum Zeichen des Beifalls. Ein Alter, deſſen Hoͤrner fuͤnf Fuß hoch N 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0203" n="195"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> aus ſchloſſen, daß ſie keine fleiſchfreſſende Thiere<lb/> waͤren. Doch wagten die fliegenden Menſchen<lb/> es nicht, ſich umringen zu laſſen, beſonders war<lb/> der Gemal der <hi rendition="#fr">Jſhmichtriß</hi> in der groͤſten Furcht.<lb/> Alexander erbot ſich gegen ſeinen Vater den Stier-<lb/> menſchen ſich zu naͤhern; indem er ihm vorſtellte,<lb/> daß ſie, wenn ihm etwas begegnen ſollte, ia Mit-<lb/> tel haͤtten, dieſe Wilden zu erſchrecken und ihn zu be-<lb/> freien. Victorin wollte darein nicht willigen; aber die<lb/> anhaltenden Bitten ſeines Sohnes brachten ihn end-<lb/> lich zum Nachgeben. Alexander trat daher mit<lb/> Brod von Getreide und einigen ſchoͤnen Fruͤchten<lb/> in der Hand hervor. Die gehoͤrnten Menſchen er-<lb/> warteten ſeine Ankunft. Beſonders draͤngten ſich<lb/> die Frauenzimmer, traten, als ſie ihn annaͤhern<lb/> ſahen, in die erſte Reihe und betrachteten ihn mit<lb/> unverwandten Augen. Er ward ſehr wohl aufge-<lb/> nommen, und uͤberreichte den Vornehmſten der Na-<lb/> tion ſeine Geſchenke; ein Stuͤck Brod und eine<lb/> ſchoͤne Panate (dies iſt der Name des Fruchtbrods)<lb/> aber hob er fuͤr die artigſte und auffallendſte von<lb/> den Foͤrſen auf, die ſehr nahe auf ihn zugekom-<lb/> men waren. Er uͤberreichte ihr dieſe Geſchenke mit<lb/> vielem Anſtande. Das Maͤdchen erroͤthete bis an<lb/> die Hoͤrner und ſchien erſchrocken; aber das freund-<lb/> ſchaftliche Benehmen des ungehoͤrnten Menſchen be-<lb/> wog ſie, ſeine Geſchenke anzunehmen, die ſie als-<lb/> bald koſtete und den Reſt davon mit ihren Geſpie-<lb/> linnen theilte. Alle Stiermenſchen blaͤkten, als<lb/> Alexander dies Geſchenk machte, zum Zeichen des<lb/> Beifalls. Ein Alter, deſſen Hoͤrner fuͤnf Fuß<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">hoch</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0203]
aus ſchloſſen, daß ſie keine fleiſchfreſſende Thiere
waͤren. Doch wagten die fliegenden Menſchen
es nicht, ſich umringen zu laſſen, beſonders war
der Gemal der Jſhmichtriß in der groͤſten Furcht.
Alexander erbot ſich gegen ſeinen Vater den Stier-
menſchen ſich zu naͤhern; indem er ihm vorſtellte,
daß ſie, wenn ihm etwas begegnen ſollte, ia Mit-
tel haͤtten, dieſe Wilden zu erſchrecken und ihn zu be-
freien. Victorin wollte darein nicht willigen; aber die
anhaltenden Bitten ſeines Sohnes brachten ihn end-
lich zum Nachgeben. Alexander trat daher mit
Brod von Getreide und einigen ſchoͤnen Fruͤchten
in der Hand hervor. Die gehoͤrnten Menſchen er-
warteten ſeine Ankunft. Beſonders draͤngten ſich
die Frauenzimmer, traten, als ſie ihn annaͤhern
ſahen, in die erſte Reihe und betrachteten ihn mit
unverwandten Augen. Er ward ſehr wohl aufge-
nommen, und uͤberreichte den Vornehmſten der Na-
tion ſeine Geſchenke; ein Stuͤck Brod und eine
ſchoͤne Panate (dies iſt der Name des Fruchtbrods)
aber hob er fuͤr die artigſte und auffallendſte von
den Foͤrſen auf, die ſehr nahe auf ihn zugekom-
men waren. Er uͤberreichte ihr dieſe Geſchenke mit
vielem Anſtande. Das Maͤdchen erroͤthete bis an
die Hoͤrner und ſchien erſchrocken; aber das freund-
ſchaftliche Benehmen des ungehoͤrnten Menſchen be-
wog ſie, ſeine Geſchenke anzunehmen, die ſie als-
bald koſtete und den Reſt davon mit ihren Geſpie-
linnen theilte. Alle Stiermenſchen blaͤkten, als
Alexander dies Geſchenk machte, zum Zeichen des
Beifalls. Ein Alter, deſſen Hoͤrner fuͤnf Fuß
hoch
N 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |