stellt, um meinen Vater und seine Brüder zu ge- winnen: allein ich befürchte, daß meines Bru- ders und meiner Schwester Absicht ist, mich gäntz- lich bey ihnen schwartz zu machen, es koste was es will. Sonst würden sie ja bey meiner Zurück- kunft von der Reise mich eher durch Liebe als durch Furcht zu bewegen gesucht haben, daß ich mir den Vorschlag gefallen lassen möchte, den sie mit aller Gewalt durchtreiben wollen.
Allen Bedienten ist inzwischen anbefohlen wor- den, daß sie Herrn Solmes mit der grössesten Ehrerbietung begegnen sollen. Bey einigen in unserm Hause heist er nunmehr, der grosmü- thige Herr Solmes. Solte dies nicht ein still- schweigendes Bekäntniß seyn, daß er sich durch seine Eigenschafften keine Ehrerbietung erwerben könne, wenn man es den Leuten anbefehlen muß, Ehrerbietung fur ihn zu haben?
So oft er uns besucht, wird er von der Herr- schaft auf das freundlichste empfangen, und die Be- diente schmiegen und biegen sich vor ihm und war- ten auf seinen Befehl. Jn aller Munde schallen die edlen und vortrefflichen Verschreibungen.
Edel und vortrefflich sind die Worte, da- mit sie die unedlen Anerbietungen eines Menschen schmücken, der so niederträchtig und gottlos ist, daß er sich nicht schämt, frey zu bekennen, er hasse seine eigenen Anverwanten; und der ihnen, so nöthig sie auch seiner Hülfe haben, das rauben will worauf sie eine gegründete Anwartschaft hatten. Mir will er alles verschreiben; und wenn ich eben so
wie
Die Geſchichte
ſtellt, um meinen Vater und ſeine Bruͤder zu ge- winnen: allein ich befuͤrchte, daß meines Bru- ders und meiner Schweſter Abſicht iſt, mich gaͤntz- lich bey ihnen ſchwartz zu machen, es koſte was es will. Sonſt wuͤrden ſie ja bey meiner Zuruͤck- kunft von der Reiſe mich eher durch Liebe als durch Furcht zu bewegen geſucht haben, daß ich mir den Vorſchlag gefallen laſſen moͤchte, den ſie mit aller Gewalt durchtreiben wollen.
Allen Bedienten iſt inzwiſchen anbefohlen wor- den, daß ſie Herrn Solmes mit der groͤſſeſten Ehrerbietung begegnen ſollen. Bey einigen in unſerm Hauſe heiſt er nunmehr, der grosmuͤ- thige Herr Solmes. Solte dies nicht ein ſtill- ſchweigendes Bekaͤntniß ſeyn, daß er ſich durch ſeine Eigenſchafften keine Ehrerbietung erwerben koͤnne, wenn man es den Leuten anbefehlen muß, Ehrerbietung fur ihn zu haben?
So oft er uns beſucht, wird er von der Herr- ſchaft auf das freundlichſte empfangen, und die Be- diente ſchmiegen und biegen ſich vor ihm und war- ten auf ſeinen Befehl. Jn aller Munde ſchallen die edlen und vortrefflichen Verſchreibungen.
Edel und vortrefflich ſind die Worte, da- mit ſie die unedlen Anerbietungen eines Menſchen ſchmuͤcken, der ſo niedertraͤchtig und gottlos iſt, daß er ſich nicht ſchaͤmt, frey zu bekennen, er haſſe ſeine eigenen Anveꝛwanten; und der ihnen, ſo noͤthig ſie auch ſeiner Huͤlfe haben, das rauben will worauf ſie eine gegruͤndete Anwartſchaft hatten. Mir will er alles verſchreiben; und wenn ich eben ſo
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Die Geſchichte
ſtellt, um meinen Vater und ſeine Bruͤder zu ge-
winnen: allein ich befuͤrchte, daß meines Bru-
ders und meiner Schweſter Abſicht iſt, mich gaͤntz-
lich bey ihnen ſchwartz zu machen, es koſte was es
will. Sonſt wuͤrden ſie ja bey meiner Zuruͤck-
kunft von der Reiſe mich eher durch Liebe als durch
Furcht zu bewegen geſucht haben, daß ich mir den
Vorſchlag gefallen laſſen moͤchte, den ſie mit aller
Gewalt durchtreiben wollen.
Allen Bedienten iſt inzwiſchen anbefohlen wor-
den, daß ſie Herrn Solmes mit der groͤſſeſten
Ehrerbietung begegnen ſollen. Bey einigen in
unſerm Hauſe heiſt er nunmehr, der grosmuͤ-
thige Herr Solmes. Solte dies nicht ein ſtill-
ſchweigendes Bekaͤntniß ſeyn, daß er ſich durch
ſeine Eigenſchafften keine Ehrerbietung erwerben
koͤnne, wenn man es den Leuten anbefehlen muß,
Ehrerbietung fur ihn zu haben?
So oft er uns beſucht, wird er von der Herr-
ſchaft auf das freundlichſte empfangen, und die Be-
diente ſchmiegen und biegen ſich vor ihm und war-
ten auf ſeinen Befehl. Jn aller Munde ſchallen die
edlen und vortrefflichen Verſchreibungen.
Edel und vortrefflich ſind die Worte, da-
mit ſie die unedlen Anerbietungen eines Menſchen
ſchmuͤcken, der ſo niedertraͤchtig und gottlos iſt,
daß er ſich nicht ſchaͤmt, frey zu bekennen, er haſſe
ſeine eigenen Anveꝛwanten; und der ihnen, ſo noͤthig
ſie auch ſeiner Huͤlfe haben, das rauben will worauf
ſie eine gegruͤndete Anwartſchaft hatten. Mir
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/152>, abgerufen am 23.11.2024.
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