[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.Die Geschichte schon entdeckt, daß es möglich sey, (Sie müssenwissen, daß die unersättliche Begierde meines Bru- ders aus der Möglichkeit gleich eine Wahr- scheinlichkeit macht) daß meines Grosvaters Gut, und die noch wichtigern Güter, die Herr Solmes besitzet, dereinst an unser Haus fallen könnten. Man weiß zu erzehlen, daß noch ent- ferntere Anwardtschafften bisweilen erlediget, und denen Erben zu Theil worden sind, an die man nie gedacht hätte: und meine Schwester erinnert sich hiebey des alten erbaulichen Sprichworts: Es ist gut, wenn man mit einem Gute verwandt werden kan. Jch glaube, daß Solmes heimlich über die Schlösser, die sie in die Lufft bauen, lachen muß. Er verspricht, und dadurch macht er sie zu allen Diensten willig. Er sieht im Geiste mein Gut, das mir so viel Neid erwecket, schon als das seinige an. Es liegt zwi- schen zwey andern Gütern die ihm gehören, und er kan es wegen dieser Lage noch einmal so hoch nutzen, als irgend ein andrer thun könnte. Jch zweifele gar nicht mehr daran, daß er in mein Gut und nicht in mich verliebt sey. Dis sind die Bewegungs-Gründe, welche die Mein Bruder und meine Schwester haben durch erreicht
Die Geſchichte ſchon entdeckt, daß es moͤglich ſey, (Sie muͤſſenwiſſen, daß die unerſaͤttliche Begieꝛde meines Bꝛu- ders aus der Moͤglichkeit gleich eine Wahr- ſcheinlichkeit macht) daß meines Grosvaters Gut, und die noch wichtigern Guͤter, die Herr Solmes beſitzet, dereinſt an unſer Haus fallen koͤnnten. Man weiß zu erzehlen, daß noch ent- ferntere Anwardtſchafften bisweilen erlediget, und denen Erben zu Theil worden ſind, an die man nie gedacht haͤtte: und meine Schweſter erinnert ſich hiebey des alten erbaulichen Sprichworts: Es iſt gut, wenn man mit einem Gute verwandt werden kan. Jch glaube, daß Solmes heimlich uͤber die Schloͤſſer, die ſie in die Lufft bauen, lachen muß. Er verſpricht, und dadurch macht er ſie zu allen Dienſten willig. Er ſieht im Geiſte mein Gut, das mir ſo viel Neid erwecket, ſchon als das ſeinige an. Es liegt zwi- ſchen zwey andern Guͤtern die ihm gehoͤren, und er kan es wegen dieſer Lage noch einmal ſo hoch nutzen, als irgend ein andrer thun koͤnnte. Jch zweifele gar nicht mehr daran, daß er in mein Gut und nicht in mich verliebt ſey. Dis ſind die Bewegungs-Gruͤnde, welche die Mein Bruder und meine Schweſter haben durch erreicht
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Die Geſchichte
ſchon entdeckt, daß es moͤglich ſey, (Sie muͤſſen
wiſſen, daß die unerſaͤttliche Begieꝛde meines Bꝛu-
ders aus der Moͤglichkeit gleich eine Wahr-
ſcheinlichkeit macht) daß meines Grosvaters
Gut, und die noch wichtigern Guͤter, die Herr
Solmes beſitzet, dereinſt an unſer Haus fallen
koͤnnten. Man weiß zu erzehlen, daß noch ent-
ferntere Anwardtſchafften bisweilen erlediget, und
denen Erben zu Theil worden ſind, an die man
nie gedacht haͤtte: und meine Schweſter erinnert
ſich hiebey des alten erbaulichen Sprichworts:
Es iſt gut, wenn man mit einem Gute
verwandt werden kan. Jch glaube, daß
Solmes heimlich uͤber die Schloͤſſer, die ſie in
die Lufft bauen, lachen muß. Er verſpricht, und
dadurch macht er ſie zu allen Dienſten willig. Er
ſieht im Geiſte mein Gut, das mir ſo viel Neid
erwecket, ſchon als das ſeinige an. Es liegt zwi-
ſchen zwey andern Guͤtern die ihm gehoͤren, und
er kan es wegen dieſer Lage noch einmal ſo hoch
nutzen, als irgend ein andrer thun koͤnnte. Jch
zweifele gar nicht mehr daran, daß er in mein
Gut und nicht in mich verliebt ſey.
Dis ſind die Bewegungs-Gruͤnde, welche die
meinigen vermocht haben, das Anſuchen des
Herrn Solmes ſo hefftig zu unterſtuͤtzen. Jch
muß von neuen uͤber die Erb-Suͤnde unſerer Fa-
milie klagen, durch welche dieſe Bewegungs-
Gruͤnde ſo wichtig und unuͤberwindlich werden.
Mein Bruder und meine Schweſter haben durch
Herrn Solmes Antrag ihre Abſichten gegen mich
erreicht
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