Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
tes Paar auszufinden. Erweckt etwan eine
Neugier die andre? Jch glaube, daß dieses die
Ursache ist.

Sie fuhr fort Herrn Lovelaces Gestalt, seine
natürliche Gaben, und seine durch Fleiß erwor-
bene Geschicklichkeit zu rühmen. Allein das Ur-
theil war doch endlich das Urtheil einer Mutter,
das sich eine Tochter ungern gefallen läst. Sie
konte aber wider Jhr Anerbieten, mit ihm zu bre-
chen, und unverheyrathet zu bleiben, nichts ein-
wenden; wenn nur, wenn (drey oder viermal
wenn, wo einmal genug gewesen wäre) wenn
man sich nur darauf verlassen könte.

Endlich bleibt doch der blinde Gehorsam das
Ende vom Liede in meiner Mutter Reden, ich mag
sagen was ich will. Die Lehre kriege ich sowol
als Sie,

Jch kan nicht leugnen, daß der Gehorsam
gegen die Eltern eine wichtige und in Gottes
Augen angenehme Pflicht eines Kindes sey: al-
allein ich dancke GOtt, daß ich nicht Jhre Probe
von dieser Pflicht abzulegen habe. Wir alle sind so,
so lange gut, als wir keine Versuchung zum Bö-
sen haben: das aber weiß ich, daß wenige jun-
ge Frauenzimmer, die sich noch dazu selbst hel-
fen können, dasjenige ertragen würden was Sie
ertragen.

Jch will nicht alles schreiben, was ich in mei-
nem Hertzen von dem Verfahren Jhres Vaters,
Jhrer Onckels, und Jhrer übrigen Anverwand-
ten dencke, um Sie nicht zu beleidigen. Jch bilde

mir
T 3

der Clariſſa.
tes Paar auszufinden. Erweckt etwan eine
Neugier die andre? Jch glaube, daß dieſes die
Urſache iſt.

Sie fuhr fort Herrn Lovelaces Geſtalt, ſeine
natuͤrliche Gaben, und ſeine durch Fleiß erwor-
bene Geſchicklichkeit zu ruͤhmen. Allein das Ur-
theil war doch endlich das Urtheil einer Mutter,
das ſich eine Tochter ungern gefallen laͤſt. Sie
konte aber wider Jhr Anerbieten, mit ihm zu bre-
chen, und unverheyrathet zu bleiben, nichts ein-
wenden; wenn nur, wenn (drey oder viermal
wenn, wo einmal genug geweſen waͤre) wenn
man ſich nur darauf verlaſſen koͤnte.

Endlich bleibt doch der blinde Gehorſam das
Ende vom Liede in meiner Mutter Reden, ich mag
ſagen was ich will. Die Lehre kriege ich ſowol
als Sie,

Jch kan nicht leugnen, daß der Gehorſam
gegen die Eltern eine wichtige und in Gottes
Augen angenehme Pflicht eines Kindes ſey: al-
allein ich dancke GOtt, daß ich nicht Jhre Probe
von dieſer Pflicht abzulegen habe. Wir alle ſind ſo,
ſo lange gut, als wir keine Verſuchung zum Boͤ-
ſen haben: das aber weiß ich, daß wenige jun-
ge Frauenzimmer, die ſich noch dazu ſelbſt hel-
fen koͤnnen, dasjenige ertragen wuͤrden was Sie
ertragen.

Jch will nicht alles ſchreiben, was ich in mei-
nem Hertzen von dem Verfahren Jhres Vaters,
Jhrer Onckels, und Jhrer uͤbrigen Anverwand-
ten dencke, um Sie nicht zu beleidigen. Jch bilde

