unerträglich ist? Nein gewiß nicht! Sein gan- tzes Betragen zeiget deutlich, daß er mich als eine Person ansiehet, die ihm im Wege stehet.
Die Gerechtigkeit selbst giebt mir einen Beruf, für einen Mann zu reden, den mein Bruder ge- nug gereitzt hat, und der dennoch nicht alles ge- than hat, was er thun konte, und was mein Bruder gethan haben würde. Jch glaube des- wegen, es würde nicht schlimm seyn, ihnen ein kleines Schrecken einzujagen, und sie mercken zu lassen, daß die bisher angewandten Mittel ihrem Endzweck gerade zuwider wären.
Jst es endlich wol eine grosse Schmeicheley oder ein Lob für Herrn Lovelace/ wenn ich geste- he, daß ich ihn dem Menschen vorziehe, mit dem sie mich bisher geschrecket haben. Fräulein Howe (dachte ich) tadelt mich deswegen, daß ich mich andern allzusehr zu Füssen werfe, und mir durch meine Gedult mehr Beleidigungen von meinem Bruder zuziehe. Jch will mir jetzt diese werthe Freundin zum Muster vorstellen; und um aller vorhin erwähnten Ursachen willen es versuchen, ob ich etwas dadurch gewinnen werde, wenn ich ein wenig von ihrem Muth annehme, es mag mich auch so sonderbar kleiden als es will.
So dachte ich, und schrieb folgendermassen an meinen Bruder, und an meine Schwester.
Mein Brief an meinen Bruder.
Da mir so begegnet wird, wie mir bisher be- gegnet ist, und da ihr grossentheils, wo nicht
ein-
Die Geſchichte
unertraͤglich iſt? Nein gewiß nicht! Sein gan- tzes Betragen zeiget deutlich, daß er mich als eine Perſon anſiehet, die ihm im Wege ſtehet.
Die Gerechtigkeit ſelbſt giebt mir einen Beruf, fuͤr einen Mann zu reden, den mein Bruder ge- nug gereitzt hat, und der dennoch nicht alles ge- than hat, was er thun konte, und was mein Bruder gethan haben wuͤrde. Jch glaube des- wegen, es wuͤrde nicht ſchlimm ſeyn, ihnen ein kleines Schrecken einzujagen, und ſie mercken zu laſſen, daß die bisher angewandten Mittel ihrem Endzweck gerade zuwider waͤren.
Jſt es endlich wol eine groſſe Schmeicheley oder ein Lob fuͤr Herrn Lovelace/ wenn ich geſte- he, daß ich ihn dem Menſchen vorziehe, mit dem ſie mich bisher geſchrecket haben. Fraͤulein Howe (dachte ich) tadelt mich deswegen, daß ich mich andern allzuſehr zu Fuͤſſen werfe, und mir durch meine Gedult mehr Beleidigungen von meinem Bruder zuziehe. Jch will mir jetzt dieſe werthe Freundin zum Muſter vorſtellen; und um aller vorhin erwaͤhnten Urſachen willen es verſuchen, ob ich etwas dadurch gewinnen werde, wenn ich ein wenig von ihrem Muth annehme, es mag mich auch ſo ſonderbar kleiden als es will.
So dachte ich, und ſchrieb folgendermaſſen an meinen Bruder, und an meine Schweſter.
Mein Brief an meinen Bruder.
Da mir ſo begegnet wird, wie mir bisher be- gegnet iſt, und da ihr groſſentheils, wo nicht
ein-
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Die Geſchichte
unertraͤglich iſt? Nein gewiß nicht! Sein gan-
tzes Betragen zeiget deutlich, daß er mich als eine
Perſon anſiehet, die ihm im Wege ſtehet.
Die Gerechtigkeit ſelbſt giebt mir einen Beruf,
fuͤr einen Mann zu reden, den mein Bruder ge-
nug gereitzt hat, und der dennoch nicht alles ge-
than hat, was er thun konte, und was mein
Bruder gethan haben wuͤrde. Jch glaube des-
wegen, es wuͤrde nicht ſchlimm ſeyn, ihnen ein
kleines Schrecken einzujagen, und ſie mercken zu
laſſen, daß die bisher angewandten Mittel ihrem
Endzweck gerade zuwider waͤren.
Jſt es endlich wol eine groſſe Schmeicheley
oder ein Lob fuͤr Herrn Lovelace/ wenn ich geſte-
he, daß ich ihn dem Menſchen vorziehe, mit dem
ſie mich bisher geſchrecket haben. Fraͤulein Howe
(dachte ich) tadelt mich deswegen, daß ich mich
andern allzuſehr zu Fuͤſſen werfe, und mir durch
meine Gedult mehr Beleidigungen von meinem
Bruder zuziehe. Jch will mir jetzt dieſe werthe
Freundin zum Muſter vorſtellen; und um aller
vorhin erwaͤhnten Urſachen willen es verſuchen,
ob ich etwas dadurch gewinnen werde, wenn ich
ein wenig von ihrem Muth annehme, es mag
mich auch ſo ſonderbar kleiden als es will.
So dachte ich, und ſchrieb folgendermaſſen
an meinen Bruder, und an meine Schweſter.
Mein Brief an meinen Bruder.
Da mir ſo begegnet wird, wie mir bisher be-
gegnet iſt, und da ihr groſſentheils, wo nicht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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