Gemüth als meiner Mutter ihres entweder da- durch unglücklich oder alles Vermögens beraubet werden muß, seinen gütigen Trieben zu folgen?)
"- - Jch wollte das vorige mahl deine Gründe "nicht einmahl anhören, weil ich doch schon zum "voraus wuste, daß sie nichts ausrichten würden. "Auch hierin habe ich gefehlt. Denn von ei- "nem jungen Kinde, das gewohnt ist, alles zu "überlegen, und sich durch Gründe überzeugen "zu lassen, muß man billig alle Einwendungen "anhören. Jch komme aber zum dritten mahl, "und bin bereit, alles anzuhören, was du zu "sagen hast. Aber laß dich doch durch meine "Gedult zur Danckbarkeit, ich will so gar sagen, "zur Großmuth reitzen! denn mit dir spreche "ich jetzund, die du sonst ein so großmüthiges "Hertz gehabt hast. Wenn dein Hertz in der "That durch keine andere Liebe gebunden ist, "so zeige mir einmal, wie viel du mir zu Gefallen "thun kanst. Sey nur so bescheiden in deinen "Reden, als du sonst zu seyn pflegest, so will "ich alles anhören: aber wisse zum voraus, du "magst sagen was du wilst, so wird es nichts "fruchten."
"Wie fürchterlich ist diese Vorbereitung?" sagte ich. "Jndessen würden doch meine Reden "etwas fruchten, wenn ich Sie nur zum Mitlei- "den bewegen könte."
"Mein Mitleiden und meine Liebe hast du "vollkommen. Allein Clärchen/ was fragt "ein so verständiges Kind, dessen Hertz sonst durch
"nichts
Die Geſchichte
Gemuͤth als meiner Mutter ihres entweder da- durch ungluͤcklich oder alles Vermoͤgens beraubet werden muß, ſeinen guͤtigen Trieben zu folgen?)
„‒ ‒ Jch wollte das vorige mahl deine Gruͤnde „nicht einmahl anhoͤren, weil ich doch ſchon zum „voraus wuſte, daß ſie nichts ausrichten wuͤrden. „Auch hierin habe ich gefehlt. Denn von ei- „nem jungen Kinde, das gewohnt iſt, alles zu „uͤberlegen, und ſich durch Gruͤnde uͤberzeugen „zu laſſen, muß man billig alle Einwendungen „anhoͤren. Jch komme aber zum dritten mahl, „und bin bereit, alles anzuhoͤren, was du zu „ſagen haſt. Aber laß dich doch durch meine „Gedult zur Danckbarkeit, ich will ſo gar ſagen, „zur Großmuth reitzen! denn mit dir ſpreche „ich jetzund, die du ſonſt ein ſo großmuͤthiges „Hertz gehabt haſt. Wenn dein Hertz in der „That durch keine andere Liebe gebunden iſt, „ſo zeige mir einmal, wie viel du mir zu Gefallen „thun kanſt. Sey nur ſo beſcheiden in deinen „Reden, als du ſonſt zu ſeyn pflegeſt, ſo will „ich alles anhoͤren: aber wiſſe zum voraus, du „magſt ſagen was du wilſt, ſo wird es nichts „fruchten.„
„Wie fuͤrchterlich iſt dieſe Vorbereitung?„ ſagte ich. „Jndeſſen wuͤrden doch meine Reden „etwas fruchten, wenn ich Sie nur zum Mitlei- „den bewegen koͤnte.„
„Mein Mitleiden und meine Liebe haſt du „vollkommen. Allein Claͤrchen/ was fragt „ein ſo verſtaͤndiges Kind, deſſen Hertz ſonſt durch
„nichts
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="168"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
Gemuͤth als meiner Mutter ihres entweder da-<lb/>
durch ungluͤcklich oder alles Vermoͤgens beraubet<lb/>
