"Da ich Jhnen bekant habe, daß ich Briefe "von Herrn Lovelace erhalten habe, in denen "er von nichts als Rache redete, und daß ich sie "blos um Unglück zu vermeiden beantwortet ha- "be; und da ich Jhnen meine Antworten in Ab- "schrift gezeiget habe, deren Jnhalt sie zwar "nicht misbilligten, allein dennoch für nöthig "hielten, mir den fernern Brief-Wechsel mit "ihm zu verbieten: so halte ich meine Schuldig- "keit zu seyn, zu berichten, daß mir seit der Zeit "noch ein Brief von ihm zu Händen gekommen "ist, in welchem er mich sehr ernstlich und nach- "drücklich bittet, daß ich ihm erlauben möchte "meinen Vater, oder Sie, oder meine Onckles "in Begleichtung des Lord M. auf eine friedfer- "tige Weise zu besuchen. Und dieses ist es, worü- "ber ich mir Jhre Befehle ausbitten muß.
"Jch gestehe, wenn mir nicht der Brief- "Wechsel von neuen untersagt, und Hannichen "so schleunig aus dem Hause geschaffet wäre, so "würde ich desto weniger Bedencken getragen "haben zu antworten, und ihm die Antwort so "bald als möglich durch sie zuzuschicken, um ihm "diesen Besuch zu widerrathen, weil ich fürchte, "daß etwas bey solcher Gelegenheit vorgehen "könte, daran ich nicht ohne zittern gedencken "kan.
"Jch kan nicht umhin Jhnen meinen Kum- "mer zu bezeugen, daß alle Strafe und alle üble "Nachrede auf mich kommt, da ich doch, wie ich
mei-
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der Clariſſa.
Hochzuehrende Frau Mutter/
„Da ich Jhnen bekant habe, daß ich Briefe „von Herrn Lovelace erhalten habe, in denen „er von nichts als Rache redete, und daß ich ſie „blos um Ungluͤck zu vermeiden beantwortet ha- „be; und da ich Jhnen meine Antworten in Ab- „ſchrift gezeiget habe, deren Jnhalt ſie zwar „nicht misbilligten, allein dennoch fuͤr noͤthig „hielten, mir den fernern Brief-Wechſel mit „ihm zu verbieten: ſo halte ich meine Schuldig- „keit zu ſeyn, zu berichten, daß mir ſeit der Zeit „noch ein Brief von ihm zu Haͤnden gekommen „iſt, in welchem er mich ſehr ernſtlich und nach- „druͤcklich bittet, daß ich ihm erlauben moͤchte „meinen Vater, oder Sie, oder meine Onckles „in Begleichtung des Lord M. auf eine friedfer- „tige Weiſe zu beſuchen. Und dieſes iſt es, woruͤ- „ber ich mir Jhre Befehle ausbitten muß.
„Jch geſtehe, wenn mir nicht der Brief- „Wechſel von neuen unterſagt, und Hannichen „ſo ſchleunig aus dem Hauſe geſchaffet waͤre, ſo „wuͤrde ich deſto weniger Bedencken getragen „haben zu antworten, und ihm die Antwort ſo „bald als moͤglich durch ſie zuzuſchicken, um ihm „dieſen Beſuch zu widerrathen, weil ich fuͤrchte, „daß etwas bey ſolcher Gelegenheit vorgehen „koͤnte, daran ich nicht ohne zittern gedencken „kan.
„Jch kan nicht umhin Jhnen meinen Kum- „mer zu bezeugen, daß alle Strafe und alle uͤble „Nachrede auf mich kommt, da ich doch, wie ich
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der Clariſſa.
Hochzuehrende Frau Mutter/
„Da ich Jhnen bekant habe, daß ich Briefe
„von Herrn Lovelace erhalten habe, in denen
„er von nichts als Rache redete, und daß ich ſie
„blos um Ungluͤck zu vermeiden beantwortet ha-
„be; und da ich Jhnen meine Antworten in Ab-
„ſchrift gezeiget habe, deren Jnhalt ſie zwar
„nicht misbilligten, allein dennoch fuͤr noͤthig
„hielten, mir den fernern Brief-Wechſel mit
„ihm zu verbieten: ſo halte ich meine Schuldig-
„keit zu ſeyn, zu berichten, daß mir ſeit der Zeit
„noch ein Brief von ihm zu Haͤnden gekommen
„iſt, in welchem er mich ſehr ernſtlich und nach-
„druͤcklich bittet, daß ich ihm erlauben moͤchte
„meinen Vater, oder Sie, oder meine Onckles
„in Begleichtung des Lord M. auf eine friedfer-
„tige Weiſe zu beſuchen. Und dieſes iſt es, woruͤ-
„ber ich mir Jhre Befehle ausbitten muß.
„Jch geſtehe, wenn mir nicht der Brief-
„Wechſel von neuen unterſagt, und Hannichen
„ſo ſchleunig aus dem Hauſe geſchaffet waͤre, ſo
„wuͤrde ich deſto weniger Bedencken getragen
„haben zu antworten, und ihm die Antwort ſo
„bald als moͤglich durch ſie zuzuſchicken, um ihm
„dieſen Beſuch zu widerrathen, weil ich fuͤrchte,
„daß etwas bey ſolcher Gelegenheit vorgehen
„koͤnte, daran ich nicht ohne zittern gedencken
„kan.
„Jch kan nicht umhin Jhnen meinen Kum-
„mer zu bezeugen, daß alle Strafe und alle uͤble
„Nachrede auf mich kommt, da ich doch, wie ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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