Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.Wir verstehen uns, wie nur zwei Verurteilte sich verstehen können -- eine andere Liebe ist nicht zwischen uns. Hallwig nennt so etwas den Eros der Ferne -- hat Maria mir gesagt -- früher hätte ich das überhaupt nicht verstanden und mir nichts darunter vorstellen können. Als ich aufwachte, war der Frack fort und sein Besitzer verschwunden. Susanna stand am Tisch und betrachtete sinnend ein Paar weiße Glasseehandschuhe, die er anscheinend vergessen hatte. Dann lächelte sie mich an: "Lieber Dame, kommen Sie doch mit zum Frühstück hinauf, wir haben ein paar Leute mitgebracht." Es ist sieben Uhr morgens. Sie sind eben erst heimgekommen -- die ganze Küche voll kostümierter Gestalten. Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume. Man sitzt bei Lampenlicht um den Frühstückstisch, die Mädchen haben Kränze auf dem Kopf, sehen blaß und glücklich aus. Susanna legt die weißen Handschuhe vor Maria hin: "Gilt das mir, oder gilt es dir?" Sie flüstern zusammen, dann fragt Susanna: "Sie -- Monsieur Dame, wie hat er denn ausgesehen?" "Ich versuche ihn zu beschreiben -- schlank -- mittelgroß Wir verstehen uns, wie nur zwei Verurteilte sich verstehen können — eine andere Liebe ist nicht zwischen uns. Hallwig nennt so etwas den Eros der Ferne — hat Maria mir gesagt — früher hätte ich das überhaupt nicht verstanden und mir nichts darunter vorstellen können. Als ich aufwachte, war der Frack fort und sein Besitzer verschwunden. Susanna stand am Tisch und betrachtete sinnend ein Paar weiße Glasseehandschuhe, die er anscheinend vergessen hatte. Dann lächelte sie mich an: „Lieber Dame, kommen Sie doch mit zum Frühstück hinauf, wir haben ein paar Leute mitgebracht.“ Es ist sieben Uhr morgens. Sie sind eben erst heimgekommen — die ganze Küche voll kostümierter Gestalten. Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume. Man sitzt bei Lampenlicht um den Frühstückstisch, die Mädchen haben Kränze auf dem Kopf, sehen blaß und glücklich aus. Susanna legt die weißen Handschuhe vor Maria hin: „Gilt das mir, oder gilt es dir?“ Sie flüstern zusammen, dann fragt Susanna: „Sie — Monsieur Dame, wie hat er denn ausgesehen?“ „Ich versuche ihn zu beschreiben — schlank — mittelgroß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="89"/> Wir verstehen uns, wie nur zwei Verurteilte sich verstehen können — eine andere Liebe ist nicht zwischen uns. Hallwig nennt so etwas den Eros der Ferne — hat Maria mir gesagt — früher hätte ich das überhaupt nicht verstanden und mir nichts darunter vorstellen können.</p> <p>Als ich aufwachte, war der Frack fort und sein Besitzer verschwunden. Susanna stand am Tisch und betrachtete sinnend ein Paar weiße Glasseehandschuhe, die er anscheinend vergessen hatte. Dann lächelte sie mich an:</p> <p>„Lieber Dame, kommen Sie doch mit zum Frühstück hinauf, wir haben ein paar Leute mitgebracht.“</p> <p>Es ist sieben Uhr morgens. Sie sind eben erst heimgekommen — die ganze Küche voll kostümierter Gestalten. Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume. Man sitzt bei Lampenlicht um den Frühstückstisch, die Mädchen haben Kränze auf dem Kopf, sehen blaß und glücklich aus.</p> <p>Susanna legt die weißen Handschuhe vor Maria hin:</p> <p>„Gilt das mir, oder gilt es dir?“</p> <p>Sie flüstern zusammen, dann fragt Susanna:</p> <p>„Sie — Monsieur Dame, wie hat er denn ausgesehen?“</p> <p>„Ich versuche ihn zu beschreiben — schlank — mittelgroß </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0093]
Wir verstehen uns, wie nur zwei Verurteilte sich verstehen können — eine andere Liebe ist nicht zwischen uns. Hallwig nennt so etwas den Eros der Ferne — hat Maria mir gesagt — früher hätte ich das überhaupt nicht verstanden und mir nichts darunter vorstellen können.
Als ich aufwachte, war der Frack fort und sein Besitzer verschwunden. Susanna stand am Tisch und betrachtete sinnend ein Paar weiße Glasseehandschuhe, die er anscheinend vergessen hatte. Dann lächelte sie mich an:
„Lieber Dame, kommen Sie doch mit zum Frühstück hinauf, wir haben ein paar Leute mitgebracht.“
Es ist sieben Uhr morgens. Sie sind eben erst heimgekommen — die ganze Küche voll kostümierter Gestalten. Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume. Man sitzt bei Lampenlicht um den Frühstückstisch, die Mädchen haben Kränze auf dem Kopf, sehen blaß und glücklich aus.
Susanna legt die weißen Handschuhe vor Maria hin:
„Gilt das mir, oder gilt es dir?“
Sie flüstern zusammen, dann fragt Susanna:
„Sie — Monsieur Dame, wie hat er denn ausgesehen?“
„Ich versuche ihn zu beschreiben — schlank — mittelgroß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |