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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
Der arme Mann! Er hat wenig Ehre/
und ich habe desto mehr Ehre davon/ wenn
ich nachgebe: ich wollte aber lieber diese
Ehre nicht haben/ da sie mir und ihm so
theur zu erkauffen wird. Du bist ein ge-
horsames/ ein verständiges Kind/
(ver-
muthlich wollte sie mich durch dieses Lob erst so ge-
horsam und verständig machen, als sie mich zu
sehen wünschte) ich weiß gewiß/ du wirst
meine Unruhe nicht vergrössern wollen: du
wirst den
Haus-Frieden nicht stören wol-
len/ der deiner Mutter bisher so viel geko-
stet hat. Gehorsam ist besser denn Opfer.
O meine Clärchen
Harlowe/ erfreue mich/
und sage mir/ daß ich bisher eine unnöthige
Furcht deinetwegrn gehabt habe. Jch se-
he deine Bekümmersiß! ich sehe deine Ver-
wirrung wohl! Jch sehe/ wie du mit dir
selbst zu streiten hast. Jch will dich einen
Augenblick allein lassen.
Hier zog sie ihre
Arme von meinem Halse ab, und stund auf, damit
ich ihre eigene Bekümmerniß und Mitleiden nicht
wahrnehmen möchte. Jch wollte reden, und fiel
so gleich, da sie mich loßgelassen hatte, auf mei-
ne Kniee, als wollte ich sie um Hülfe und Mit-
leiden anflehen. Aber sie sagte: Antworte mir
nicht. Jch habe mich noch nicht gefasset/
deine unüberwindlichen Bitten und Klagen
anzuhöreu. Jch will dich allein lassen/
damit du dich besser fassen kanst.
So lieb
dir deiner Mutter Segen ist/ so sehr bitte

ich

der Clariſſa.
Der arme Mann! Er hat wenig Ehre/
und ich habe deſto mehr Ehre davon/ wenn
ich nachgebe: ich wollte aber lieber dieſe
Ehre nicht haben/ da ſie mir und ihm ſo
theur zu erkauffen wird. Du biſt ein ge-
horſames/ ein verſtaͤndiges Kind/
(ver-
muthlich wollte ſie mich durch dieſes Lob erſt ſo ge-
horſam und verſtaͤndig machen, als ſie mich zu
ſehen wuͤnſchte) ich weiß gewiß/ du wirſt
meine Unruhe nicht vergroͤſſern wollen: du
wirſt den
Haus-Frieden nicht ſtoͤren wol-
len/ der deiner Mutter bisher ſo viel geko-
ſtet hat. Gehorſam iſt beſſer denn Opfer.
O meine Claͤrchen
Harlowe/ erfreue mich/
und ſage mir/ daß ich bisher eine unnoͤthige
Furcht deinetwegrn gehabt habe. Jch ſe-
he deine Bekuͤmmersiß! ich ſehe deine Ver-
wirrung wohl! Jch ſehe/ wie du mit dir
ſelbſt zu ſtreiten haſt. Jch will dich einen
Augenblick allein laſſen.
Hier zog ſie ihre
Arme von meinem Halſe ab, und ſtund auf, damit
ich ihre eigene Bekuͤmmerniß und Mitleiden nicht
wahrnehmen moͤchte. Jch wollte reden, und fiel
ſo gleich, da ſie mich loßgelaſſen hatte, auf mei-
ne Kniee, als wollte ich ſie um Huͤlfe und Mit-
leiden anflehen. Aber ſie ſagte: Antworte mir
nicht. Jch habe mich noch nicht gefaſſet/
deine unuͤberwindlichen Bitten und Klagen
anzuhoͤreu. Jch will dich allein laſſen/
damit du dich beſſer faſſen kanſt.
So lieb
dir deiner Mutter Segen iſt/ ſo ſehr bitte

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[159/0179] der Clariſſa. Der arme Mann! Er hat wenig Ehre/ und ich habe deſto mehr Ehre davon/ wenn ich nachgebe: ich wollte aber lieber dieſe Ehre nicht haben/ da ſie mir und ihm ſo theur zu erkauffen wird. Du biſt ein ge- horſames/ ein verſtaͤndiges Kind/ (ver- muthlich wollte ſie mich durch dieſes Lob erſt ſo ge- horſam und verſtaͤndig machen, als ſie mich zu ſehen wuͤnſchte) ich weiß gewiß/ du wirſt meine Unruhe nicht vergroͤſſern wollen: du wirſt den Haus-Frieden nicht ſtoͤren wol- len/ der deiner Mutter bisher ſo viel geko- ſtet hat. Gehorſam iſt beſſer denn Opfer. O meine Claͤrchen Harlowe/ erfreue mich/ und ſage mir/ daß ich bisher eine unnoͤthige Furcht deinetwegrn gehabt habe. Jch ſe- he deine Bekuͤmmersiß! ich ſehe deine Ver- wirrung wohl! Jch ſehe/ wie du mit dir ſelbſt zu ſtreiten haſt. Jch will dich einen Augenblick allein laſſen. Hier zog ſie ihre Arme von meinem Halſe ab, und ſtund auf, damit ich ihre eigene Bekuͤmmerniß und Mitleiden nicht wahrnehmen moͤchte. Jch wollte reden, und fiel ſo gleich, da ſie mich loßgelaſſen hatte, auf mei- ne Kniee, als wollte ich ſie um Huͤlfe und Mit- leiden anflehen. Aber ſie ſagte: Antworte mir nicht. Jch habe mich noch nicht gefaſſet/ deine unuͤberwindlichen Bitten und Klagen anzuhoͤreu. Jch will dich allein laſſen/ damit du dich beſſer faſſen kanſt. So lieb dir deiner Mutter Segen iſt/ ſo ſehr bitte ich

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/179>, abgerufen am 27.11.2024.