Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.
des Wahnmochinger Heidentums nennen -- nein, nein -- das ist in diesem Falle nicht richtig -- er würde es sehr übel nehmen, wenn man ihn als Vater von irgend etwas bezeichnen wollte -- denn gerade er ist der Hauptverfechter des matriarchalischen Prinzips." "Liebster Philosoph," bat ich, "nun wird es mir schon wieder zu hoch." Übrigens dachte ich mir gleich, daß jener Herr ein gewisser Delius sein müßte, von dem Heinz mir viel erzählte. Ja, es stimmte, und ich fand, es sei wirklich wieder ein sonderbares Spiel des Zufalls, daß wir ihm gerade bei diesem Gespräch begegneten, aber Sendt sagte, man träfe ihn sehr oft um diese Stunde, er liebe die Nacht und alles Dunkle. "Dieser Delius -- nun, er ist wohl eine sonderbare Erscheinung," fuhr er dann fort, "die heutige Zeit, auf die wir alle mehr oder minder augewiesen sind, gilt ihm nichts, er ignoriert sie oder begegnet ihr wenigstens nur rein konventionell -- etwa so, wie er mich vorhin grüßte. Sein eigentliches Leben spielt sich in längst versunkenen Daseinsformen ab -- mit denen er sich und andere identifiziert. -- Passen Sie einmal gut auf, Herr Dame -- wissen Sie ungefähr, was man sich unter Seelensubstanzen vorzustellen hat?" Ich sagte, daß ich es mir wohl vorstellen könnte -- es war ja neulich im Cafe schon davon die Rede. des Wahnmochinger Heidentums nennen — nein, nein — das ist in diesem Falle nicht richtig — er würde es sehr übel nehmen, wenn man ihn als Vater von irgend etwas bezeichnen wollte — denn gerade er ist der Hauptverfechter des matriarchalischen Prinzips.“ „Liebster Philosoph,“ bat ich, „nun wird es mir schon wieder zu hoch.“ Übrigens dachte ich mir gleich, daß jener Herr ein gewisser Delius sein müßte, von dem Heinz mir viel erzählte. Ja, es stimmte, und ich fand, es sei wirklich wieder ein sonderbares Spiel des Zufalls, daß wir ihm gerade bei diesem Gespräch begegneten, aber Sendt sagte, man träfe ihn sehr oft um diese Stunde, er liebe die Nacht und alles Dunkle. „Dieser Delius — nun, er ist wohl eine sonderbare Erscheinung,“ fuhr er dann fort, „die heutige Zeit, auf die wir alle mehr oder minder augewiesen sind, gilt ihm nichts, er ignoriert sie oder begegnet ihr wenigstens nur rein konventionell — etwa so, wie er mich vorhin grüßte. Sein eigentliches Leben spielt sich in längst versunkenen Daseinsformen ab — mit denen er sich und andere identifiziert. — Passen Sie einmal gut auf, Herr Dame — wissen Sie ungefähr, was man sich unter Seelensubstanzen vorzustellen hat?“ Ich sagte, daß ich es mir wohl vorstellen könnte — es war ja neulich im Café schon davon die Rede. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0038" n="34"/> des Wahnmochinger Heidentums nennen — nein, nein — das ist in diesem Falle nicht richtig — er würde es sehr übel nehmen, wenn man ihn als Vater von irgend etwas bezeichnen wollte — denn gerade er ist der Hauptverfechter des matriarchalischen Prinzips.“</p> <p>„Liebster Philosoph,“ bat ich, „nun wird es mir schon wieder zu hoch.“</p> <p>Übrigens dachte ich mir gleich, daß jener Herr ein gewisser Delius sein müßte, von dem Heinz mir viel erzählte.</p> <p>Ja, es stimmte, und ich fand, es sei wirklich wieder ein sonderbares Spiel des Zufalls, daß wir ihm gerade bei diesem Gespräch begegneten, aber Sendt sagte, man träfe ihn sehr oft um diese Stunde, er liebe die Nacht und alles Dunkle.</p> <p>„Dieser Delius — nun, er ist wohl eine sonderbare Erscheinung,“ fuhr er dann fort, „die heutige Zeit, auf die wir alle mehr oder minder augewiesen sind, gilt ihm nichts, er ignoriert sie oder begegnet ihr wenigstens nur rein konventionell — etwa so, wie er mich vorhin grüßte. Sein eigentliches Leben spielt sich in längst versunkenen Daseinsformen ab — mit denen er sich und andere identifiziert. — Passen Sie einmal gut auf, Herr Dame — wissen Sie ungefähr, was man sich unter Seelensubstanzen vorzustellen hat?“</p> <p>Ich sagte, daß ich es mir wohl vorstellen könnte — es war ja neulich im Café schon davon die Rede.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0038]
des Wahnmochinger Heidentums nennen — nein, nein — das ist in diesem Falle nicht richtig — er würde es sehr übel nehmen, wenn man ihn als Vater von irgend etwas bezeichnen wollte — denn gerade er ist der Hauptverfechter des matriarchalischen Prinzips.“
„Liebster Philosoph,“ bat ich, „nun wird es mir schon wieder zu hoch.“
Übrigens dachte ich mir gleich, daß jener Herr ein gewisser Delius sein müßte, von dem Heinz mir viel erzählte.
Ja, es stimmte, und ich fand, es sei wirklich wieder ein sonderbares Spiel des Zufalls, daß wir ihm gerade bei diesem Gespräch begegneten, aber Sendt sagte, man träfe ihn sehr oft um diese Stunde, er liebe die Nacht und alles Dunkle.
„Dieser Delius — nun, er ist wohl eine sonderbare Erscheinung,“ fuhr er dann fort, „die heutige Zeit, auf die wir alle mehr oder minder augewiesen sind, gilt ihm nichts, er ignoriert sie oder begegnet ihr wenigstens nur rein konventionell — etwa so, wie er mich vorhin grüßte. Sein eigentliches Leben spielt sich in längst versunkenen Daseinsformen ab — mit denen er sich und andere identifiziert. — Passen Sie einmal gut auf, Herr Dame — wissen Sie ungefähr, was man sich unter Seelensubstanzen vorzustellen hat?“
Ich sagte, daß ich es mir wohl vorstellen könnte — es war ja neulich im Café schon davon die Rede.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/38 |
| Zitationshilfe: | Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/38>, abgerufen am 03.12.2024. |
