Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.che veranlassen könte, so ist sie verboten *). Al- le Megapatagonen müssen dies elende Mittel ihren Geist zu zeigen ablegen. Unter uns herrscht ein Ton von Güte und Ehrlichkeit. Besonders ist die Wahrheit so heilig bei uns, daß man sich nicht den geringsten Scherz zum Nachtheil derselben er- laubt, wenn man schon die Absicht dabei hätte, iemanden nachher angenehm zu überraschen: So wie die Sache ist, geht sie aus unserm Munde, wenn etwas nicht ist, so halten wir die lächerliche Mas- ke der Fabel und der Allegorie unwürdig für den ältesten Sohn der Natur: wir überlassen sie denen einer solchen Beurtheilung fähigen Affen, der- gleichen ihr bemerkt habt. Dies ist eine von den Gründen, warum die Lustspiele und alle Dramen bei uns verbant sind. Diese Dinge schicken sich wohl für die Bewohner der Affeninsel, und für die unbeständigen Europäer. -- Habt ihr Leute, die von der Schriftstel- -- Wir haben gelehrte Leute, Weltweise, die uns *) Das Ridiculum acri des Horaz ist eine Narrheit:
aber unsere ietzige Persiflage, der Ton in unsern Geselschaften, unsrer Kritiken, das Ansehn welches unsre Portraitmaler den Köpfen geben, ist noch schlimmer als Narrheit. (Dulis.) che veranlaſſen koͤnte, ſo iſt ſie verboten *). Al- le Megapatagonen muͤſſen dies elende Mittel ihren Geiſt zu zeigen ablegen. Unter uns herrſcht ein Ton von Guͤte und Ehrlichkeit. Beſonders iſt die Wahrheit ſo heilig bei uns, daß man ſich nicht den geringſten Scherz zum Nachtheil derſelben er- laubt, wenn man ſchon die Abſicht dabei haͤtte, iemanden nachher angenehm zu uͤberraſchen: So wie die Sache iſt, geht ſie aus unſerm Munde, wenn etwas nicht iſt, ſo halten wir die laͤcherliche Mas- ke der Fabel und der Allegorie unwuͤrdig fuͤr den aͤlteſten Sohn der Natur: wir uͤberlaſſen ſie denen einer ſolchen Beurtheilung faͤhigen Affen, der- gleichen ihr bemerkt habt. Dies iſt eine von den Gruͤnden, warum die Luſtſpiele und alle Dramen bei uns verbant ſind. Dieſe Dinge ſchicken ſich wohl fuͤr die Bewohner der Affeninſel, und fuͤr die unbeſtaͤndigen Europaͤer. — Habt ihr Leute, die von der Schriftſtel- — Wir haben gelehrte Leute, Weltweiſe, die uns *) Das Ridiculum acri des Horaz iſt eine Narrheit:
aber unſere ietzige Perſiflage, der Ton in unſern Geſelſchaften, unſrer Kritiken, das Anſehn welches unſre Portraitmaler den Koͤpfen geben, iſt noch ſchlimmer als Narrheit. (Dulis.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0350" n="342"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> che veranlaſſen koͤnte, ſo iſt ſie verboten <note place="foot" n="*)">Das <hi rendition="#aq">Ridiculum acri</hi> des Horaz iſt eine Narrheit:<lb/> aber unſere ietzige Perſiflage, der Ton in unſern<lb/> Geſelſchaften, unſrer Kritiken, das Anſehn welches<lb/> unſre Portraitmaler den Koͤpfen geben, iſt noch<lb/> ſchlimmer als Narrheit. (<hi rendition="#fr">Dulis.</hi>)</note>. Al-<lb/> le Megapatagonen muͤſſen dies elende Mittel ihren<lb/> Geiſt zu zeigen ablegen. Unter uns herrſcht ein<lb/> Ton von Guͤte und Ehrlichkeit. Beſonders iſt die<lb/> Wahrheit ſo heilig bei uns, daß man ſich nicht<lb/> den geringſten Scherz zum Nachtheil derſelben er-<lb/> laubt, wenn man ſchon die Abſicht dabei haͤtte,<lb/> iemanden nachher angenehm zu uͤberraſchen: So wie<lb/> die Sache iſt, geht ſie aus unſerm Munde, wenn<lb/> etwas nicht iſt, ſo halten wir die laͤcherliche Mas-<lb/> ke der Fabel und der Allegorie unwuͤrdig fuͤr den<lb/> aͤlteſten Sohn der Natur: wir uͤberlaſſen ſie denen<lb/> einer ſolchen Beurtheilung faͤhigen Affen, der-<lb/> gleichen ihr bemerkt habt. Dies iſt eine von den<lb/> Gruͤnden, warum die Luſtſpiele und alle Dramen<lb/> bei uns verbant ſind. Dieſe Dinge ſchicken ſich<lb/> wohl fuͤr die Bewohner der Affeninſel, und fuͤr<lb/> die unbeſtaͤndigen Europaͤer.</p><lb/> <p>— Habt ihr Leute, die von der Schriftſtel-<lb/> lerei Profeſſion machen?</p><lb/> <p>— Wir haben gelehrte Leute, Weltweiſe, die<lb/> ihre Nebenſtunden dazu anwenden, beluſtigende<lb/> und lehrreiche Geſchichten zu ſchreiben, die unter<lb/> <fw place="bottom" type="catch">uns</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [342/0350]
che veranlaſſen koͤnte, ſo iſt ſie verboten *). Al-
le Megapatagonen muͤſſen dies elende Mittel ihren
Geiſt zu zeigen ablegen. Unter uns herrſcht ein
Ton von Guͤte und Ehrlichkeit. Beſonders iſt die
Wahrheit ſo heilig bei uns, daß man ſich nicht
den geringſten Scherz zum Nachtheil derſelben er-
laubt, wenn man ſchon die Abſicht dabei haͤtte,
iemanden nachher angenehm zu uͤberraſchen: So wie
die Sache iſt, geht ſie aus unſerm Munde, wenn
etwas nicht iſt, ſo halten wir die laͤcherliche Mas-
ke der Fabel und der Allegorie unwuͤrdig fuͤr den
aͤlteſten Sohn der Natur: wir uͤberlaſſen ſie denen
einer ſolchen Beurtheilung faͤhigen Affen, der-
gleichen ihr bemerkt habt. Dies iſt eine von den
Gruͤnden, warum die Luſtſpiele und alle Dramen
bei uns verbant ſind. Dieſe Dinge ſchicken ſich
wohl fuͤr die Bewohner der Affeninſel, und fuͤr
die unbeſtaͤndigen Europaͤer.
— Habt ihr Leute, die von der Schriftſtel-
lerei Profeſſion machen?
— Wir haben gelehrte Leute, Weltweiſe, die
ihre Nebenſtunden dazu anwenden, beluſtigende
und lehrreiche Geſchichten zu ſchreiben, die unter
uns
*) Das Ridiculum acri des Horaz iſt eine Narrheit:
aber unſere ietzige Perſiflage, der Ton in unſern
Geſelſchaften, unſrer Kritiken, das Anſehn welches
unſre Portraitmaler den Koͤpfen geben, iſt noch
ſchlimmer als Narrheit. (Dulis.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |