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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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wolten denen, welche den in dem Netze gefangenen
Schlangenmann umgaben, auf den Hals fahren.
Diese entfernten sich aber, weil sie zum Wider-
stande zu schwach waren, iene zerrissen daher das
Netz mit den Zähnen, befreiten den Gefangenen,
und führten ihn in sein Loch.

Drauf untersuchte man den gebissenen Esel
und fand keine Geschwulst an ihm, ob er gleich
verschiedene Wunden hatte, die iedoch in einigen
Tagen heilten. Weil man dadurch versichert ward,
daß die Schlangenmenschen nicht giftig wären, so
fürchtete man sie nun weit weniger, und beschloß
ein Treffen mit ihnen zu wagen, wenn sie zu bos-
haft handelten; auch sie sogar von der Jnsel ganz
zu vertreiben, indem man sie nöthigte, sich auf
eine andere, minder grosse benachbarte Jnsel zu
begeben, die ihnen zum völligen Eigenthum einge-
räumt werden, und niemand sie daselbst stören
solte.

Alexanders ältester Sohn, welcher in Anse-
hung der natürlichen Anlagen, seinen Vater noch
übertraf, und alle von ihm erhaltenen Kentnisse
bereits durch Erfahrungen vervolkomnet hatte,
brante vor Verlangen einen von diesen Schlangen-
menschen oder gar zwei, von beiderlei Geschlecht,
zu fangen. Er gab sich so lange Mühe, bis es
ihm glückte. Eines Tages überrascht' er deren
zwei, als sie ein Lamm, das er ihnen zur Lock-
speise vorgeworfen hatte, verzehrten. Er wickel-

te
Q 2



wolten denen, welche den in dem Netze gefangenen
Schlangenmann umgaben, auf den Hals fahren.
Dieſe entfernten ſich aber, weil ſie zum Wider-
ſtande zu ſchwach waren, iene zerriſſen daher das
Netz mit den Zaͤhnen, befreiten den Gefangenen,
und fuͤhrten ihn in ſein Loch.

Drauf unterſuchte man den gebiſſenen Eſel
und fand keine Geſchwulſt an ihm, ob er gleich
verſchiedene Wunden hatte, die iedoch in einigen
Tagen heilten. Weil man dadurch verſichert ward,
daß die Schlangenmenſchen nicht giftig waͤren, ſo
fuͤrchtete man ſie nun weit weniger, und beſchloß
ein Treffen mit ihnen zu wagen, wenn ſie zu bos-
haft handelten; auch ſie ſogar von der Jnſel ganz
zu vertreiben, indem man ſie noͤthigte, ſich auf
eine andere, minder groſſe benachbarte Jnſel zu
begeben, die ihnen zum voͤlligen Eigenthum einge-
raͤumt werden, und niemand ſie daſelbſt ſtoͤren
ſolte.

Alexanders aͤlteſter Sohn, welcher in Anſe-
hung der natuͤrlichen Anlagen, ſeinen Vater noch
uͤbertraf, und alle von ihm erhaltenen Kentniſſe
bereits durch Erfahrungen vervolkomnet hatte,
brante vor Verlangen einen von dieſen Schlangen-
menſchen oder gar zwei, von beiderlei Geſchlecht,
zu fangen. Er gab ſich ſo lange Muͤhe, bis es
ihm gluͤckte. Eines Tages uͤberraſcht’ er deren
zwei, als ſie ein Lamm, das er ihnen zur Lock-
ſpeiſe vorgeworfen hatte, verzehrten. Er wickel-

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Q 2
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[243/0251] wolten denen, welche den in dem Netze gefangenen Schlangenmann umgaben, auf den Hals fahren. Dieſe entfernten ſich aber, weil ſie zum Wider- ſtande zu ſchwach waren, iene zerriſſen daher das Netz mit den Zaͤhnen, befreiten den Gefangenen, und fuͤhrten ihn in ſein Loch. Drauf unterſuchte man den gebiſſenen Eſel und fand keine Geſchwulſt an ihm, ob er gleich verſchiedene Wunden hatte, die iedoch in einigen Tagen heilten. Weil man dadurch verſichert ward, daß die Schlangenmenſchen nicht giftig waͤren, ſo fuͤrchtete man ſie nun weit weniger, und beſchloß ein Treffen mit ihnen zu wagen, wenn ſie zu bos- haft handelten; auch ſie ſogar von der Jnſel ganz zu vertreiben, indem man ſie noͤthigte, ſich auf eine andere, minder groſſe benachbarte Jnſel zu begeben, die ihnen zum voͤlligen Eigenthum einge- raͤumt werden, und niemand ſie daſelbſt ſtoͤren ſolte. Alexanders aͤlteſter Sohn, welcher in Anſe- hung der natuͤrlichen Anlagen, ſeinen Vater noch uͤbertraf, und alle von ihm erhaltenen Kentniſſe bereits durch Erfahrungen vervolkomnet hatte, brante vor Verlangen einen von dieſen Schlangen- menſchen oder gar zwei, von beiderlei Geſchlecht, zu fangen. Er gab ſich ſo lange Muͤhe, bis es ihm gluͤckte. Eines Tages uͤberraſcht’ er deren zwei, als ſie ein Lamm, das er ihnen zur Lock- ſpeiſe vorgeworfen hatte, verzehrten. Er wickel- te Q 2

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/251>, abgerufen am 22.11.2024.