Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



sahe zu, wie zwey Knechte einzig und allein mit
dieser Maschine einen Wagen aus der Mistgrube zo-
gen, den sechs starke Pferde auf ebenem Wege nicht
erziehen konnten.

Der junge Victorin hatte eine ganz besondere
Anlage zur Mechanik, welches besonders durch Jo-
hann Vezinier, der ihn gewiß noch übertroffen ha-
ben würde, ausgebildet war; denn ihr Flügelversuch
war ganz ein ander Meisterstück. Victorin gieng noch
vor Ankunft des gnädigen Herrn wieder nach Hause,
um der schönen Christine das Vergnügen zu lassen,
ihm, wie es abgelaufen, zu erzählen, vorher wies
er ihr, wie sie den Versuch mit der Maschine wie-
derholen könne, um ihrem Vater dadurch eine Freu-
de zu machen, und die junge Schöne war gegen diese
Achtsamkeit nicht unempfindlich.

Der gute Herr war bey seiner Zurückkunft un-
endlich zufrieden. Aber Victorin beschäftigte sich
indeß mit seinem Lieblingsplan. Er fuhr alle Nächte
fort verschiedene nützliche oder zur Bequemlichkeit ge-
hörige Dinge auf den unbesteiglichen Berg zu schaf-
fen. Er hatte die Freude seinen Ackersmann in Be-
reitschaft einer reichlichen Erndte zu finden. Jm
vorigen Frühjahr hatte er zwar einen kleinen Wein-
berg angelegt, bis er aber Früchte trüge, nahm er
seine Kräfte zusammen -- so gut war die Feder
seiner Maschine -- einige kleine Fässer Burgunder
und Arboiswein hinzuschaffen. Um solche Auswan-
derungen anzustellen, schützt' er verschiedene Reisen
in die umliegenden Gegenden vor: in der Nacht flog

er
D 4



ſahe zu, wie zwey Knechte einzig und allein mit
dieſer Maſchine einen Wagen aus der Miſtgrube zo-
gen, den ſechs ſtarke Pferde auf ebenem Wege nicht
erziehen konnten.

Der junge Victorin hatte eine ganz beſondere
Anlage zur Mechanik, welches beſonders durch Jo-
hann Vezinier, der ihn gewiß noch uͤbertroffen ha-
ben wuͤrde, ausgebildet war; denn ihr Fluͤgelverſuch
war ganz ein ander Meiſterſtuͤck. Victorin gieng noch
vor Ankunft des gnaͤdigen Herrn wieder nach Hauſe,
um der ſchoͤnen Chriſtine das Vergnuͤgen zu laſſen,
ihm, wie es abgelaufen, zu erzaͤhlen, vorher wies
er ihr, wie ſie den Verſuch mit der Maſchine wie-
derholen koͤnne, um ihrem Vater dadurch eine Freu-
de zu machen, und die junge Schoͤne war gegen dieſe
Achtſamkeit nicht unempfindlich.

Der gute Herr war bey ſeiner Zuruͤckkunft un-
endlich zufrieden. Aber Victorin beſchaͤftigte ſich
indeß mit ſeinem Lieblingsplan. Er fuhr alle Naͤchte
fort verſchiedene nuͤtzliche oder zur Bequemlichkeit ge-
hoͤrige Dinge auf den unbeſteiglichen Berg zu ſchaf-
fen. Er hatte die Freude ſeinen Ackersmann in Be-
reitſchaft einer reichlichen Erndte zu finden. Jm
vorigen Fruͤhjahr hatte er zwar einen kleinen Wein-
berg angelegt, bis er aber Fruͤchte truͤge, nahm er
ſeine Kraͤfte zuſammen — ſo gut war die Feder
ſeiner Maſchine — einige kleine Faͤſſer Burgunder
und Arboiswein hinzuſchaffen. Um ſolche Auswan-
derungen anzuſtellen, ſchuͤtzt’ er verſchiedene Reiſen
in die umliegenden Gegenden vor: in der Nacht flog

