Hoffnung einiger Gegen-Liebe, und von dem sie glaubet, daß er von ihrer Schwester geliebet werde. Da verschmähete Liebe sonst sich nicht gescheuet hat, Gifft und Dolch zu Kühlung ih- rer Rachgier anzuwenden: so dürffen Sie sich nicht wundern, wenn die Verbindung zwischen den nächsten Bluts-Freunden in solchem Falle aufhört, und eine Schwester vergißt, daß sie eine Schwester ist.
Dieser geheime Bewegungs-Grund, der desto stärckere Wirckungen hat, je mehr ihn Jhre Schwester aus Hochmuth zu verbergen sucht, setzt mich Jhrentwegen in Sorge, wenn ich dabey be- dencke, mit wie neidischen Augen Jhre Schwester Sie schon vorhin angesehen hat, und was für Bewegungs-Gründe man ganz ohngescheuet vor- bringt; und insonderheit, daß ein Bruder, der so viel bey der gantzen Familie gilt, dessen Eigen- nutz und Rachgier, seine zwey liebsten und herr- schenden Leidenschafften, beyde zu Jhrem Unglück arbeiten, mit Jhrer Schwester gemeine Sache macht. Beyde haben jetzt die Ohren Jhrer El- tern und Anverwandten allein, und stellen alles, was Sie reden und thun, auf der schlimmen Seite vor. Sie haben immer eine gehäßige Ma- terie, die sie noch schwärtzer machen können, als sie ist, nemlich die Schlägerey, und die üble Lebens-Art des Herrn Lovelace. Wie wollen Sie einer so starcken und vereinigten Macht wi- derstehen! Jch sehe gewiß zum voraus, daß sie über ein so sanftes Hertz, das so wenig von Wi-
der-
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der Clariſſa.
Hoffnung einiger Gegen-Liebe, und von dem ſie glaubet, daß er von ihrer Schweſter geliebet werde. Da verſchmaͤhete Liebe ſonſt ſich nicht geſcheuet hat, Gifft und Dolch zu Kuͤhlung ih- rer Rachgier anzuwenden: ſo duͤrffen Sie ſich nicht wundern, wenn die Verbindung zwiſchen den naͤchſten Bluts-Freunden in ſolchem Falle aufhoͤrt, und eine Schweſter vergißt, daß ſie eine Schweſter iſt.
Dieſer geheime Bewegungs-Grund, der deſto ſtaͤrckere Wirckungen hat, je mehr ihn Jhre Schweſter aus Hochmuth zu verbergen ſucht, ſetzt mich Jhrentwegen in Sorge, wenn ich dabey be- dencke, mit wie neidiſchen Augen Jhre Schweſter Sie ſchon vorhin angeſehen hat, und was fuͤr Bewegungs-Gruͤnde man ganz ohngeſcheuet vor- bringt; und inſonderheit, daß ein Bruder, der ſo viel bey der gantzen Familie gilt, deſſen Eigen- nutz und Rachgier, ſeine zwey liebſten und herr- ſchenden Leidenſchafften, beyde zu Jhrem Ungluͤck arbeiten, mit Jhrer Schweſter gemeine Sache macht. Beyde haben jetzt die Ohren Jhrer El- tern und Anverwandten allein, und ſtellen alles, was Sie reden und thun, auf der ſchlimmen Seite vor. Sie haben immer eine gehaͤßige Ma- terie, die ſie noch ſchwaͤrtzer machen koͤnnen, als ſie iſt, nemlich die Schlaͤgerey, und die uͤble Lebens-Art des Herrn Lovelace. Wie wollen Sie einer ſo ſtarcken und vereinigten Macht wi- derſtehen! Jch ſehe gewiß zum voraus, daß ſie uͤber ein ſo ſanftes Hertz, das ſo wenig von Wi-
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der Clariſſa.
Hoffnung einiger Gegen-Liebe, und von dem
ſie glaubet, daß er von ihrer Schweſter geliebet
werde. Da verſchmaͤhete Liebe ſonſt ſich nicht
geſcheuet hat, Gifft und Dolch zu Kuͤhlung ih-
rer Rachgier anzuwenden: ſo duͤrffen Sie ſich
nicht wundern, wenn die Verbindung zwiſchen
den naͤchſten Bluts-Freunden in ſolchem Falle
aufhoͤrt, und eine Schweſter vergißt, daß ſie
eine Schweſter iſt.
Dieſer geheime Bewegungs-Grund, der deſto
ſtaͤrckere Wirckungen hat, je mehr ihn Jhre
Schweſter aus Hochmuth zu verbergen ſucht, ſetzt
mich Jhrentwegen in Sorge, wenn ich dabey be-
dencke, mit wie neidiſchen Augen Jhre Schweſter
Sie ſchon vorhin angeſehen hat, und was fuͤr
Bewegungs-Gruͤnde man ganz ohngeſcheuet vor-
bringt; und inſonderheit, daß ein Bruder, der
ſo viel bey der gantzen Familie gilt, deſſen Eigen-
nutz und Rachgier, ſeine zwey liebſten und herr-
ſchenden Leidenſchafften, beyde zu Jhrem Ungluͤck
arbeiten, mit Jhrer Schweſter gemeine Sache
macht. Beyde haben jetzt die Ohren Jhrer El-
tern und Anverwandten allein, und ſtellen alles,
was Sie reden und thun, auf der ſchlimmen
Seite vor. Sie haben immer eine gehaͤßige Ma-
terie, die ſie noch ſchwaͤrtzer machen koͤnnen, als
ſie iſt, nemlich die Schlaͤgerey, und die uͤble
Lebens-Art des Herrn Lovelace. Wie wollen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/167>, abgerufen am 27.11.2024.
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