"darum hat er sie weggejagt, und ich soll ihnen "künftig aufwarten."
Jch konnte mich der Thränen nicht enthalten. "Jch habe nichts, darin ich ihr mit aufwarten "könnt, Elisabeth; gantz und gar nichts. "Allein wo ist dann Hannichen? Kan ich das "arme Mädchen nicht sprechen? Sie hat noch "ein halbes Jahr Lohn zu fodern. Kan ich das "ehrliche Mädchen nicht zu sehen bekommen, um "ihr den Lohn, zu bezahlen? Vielleicht sehe ich sie "nie wieder: denn ich mercke wohl, daß es alle "darauf gesetzt haben, mich zu betrüben."
"Und alle dencken (sagte sie), Fräulein, daß sie "es darauf gesetzt haben, sie zu betrüben. So "können sie eins für das andre rechnen,"
Jch nannte sie, unverschämt: und fragte sie, ob sie mir auf eine so zuversichtliche Weise aufzu- warten gedächte?
Jch drang so sehr darauf, das arme Mädchen zu sprechen, daß sie mir zu Gefallen (wie sie es nannte) hinunter ging, und meine Bitte anbrach- te. Das gute Mädchen, war eben so voll Be- gierde mich zu sprechen: und es ward endlich er- laubt, doch daß es in Gegenwart der Schorey und Elisabeth geschehen sollte.
Als sie kam, danckte ich ihr für ihre bisherigen treuen Dienste. Sie konnte sich vor Kummer nicht halten, und fing an, ihre Treue und Liebe ge- gen mich zu versichern, und sich zu entschuldigen, daß sie keine losen Händel angefangen hätte.
Jch sagte ihr: diejenigen, die sie aus dem
Dien-
Die Geſchichte
„darum hat er ſie weggejagt, und ich ſoll ihnen „kuͤnftig aufwarten.„
Jch konnte mich der Thraͤnen nicht enthalten. „Jch habe nichts, darin ich ihr mit aufwarten „koͤnnt, Eliſabeth; gantz und gar nichts. „Allein wo iſt dann Hannichen? Kan ich das „arme Maͤdchen nicht ſprechen? Sie hat noch „ein halbes Jahr Lohn zu fodern. Kan ich das „ehrliche Maͤdchen nicht zu ſehen bekommen, um „ihr den Lohn, zu bezahlen? Vielleicht ſehe ich ſie „nie wieder: denn ich mercke wohl, daß es alle „darauf geſetzt haben, mich zu betruͤben.„
„Und alle dencken (ſagte ſie), Fraͤulein, daß ſie „es darauf geſetzt haben, ſie zu betruͤben. So „koͤnnen ſie eins fuͤr das andre rechnen,„
Jch nannte ſie, unverſchaͤmt: und fragte ſie, ob ſie mir auf eine ſo zuverſichtliche Weiſe aufzu- warten gedaͤchte?
Jch drang ſo ſehr darauf, das arme Maͤdchen zu ſprechen, daß ſie mir zu Gefallen (wie ſie es nannte) hinunter ging, und meine Bitte anbrach- te. Das gute Maͤdchen, war eben ſo voll Be- gierde mich zu ſprechen: und es ward endlich er- laubt, doch daß es in Gegenwart der Schorey und Eliſabeth geſchehen ſollte.
Als ſie kam, danckte ich ihr fuͤr ihre bisherigen treuen Dienſte. Sie konnte ſich vor Kummer nicht halten, und fing an, ihre Treue und Liebe ge- gen mich zu verſichern, und ſich zu entſchuldigen, daß ſie keine loſen Haͤndel angefangen haͤtte.
Jch ſagte ihr: diejenigen, die ſie aus dem
Dien-
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Die Geſchichte
„darum hat er ſie weggejagt, und ich ſoll ihnen
„kuͤnftig aufwarten.„
Jch konnte mich der Thraͤnen nicht enthalten.
„Jch habe nichts, darin ich ihr mit aufwarten
„koͤnnt, Eliſabeth; gantz und gar nichts.
„Allein wo iſt dann Hannichen? Kan ich das
„arme Maͤdchen nicht ſprechen? Sie hat noch
„ein halbes Jahr Lohn zu fodern. Kan ich das
„ehrliche Maͤdchen nicht zu ſehen bekommen, um
„ihr den Lohn, zu bezahlen? Vielleicht ſehe ich ſie
„nie wieder: denn ich mercke wohl, daß es alle
„darauf geſetzt haben, mich zu betruͤben.„
„Und alle dencken (ſagte ſie), Fraͤulein, daß ſie
„es darauf geſetzt haben, ſie zu betruͤben. So
„koͤnnen ſie eins fuͤr das andre rechnen,„
Jch nannte ſie, unverſchaͤmt: und fragte ſie,
ob ſie mir auf eine ſo zuverſichtliche Weiſe aufzu-
warten gedaͤchte?
Jch drang ſo ſehr darauf, das arme Maͤdchen
zu ſprechen, daß ſie mir zu Gefallen (wie ſie es
nannte) hinunter ging, und meine Bitte anbrach-
te. Das gute Maͤdchen, war eben ſo voll Be-
gierde mich zu ſprechen: und es ward endlich er-
laubt, doch daß es in Gegenwart der Schorey
und Eliſabeth geſchehen ſollte.
Als ſie kam, danckte ich ihr fuͤr ihre bisherigen
treuen Dienſte. Sie konnte ſich vor Kummer
nicht halten, und fing an, ihre Treue und Liebe ge-
gen mich zu verſichern, und ſich zu entſchuldigen,
daß ſie keine loſen Haͤndel angefangen haͤtte.
Jch ſagte ihr: diejenigen, die ſie aus dem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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