-- Jch finde dies alles sehr deutlich und ver- ständlicher als alle unsere Vermuthungen! (unter- brach Hermantin mit Bewunderung) aber erlaubt mir wieder auf eine Frage zu kommen. Jhr habt uns zwar gesagt, wie die Planeten sterben: sind denn aber die Sonnen ewig?
Jhr Leben muß viel länger dauern, als der Planeten ihres, weil sie dieselben aufreiben; aber es ist sehr wahrscheinlich, daß iede Sonne nicht mehr als einmal ihre Kometen und Planeten her- vorbringt, iedoch zu verschiedenen Zeiten, und nicht alle auf einmal; beinah wie die Thiere ihre Jungen nur nach und nach zur Welt bringen.
-- Hier ist ein Fehler in der Richtigkeit der Vergleichung: die Thiere bringen ihres Gleichen hervor; aber die Sonnen blos geringere als sie.
-- Eure Bemerkung ist in einem Verstande richtig; aber der grosse Beseeler bringt auch nichts ihm ähnliches hervor. Dies ist einige Aehnlich- keit, welche die Sonnen mit ihm haben; denn da sie unmittelbar durch seine hervorbringende Kraft gebildet worden sind, so haben sie nicht nöthig wieder ihres Gleichen hervorzubringen, sondern blos Geringere. Mit den Planeten und Kometen hat es gleiche Bewandnis, sie bringen ebenfalls nicht ihres Gleichen hervor, weil die Sonnen sie nothwendig hervorbringen. Die Natur befolgt hier- inn stets eben dieselbe maiestätische Regel, ob sie gleich iederzeit in der Form verschieden ist, nichts
zu
— Jch finde dies alles ſehr deutlich und ver- ſtaͤndlicher als alle unſere Vermuthungen! (unter- brach Hermantin mit Bewunderung) aber erlaubt mir wieder auf eine Frage zu kommen. Jhr habt uns zwar geſagt, wie die Planeten ſterben: ſind denn aber die Sonnen ewig?
Jhr Leben muß viel laͤnger dauern, als der Planeten ihres, weil ſie dieſelben aufreiben; aber es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß iede Sonne nicht mehr als einmal ihre Kometen und Planeten her- vorbringt, iedoch zu verſchiedenen Zeiten, und nicht alle auf einmal; beinah wie die Thiere ihre Jungen nur nach und nach zur Welt bringen.
— Hier iſt ein Fehler in der Richtigkeit der Vergleichung: die Thiere bringen ihres Gleichen hervor; aber die Sonnen blos geringere als ſie.
— Eure Bemerkung iſt in einem Verſtande richtig; aber der groſſe Beſeeler bringt auch nichts ihm aͤhnliches hervor. Dies iſt einige Aehnlich- keit, welche die Sonnen mit ihm haben; denn da ſie unmittelbar durch ſeine hervorbringende Kraft gebildet worden ſind, ſo haben ſie nicht noͤthig wieder ihres Gleichen hervorzubringen, ſondern blos Geringere. Mit den Planeten und Kometen hat es gleiche Bewandnis, ſie bringen ebenfalls nicht ihres Gleichen hervor, weil die Sonnen ſie nothwendig hervorbringen. Die Natur befolgt hier- inn ſtets eben dieſelbe maieſtaͤtiſche Regel, ob ſie gleich iederzeit in der Form verſchieden iſt, nichts
zu
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— Jch finde dies alles ſehr deutlich und ver-
ſtaͤndlicher als alle unſere Vermuthungen! (unter-
brach Hermantin mit Bewunderung) aber erlaubt
mir wieder auf eine Frage zu kommen. Jhr habt
uns zwar geſagt, wie die Planeten ſterben: ſind denn
aber die Sonnen ewig?
Jhr Leben muß viel laͤnger dauern, als der
Planeten ihres, weil ſie dieſelben aufreiben; aber
es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß iede Sonne nicht
mehr als einmal ihre Kometen und Planeten her-
vorbringt, iedoch zu verſchiedenen Zeiten, und
nicht alle auf einmal; beinah wie die Thiere ihre
Jungen nur nach und nach zur Welt bringen.
— Hier iſt ein Fehler in der Richtigkeit der
Vergleichung: die Thiere bringen ihres Gleichen
hervor; aber die Sonnen blos geringere als ſie.
— Eure Bemerkung iſt in einem Verſtande
richtig; aber der groſſe Beſeeler bringt auch nichts
ihm aͤhnliches hervor. Dies iſt einige Aehnlich-
keit, welche die Sonnen mit ihm haben; denn
da ſie unmittelbar durch ſeine hervorbringende Kraft
gebildet worden ſind, ſo haben ſie nicht noͤthig
wieder ihres Gleichen hervorzubringen, ſondern
blos Geringere. Mit den Planeten und Kometen
hat es gleiche Bewandnis, ſie bringen ebenfalls
nicht ihres Gleichen hervor, weil die Sonnen ſie
nothwendig hervorbringen. Die Natur befolgt hier-
inn ſtets eben dieſelbe maieſtaͤtiſche Regel, ob ſie
gleich iederzeit in der Form verſchieden iſt, nichts
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/316>, abgerufen am 27.11.2024.
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