"Art wären, daß sie ein Mensch ertragen könn- "te." (Für diesen Umstand möcht ich in der That nicht gern Bürge seyn.)
Jn meiner Antwort widerholte ich, was ich ihm schon so oft geschrieben habe: "daß er schlech- "terdings keine Liebe von mir ohne Bewilligung "der meinigen erwarten soll. Jch wüste gewiß, "daß sie seinen Besuch nicht annehmen würden. "Jch würde nie so ungehorsam und so unver- "ständig seyn, daß ich aus Liebe zu irgend jeman- "den, wer es auch seyn möchte, mich von mei- "ner Familie trennen liesse. Jch wäre ihm we- "gen der Gedult keine Verpflichtung schuldig, die "ein hitziger Kopf auf meine Bitte gegen einen "andern hitzigen Kopf hätte: denn ich bäte ihn "um nichts, als wozu ihn Klugheit, Gerechtig- "keit und die Landes-Gesetze ohnehin verbinden, "Er betröge sich, wenn er hoffete, daß lich um "dieser Gefälligkeit willen eine Neigung gegen "ihn hätte: ich hätte ihm schon oft gemeldet, daß "ich mich gar nicht zu verheyrathen gedächte. "Jch könnte auch einen heimlichen Briefwechsel "mit ihm nicht länger fortsetzen: denn es würde "niderträchtig und ungehorsam von mir gehan- "delt seyn, und gäbe noch über dieses einen bösen "Schein, den man nicht füglich entschuldigen "könnte. Er möge sich daher keine Hoffnung "machen, daß ich noch ferner Briefe mit ihm "wechseln wollte."
Hierauf antwortete er in seinem letzten Schrei- ben unter andern: "wenn ich wircklich entschlos-
"sen
Die Geſchichte
„Art waͤren, daß ſie ein Menſch ertragen koͤnn- „te.„ (Fuͤr dieſen Umſtand moͤcht ich in der That nicht gern Buͤrge ſeyn.)
Jn meiner Antwort widerholte ich, was ich ihm ſchon ſo oft geſchrieben habe: „daß er ſchlech- „terdings keine Liebe von mir ohne Bewilligung „der meinigen erwarten ſoll. Jch wuͤſte gewiß, „daß ſie ſeinen Beſuch nicht annehmen wuͤrden. „Jch wuͤrde nie ſo ungehorſam und ſo unver- „ſtaͤndig ſeyn, daß ich aus Liebe zu irgend jeman- „den, wer es auch ſeyn moͤchte, mich von mei- „ner Familie trennen lieſſe. Jch waͤre ihm we- „gen der Gedult keine Verpflichtung ſchuldig, die „ein hitziger Kopf auf meine Bitte gegen einen „andern hitzigen Kopf haͤtte: denn ich baͤte ihn „um nichts, als wozu ihn Klugheit, Gerechtig- „keit und die Landes-Geſetze ohnehin verbinden, „Er betroͤge ſich, wenn er hoffete, daß lich um „dieſer Gefaͤlligkeit willen eine Neigung gegen „ihn haͤtte: ich haͤtte ihm ſchon oft gemeldet, daß „ich mich gar nicht zu verheyrathen gedaͤchte. „Jch koͤnnte auch einen heimlichen Briefwechſel „mit ihm nicht laͤnger fortſetzen: denn es wuͤrde „nidertraͤchtig und ungehorſam von mir gehan- „delt ſeyn, und gaͤbe noch uͤber dieſes einen boͤſen „Schein, den man nicht fuͤglich entſchuldigen „koͤnnte. Er moͤge ſich daher keine Hoffnung „machen, daß ich noch ferner Briefe mit ihm „wechſeln wollte.„
Hierauf antwortete er in ſeinem letzten Schrei- ben unter andern: „wenn ich wircklich entſchloſ-
„ſen
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0212"n="192"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>„Art waͤren, daß ſie ein Menſch ertragen koͤnn-<lb/>„te.„ (Fuͤr dieſen Umſtand moͤcht ich in der<lb/>