mir
T 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0313" n="293"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
tes Paar auszufinden. Erweckt etwan eine<lb/><hi rendition="#fr">Neugier</hi> die andre? Jch glaube, daß die&#x017F;es die<lb/>
Ur&#x017F;ache i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Sie fuhr fort Herrn <hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> Ge&#x017F;talt, &#x017F;eine<lb/>
natu&#x0364;rliche Gaben, und &#x017F;eine durch Fleiß erwor-<lb/>
bene Ge&#x017F;chicklichkeit zu ru&#x0364;hmen. Allein das Ur-<lb/>
theil war doch endlich das Urtheil einer <hi rendition="#fr">Mutter,</hi><lb/>
das &#x017F;ich eine <hi rendition="#fr">Tochter</hi> ungern gefallen la&#x0364;&#x017F;t. Sie<lb/>
konte aber wider Jhr Anerbieten, mit ihm zu bre-<lb/>
chen, und unverheyrathet zu bleiben, nichts ein-<lb/>
wenden; <hi rendition="#fr">wenn</hi> nur, <hi rendition="#fr">wenn</hi> (drey oder viermal<lb/><hi rendition="#fr">wenn,</hi> wo einmal genug gewe&#x017F;en wa&#x0364;re) <hi rendition="#fr">wenn</hi><lb/>
man &#x017F;ich nur darauf verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte.</p><lb/>
          <p>Endlich bleibt doch der blinde Gehor&#x017F;am das<lb/>
Ende vom Liede in meiner Mutter Reden, ich mag<lb/>
&#x017F;agen was ich will. Die Lehre kriege ich &#x017F;owol<lb/>
als <hi rendition="#fr">Sie,</hi></p><lb/>
          <p>Jch kan nicht leugnen, daß der Gehor&#x017F;am<lb/>
gegen die Eltern eine wichtige und in Gottes<lb/>
Augen angenehme Pflicht eines Kindes &#x017F;ey: al-<lb/>
allein ich dancke GOtt, daß ich nicht Jhre Probe<lb/>
von die&#x017F;er Pflicht abzulegen habe. Wir alle &#x017F;ind &#x017F;o,<lb/>
&#x017F;o lange gut, als wir keine Ver&#x017F;uchung zum Bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en haben: das aber weiß ich, daß wenige jun-<lb/>
ge Frauenzimmer, die &#x017F;ich noch dazu &#x017F;elb&#x017F;t hel-<lb/>
fen ko&#x0364;nnen, dasjenige ertragen wu&#x0364;rden was Sie<lb/>
ertragen.</p><lb/>
          <p>Jch will nicht alles &#x017F;chreiben, was ich in mei-<lb/>
nem Hertzen von dem Verfahren Jhres Vaters,<lb/>
Jhrer Onckels, und Jhrer u&#x0364;brigen Anverwand-<lb/>
ten dencke, um Sie nicht zu beleidigen. Jch bilde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 3</fw><fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0313] der Clariſſa. tes Paar auszufinden. Erweckt etwan eine Neugier die andre? Jch glaube, daß dieſes die Urſache iſt. Sie fuhr fort Herrn Lovelaces Geſtalt, ſeine natuͤrliche Gaben, und ſeine durch Fleiß erwor- bene Geſchicklichkeit zu ruͤhmen. Allein das Ur- theil war doch endlich das Urtheil einer Mutter, das ſich eine Tochter ungern gefallen laͤſt. Sie konte aber wider Jhr Anerbieten, mit ihm zu bre- chen, und unverheyrathet zu bleiben, nichts ein- wenden; wenn nur, wenn (drey oder viermal wenn, wo einmal genug geweſen waͤre) wenn man ſich nur darauf verlaſſen koͤnte. Endlich bleibt doch der blinde Gehorſam das Ende vom Liede in meiner Mutter Reden, ich mag ſagen was ich will. Die Lehre kriege ich ſowol als Sie, Jch kan nicht leugnen, daß der Gehorſam gegen die Eltern eine wichtige und in Gottes Augen angenehme Pflicht eines Kindes ſey: al- allein ich dancke GOtt, daß ich nicht Jhre Probe von dieſer Pflicht abzulegen habe. Wir alle ſind ſo, ſo lange gut, als wir keine Verſuchung zum Boͤ- ſen haben: das aber weiß ich, daß wenige jun- ge Frauenzimmer, die ſich noch dazu ſelbſt hel- fen koͤnnen, dasjenige ertragen wuͤrden was Sie ertragen. Jch will nicht alles ſchreiben, was ich in mei- nem Hertzen von dem Verfahren Jhres Vaters, Jhrer Onckels, und Jhrer uͤbrigen Anverwand- ten dencke, um Sie nicht zu beleidigen. Jch bilde mir T 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/313
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/313>, abgerufen am 22.11.2024.