werden muß, ſeinen guͤtigen Trieben zu folgen?)</p><lb/><p>„‒‒ Jch wollte das vorige mahl deine Gruͤnde<lb/>„nicht einmahl anhoͤren, weil ich doch ſchon zum<lb/>„voraus wuſte, daß ſie nichts ausrichten wuͤrden.<lb/>„Auch hierin habe ich gefehlt. Denn von ei-<lb/>„nem jungen Kinde, das gewohnt iſt, alles zu<lb/>„uͤberlegen, und ſich durch Gruͤnde uͤberzeugen<lb/>„zu laſſen, muß man billig alle Einwendungen<lb/>„anhoͤren. Jch komme aber zum dritten mahl,<lb/>„und bin bereit, alles anzuhoͤren, was du zu<lb/>„ſagen haſt. Aber laß dich doch durch meine<lb/>„Gedult zur Danckbarkeit, ich will ſo gar ſagen,<lb/>„zur Großmuth reitzen! denn mit dir ſpreche<lb/>„ich jetzund, die du ſonſt ein ſo großmuͤthiges<lb/>„Hertz gehabt haſt. Wenn dein Hertz in der<lb/>„That durch keine andere Liebe gebunden iſt,<lb/>„ſo zeige mir einmal, wie viel du mir zu Gefallen<lb/>„thun kanſt. Sey nur ſo beſcheiden in deinen<lb/>„Reden, als du ſonſt zu ſeyn pflegeſt, ſo will<lb/>„ich alles anhoͤren: aber wiſſe zum voraus, du<lb/>„magſt ſagen was du wilſt, ſo wird es nichts<lb/>„fruchten.„</p><lb/><p>„Wie fuͤrchterlich iſt dieſe Vorbereitung?„<lb/>ſagte ich. „Jndeſſen wuͤrden doch meine Reden<lb/>„etwas fruchten, wenn ich Sie nur zum Mitlei-<lb/>„den bewegen koͤnte.„</p><lb/><p>„Mein Mitleiden und meine Liebe haſt du<lb/>„vollkommen. Allein <hirendition="#fr">Claͤrchen/</hi> was fragt<lb/>„ein ſo verſtaͤndiges Kind, deſſen Hertz ſonſt durch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„nichts</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[168/0188]
Die Geſchichte
Gemuͤth als meiner Mutter ihres entweder da-
durch ungluͤcklich oder alles Vermoͤgens beraubet
werden muß, ſeinen guͤtigen Trieben zu folgen?)
„‒ ‒ Jch wollte das vorige mahl deine Gruͤnde
„nicht einmahl anhoͤren, weil ich doch ſchon zum
„voraus wuſte, daß ſie nichts ausrichten wuͤrden.
„Auch hierin habe ich gefehlt. Denn von ei-
„nem jungen Kinde, das gewohnt iſt, alles zu
„uͤberlegen, und ſich durch Gruͤnde uͤberzeugen
„zu laſſen, muß man billig alle Einwendungen
„anhoͤren. Jch komme aber zum dritten mahl,
„und bin bereit, alles anzuhoͤren, was du zu
„ſagen haſt. Aber laß dich doch durch meine
„Gedult zur Danckbarkeit, ich will ſo gar ſagen,
„zur Großmuth reitzen! denn mit dir ſpreche
„ich jetzund, die du ſonſt ein ſo großmuͤthiges
„Hertz gehabt haſt. Wenn dein Hertz in der
„That durch keine andere Liebe gebunden iſt,
„ſo zeige mir einmal, wie viel du mir zu Gefallen
„thun kanſt. Sey nur ſo beſcheiden in deinen
„Reden, als du ſonſt zu ſeyn pflegeſt, ſo will
„ich alles anhoͤren: aber wiſſe zum voraus, du
„magſt ſagen was du wilſt, ſo wird es nichts
„fruchten.„
„Wie fuͤrchterlich iſt dieſe Vorbereitung?„
ſagte ich. „Jndeſſen wuͤrden doch meine Reden
„etwas fruchten, wenn ich Sie nur zum Mitlei-
„den bewegen koͤnte.„
„Mein Mitleiden und meine Liebe haſt du
„vollkommen. Allein Claͤrchen/ was fragt
„ein ſo verſtaͤndiges Kind, deſſen Hertz ſonſt durch
„nichts
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/188>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.