Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.Hetären sein. -- Da war eine -- unter uns gesagt -- sie stand mir eine Zeitlang sehr nahe -- aber eines schönen Tages erklärte sie mir, sie habe eingesehen, daß sie nicht einem Manne angehören könne, sondern sie müsse sich frei verschenken -- an viele --. Es war nichts dabei zu machen, -- sie hat sich dann auch verschenkt und verschenkt und ist elend dabei hereingefallen. Denn glauben Sie mir nur, was ein rechter Wahnmochinger ist, der sieht nicht ein, daß es für die meisten Mädel eben doch ein Unglück bedeutet. Er bewundert sie höchstens, daß sie nun ein Schicksal hat und es irgendwie trägt; aber was nützt ihr das?" -- Er machte eine Pause und fuhr dann fort: "Bei Maria liegt es etwas anders, sie hat von Natur keine Prinzipien. Und deshalb wird sie dort auch so verehrt. Sie sagt, es sei so schön gewesen -- sonst habe sie immer nur Vorwürfe über ihren Lebenswandel hören müssen, und alle hätten versucht, sie auf andere Wege zu bringen -- aber als sie dann unter diese Leute kam, machte man ihr, Gott weiß was für Elogen und fand alles herrlich. Sie hatte damals gerade das Kind bekommen, und die Welt zog sich etwas von ihr zurück." "Maria hat ein Kind?" fragte ich, wohl etwas ungeschickt, denn ich hatte ja keine Ahnung davon gehabt. "Das wissen Sie nicht -- o sie macht übrigens gar kein Geheimnis daraus" -- er wurde etwas nachdenklich, Hetären sein. — Da war eine — unter uns gesagt — sie stand mir eine Zeitlang sehr nahe — aber eines schönen Tages erklärte sie mir, sie habe eingesehen, daß sie nicht einem Manne angehören könne, sondern sie müsse sich frei verschenken — an viele —. Es war nichts dabei zu machen, — sie hat sich dann auch verschenkt und verschenkt und ist elend dabei hereingefallen. Denn glauben Sie mir nur, was ein rechter Wahnmochinger ist, der sieht nicht ein, daß es für die meisten Mädel eben doch ein Unglück bedeutet. Er bewundert sie höchstens, daß sie nun ein Schicksal hat und es irgendwie trägt; aber was nützt ihr das?“ — Er machte eine Pause und fuhr dann fort: „Bei Maria liegt es etwas anders, sie hat von Natur keine Prinzipien. Und deshalb wird sie dort auch so verehrt. Sie sagt, es sei so schön gewesen — sonst habe sie immer nur Vorwürfe über ihren Lebenswandel hören müssen, und alle hätten versucht, sie auf andere Wege zu bringen — aber als sie dann unter diese Leute kam, machte man ihr, Gott weiß was für Elogen und fand alles herrlich. Sie hatte damals gerade das Kind bekommen, und die Welt zog sich etwas von ihr zurück.“ „Maria hat ein Kind?“ fragte ich, wohl etwas ungeschickt, denn ich hatte ja keine Ahnung davon gehabt. „Das wissen Sie nicht — o sie macht übrigens gar kein Geheimnis daraus“ — er wurde etwas nachdenklich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="87"/> Hetären sein. — Da war eine — unter uns gesagt — sie stand mir eine Zeitlang sehr nahe — aber eines schönen Tages erklärte sie mir, sie habe eingesehen, daß sie nicht <hi rendition="#g">einem</hi> Manne angehören könne, sondern sie müsse sich frei verschenken — an viele —. Es war nichts dabei zu machen, — sie hat sich dann auch verschenkt und verschenkt und ist elend dabei hereingefallen. Denn glauben Sie mir nur, was ein rechter Wahnmochinger ist, der sieht nicht ein, daß es für die meisten Mädel eben doch ein Unglück bedeutet. Er bewundert sie höchstens, daß sie nun ein Schicksal hat und es irgendwie trägt; aber was nützt ihr das?“ — Er machte eine Pause und fuhr dann fort:</p> <p>„Bei Maria liegt es etwas anders, sie hat von Natur keine Prinzipien. Und deshalb wird sie dort auch so verehrt. Sie sagt, es sei so schön gewesen — sonst habe sie immer nur Vorwürfe über ihren Lebenswandel hören müssen, und alle hätten versucht, sie auf andere Wege zu bringen — aber als sie dann unter diese Leute kam, machte man ihr, Gott weiß was für Elogen und fand alles herrlich. Sie hatte damals gerade das Kind bekommen, und die Welt zog sich etwas von ihr zurück.“</p> <p>„Maria hat ein Kind?“ fragte ich, wohl etwas ungeschickt, denn ich hatte ja keine Ahnung davon gehabt.</p> <p>„Das wissen Sie nicht — o sie macht übrigens gar kein Geheimnis daraus“ — er wurde etwas nachdenklich, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0091]
Hetären sein. — Da war eine — unter uns gesagt — sie stand mir eine Zeitlang sehr nahe — aber eines schönen Tages erklärte sie mir, sie habe eingesehen, daß sie nicht einem Manne angehören könne, sondern sie müsse sich frei verschenken — an viele —. Es war nichts dabei zu machen, — sie hat sich dann auch verschenkt und verschenkt und ist elend dabei hereingefallen. Denn glauben Sie mir nur, was ein rechter Wahnmochinger ist, der sieht nicht ein, daß es für die meisten Mädel eben doch ein Unglück bedeutet. Er bewundert sie höchstens, daß sie nun ein Schicksal hat und es irgendwie trägt; aber was nützt ihr das?“ — Er machte eine Pause und fuhr dann fort:
„Bei Maria liegt es etwas anders, sie hat von Natur keine Prinzipien. Und deshalb wird sie dort auch so verehrt. Sie sagt, es sei so schön gewesen — sonst habe sie immer nur Vorwürfe über ihren Lebenswandel hören müssen, und alle hätten versucht, sie auf andere Wege zu bringen — aber als sie dann unter diese Leute kam, machte man ihr, Gott weiß was für Elogen und fand alles herrlich. Sie hatte damals gerade das Kind bekommen, und die Welt zog sich etwas von ihr zurück.“
„Maria hat ein Kind?“ fragte ich, wohl etwas ungeschickt, denn ich hatte ja keine Ahnung davon gehabt.
„Das wissen Sie nicht — o sie macht übrigens gar kein Geheimnis daraus“ — er wurde etwas nachdenklich,
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