That nicht gern Buͤrge ſeyn.)</p><lb/><p>Jn meiner Antwort widerholte ich, was ich<lb/>
ihm ſchon ſo oft geſchrieben habe: „daß er ſchlech-<lb/>„terdings keine Liebe von mir ohne Bewilligung<lb/>„der meinigen erwarten ſoll. Jch wuͤſte gewiß,<lb/>„daß ſie ſeinen Beſuch nicht annehmen wuͤrden.<lb/>„Jch wuͤrde nie ſo ungehorſam und ſo unver-<lb/>„ſtaͤndig ſeyn, daß ich aus Liebe zu irgend jeman-<lb/>„den, wer es auch ſeyn moͤchte, mich von mei-<lb/>„ner Familie trennen lieſſe. Jch waͤre ihm we-<lb/>„gen der Gedult keine Verpflichtung ſchuldig, die<lb/>„ein hitziger Kopf auf meine Bitte gegen einen<lb/>„andern hitzigen Kopf haͤtte: denn ich baͤte ihn<lb/>„um nichts, als wozu ihn Klugheit, Gerechtig-<lb/>„keit und die Landes-Geſetze ohnehin verbinden,<lb/>„Er betroͤge ſich, wenn er hoffete, daß lich um<lb/>„dieſer Gefaͤlligkeit willen eine Neigung gegen<lb/>„ihn haͤtte: ich haͤtte ihm ſchon oft gemeldet, daß<lb/>„ich mich gar nicht zu verheyrathen gedaͤchte.<lb/>„Jch koͤnnte auch einen heimlichen Briefwechſel<lb/>„mit ihm nicht laͤnger fortſetzen: denn es wuͤrde<lb/>„nidertraͤchtig und ungehorſam von mir gehan-<lb/>„delt ſeyn, und gaͤbe noch uͤber dieſes einen boͤſen<lb/>„Schein, den man nicht fuͤglich entſchuldigen<lb/>„koͤnnte. Er moͤge ſich daher keine Hoffnung<lb/>„machen, daß ich noch ferner Briefe mit ihm<lb/>„wechſeln wollte.„</p><lb/><p>Hierauf antwortete er in ſeinem letzten Schrei-<lb/>
ben unter andern: „wenn ich wircklich entſchloſ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„ſen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[192/0212]
Die Geſchichte
„Art waͤren, daß ſie ein Menſch ertragen koͤnn-
„te.„ (Fuͤr dieſen Umſtand moͤcht ich in der
That nicht gern Buͤrge ſeyn.)
Jn meiner Antwort widerholte ich, was ich
ihm ſchon ſo oft geſchrieben habe: „daß er ſchlech-
„terdings keine Liebe von mir ohne Bewilligung
„der meinigen erwarten ſoll. Jch wuͤſte gewiß,
„daß ſie ſeinen Beſuch nicht annehmen wuͤrden.
„Jch wuͤrde nie ſo ungehorſam und ſo unver-
„ſtaͤndig ſeyn, daß ich aus Liebe zu irgend jeman-
„den, wer es auch ſeyn moͤchte, mich von mei-
„ner Familie trennen lieſſe. Jch waͤre ihm we-
„gen der Gedult keine Verpflichtung ſchuldig, die
„ein hitziger Kopf auf meine Bitte gegen einen
„andern hitzigen Kopf haͤtte: denn ich baͤte ihn
„um nichts, als wozu ihn Klugheit, Gerechtig-
„keit und die Landes-Geſetze ohnehin verbinden,
„Er betroͤge ſich, wenn er hoffete, daß lich um
„dieſer Gefaͤlligkeit willen eine Neigung gegen
„ihn haͤtte: ich haͤtte ihm ſchon oft gemeldet, daß
„ich mich gar nicht zu verheyrathen gedaͤchte.
„Jch koͤnnte auch einen heimlichen Briefwechſel
„mit ihm nicht laͤnger fortſetzen: denn es wuͤrde
„nidertraͤchtig und ungehorſam von mir gehan-
„delt ſeyn, und gaͤbe noch uͤber dieſes einen boͤſen
„Schein, den man nicht fuͤglich entſchuldigen
„koͤnnte. Er moͤge ſich daher keine Hoffnung
„machen, daß ich noch ferner Briefe mit ihm
„wechſeln wollte.„
Hierauf antwortete er in ſeinem letzten Schrei-
ben unter andern: „wenn ich wircklich entſchloſ-
„ſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/212>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.