er
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="55"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ahe zu, wie zwey Knechte einzig und allein mit<lb/>
die&#x017F;er Ma&#x017F;chine einen Wagen aus der Mi&#x017F;tgrube zo-<lb/>
gen, den &#x017F;echs &#x017F;tarke Pferde auf ebenem Wege nicht<lb/>
erziehen konnten.</p><lb/>
        <p>Der junge Victorin hatte eine ganz be&#x017F;ondere<lb/>
Anlage zur Mechanik, welches be&#x017F;onders durch Jo-<lb/>
hann Vezinier, der ihn gewiß noch u&#x0364;bertroffen ha-<lb/>
ben wu&#x0364;rde, ausgebildet war; denn ihr Flu&#x0364;gelver&#x017F;uch<lb/>
war ganz ein ander Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck. Victorin gieng noch<lb/>
vor Ankunft des gna&#x0364;digen Herrn wieder nach Hau&#x017F;e,<lb/>
um der &#x017F;cho&#x0364;nen Chri&#x017F;tine das Vergnu&#x0364;gen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ihm, wie es abgelaufen, zu erza&#x0364;hlen, vorher wies<lb/>
er ihr, wie &#x017F;ie den Ver&#x017F;uch mit der Ma&#x017F;chine wie-<lb/>
derholen ko&#x0364;nne, um ihrem Vater dadurch eine Freu-<lb/>
de zu machen, und die junge Scho&#x0364;ne war gegen die&#x017F;e<lb/>
Acht&#x017F;amkeit nicht unempfindlich.</p><lb/>
        <p>Der gute Herr war bey &#x017F;einer Zuru&#x0364;ckkunft un-<lb/>
endlich zufrieden. Aber Victorin be&#x017F;cha&#x0364;ftigte &#x017F;ich<lb/>
indeß mit &#x017F;einem Lieblingsplan. Er fuhr alle Na&#x0364;chte<lb/>
fort ver&#x017F;chiedene nu&#x0364;tzliche oder zur Bequemlichkeit ge-<lb/>
ho&#x0364;rige Dinge auf den unbe&#x017F;teiglichen Berg zu &#x017F;chaf-<lb/>
fen. Er hatte die Freude &#x017F;einen Ackersmann in Be-<lb/>
reit&#x017F;chaft einer reichlichen Erndte zu finden. Jm<lb/>
vorigen Fru&#x0364;hjahr hatte er zwar einen kleinen Wein-<lb/>
berg angelegt, bis er aber Fru&#x0364;chte tru&#x0364;ge, nahm er<lb/>
&#x017F;eine Kra&#x0364;fte zu&#x017F;ammen &#x2014; &#x017F;o gut war die Feder<lb/>
&#x017F;einer Ma&#x017F;chine &#x2014; einige kleine Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Burgunder<lb/>
und Arboiswein hinzu&#x017F;chaffen. Um &#x017F;olche Auswan-<lb/>
derungen anzu&#x017F;tellen, &#x017F;chu&#x0364;tzt&#x2019; er ver&#x017F;chiedene Rei&#x017F;en<lb/>
in die umliegenden Gegenden vor: in der Nacht flog<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] ſahe zu, wie zwey Knechte einzig und allein mit dieſer Maſchine einen Wagen aus der Miſtgrube zo- gen, den ſechs ſtarke Pferde auf ebenem Wege nicht erziehen konnten. Der junge Victorin hatte eine ganz beſondere Anlage zur Mechanik, welches beſonders durch Jo- hann Vezinier, der ihn gewiß noch uͤbertroffen ha- ben wuͤrde, ausgebildet war; denn ihr Fluͤgelverſuch war ganz ein ander Meiſterſtuͤck. Victorin gieng noch vor Ankunft des gnaͤdigen Herrn wieder nach Hauſe, um der ſchoͤnen Chriſtine das Vergnuͤgen zu laſſen, ihm, wie es abgelaufen, zu erzaͤhlen, vorher wies er ihr, wie ſie den Verſuch mit der Maſchine wie- derholen koͤnne, um ihrem Vater dadurch eine Freu- de zu machen, und die junge Schoͤne war gegen dieſe Achtſamkeit nicht unempfindlich. Der gute Herr war bey ſeiner Zuruͤckkunft un- endlich zufrieden. Aber Victorin beſchaͤftigte ſich indeß mit ſeinem Lieblingsplan. Er fuhr alle Naͤchte fort verſchiedene nuͤtzliche oder zur Bequemlichkeit ge- hoͤrige Dinge auf den unbeſteiglichen Berg zu ſchaf- fen. Er hatte die Freude ſeinen Ackersmann in Be- reitſchaft einer reichlichen Erndte zu finden. Jm vorigen Fruͤhjahr hatte er zwar einen kleinen Wein- berg angelegt, bis er aber Fruͤchte truͤge, nahm er ſeine Kraͤfte zuſammen — ſo gut war die Feder ſeiner Maſchine — einige kleine Faͤſſer Burgunder und Arboiswein hinzuſchaffen. Um ſolche Auswan- derungen anzuſtellen, ſchuͤtzt’ er verſchiedene Reiſen in die umliegenden Gegenden vor: in der Nacht flog er D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/63
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/63>, abgerufen am 23.11.2024.