Wie würdet ihr es empfinden, wenn ihr einen Bruder hättet, und er wolte in eben dem Falle so mit euch umgehen, als ihr mit mir? Könt ihr euch noch der Laconischen Antwort erinnern, die ihr meinem Vater gabt, als er euch die Fräulein D'Oily vorschlug? Jch kan sie nicht leiden! waren eure Worte; und diese Antwort ward damals für zulänglich gehalten.
Jhr müst genugsam wissen, daß mir der Ur- heber meines schimpflichen Unglücks nicht un- bekant seyn kan. Jch darf mich nur erinnern, wie gütig sonst mein Vater gegen mich gewesen ist, und mir erlaubet hat, andere Partheyen aus- zuschlagen. Jch werde wol rathen können, von wem es herkommt, daß man eine gemeinschaftli- che Sache daraus macht, mir einen Freyer auf- zudringen, gegen dessen Person und Sitten mehr einzuwenden ist, als gegen irgend einen der Herren, deren Antrag ich habe verbitten dürfen.
Jch verlange die beyden Leute nicht mit ein- ander zu vergleichen: und in der That ist auch keine Vergleichung möglich. Der gantze Unter- scheid, der dem einen zum Nachtheil gereicht, be- trifft nur einen eintzigen Punct. Dieser ist zwar wichtig genug: allein für wen ist er am wichtig- sten? Jch dencke doch, für mich! (wenn ich an- ders Lust zu ihm hätte) und nicht für euch. Jndessen solt ihr finden, daß ich diesem Herrn eben so völlig entsagen will, als dem andern,
wenn
Die Geſchichte
ſondern was billig iſt mir aufgelegt zu wer- den.
Wie wuͤrdet ihr es empfinden, wenn ihr einen Bruder haͤttet, und er wolte in eben dem Falle ſo mit euch umgehen, als ihr mit mir? Koͤnt ihr euch noch der Laconiſchen Antwort erinnern, die ihr meinem Vater gabt, als er euch die Fraͤulein D'Oily vorſchlug? Jch kan ſie nicht leiden! waren eure Worte; und dieſe Antwort ward damals fuͤr zulaͤnglich gehalten.
Jhr muͤſt genugſam wiſſen, daß mir der Ur- heber meines ſchimpflichen Ungluͤcks nicht un- bekant ſeyn kan. Jch darf mich nur erinnern, wie guͤtig ſonſt mein Vater gegen mich geweſen iſt, und mir erlaubet hat, andere Partheyen aus- zuſchlagen. Jch werde wol rathen koͤnnen, von wem es herkommt, daß man eine gemeinſchaftli- che Sache daraus macht, mir einen Freyer auf- zudringen, gegen deſſen Perſon und Sitten mehr einzuwenden iſt, als gegen irgend einen der Herren, deren Antrag ich habe verbitten duͤrfen.
Jch verlange die beyden Leute nicht mit ein- ander zu vergleichen: und in der That iſt auch keine Vergleichung moͤglich. Der gantze Unter- ſcheid, der dem einen zum Nachtheil gereicht, be- trifft nur einen eintzigen Punct. Dieſer iſt zwar wichtig genug: allein fuͤr wen iſt er am wichtig- ſten? Jch dencke doch, fuͤr mich! (wenn ich an- ders Luſt zu ihm haͤtte) und nicht fuͤr euch. Jndeſſen ſolt ihr finden, daß ich dieſem Herrn eben ſo voͤllig entſagen will, als dem andern,
wenn
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Die Geſchichte
ſondern was billig iſt mir aufgelegt zu wer-
den.
Wie wuͤrdet ihr es empfinden, wenn ihr einen
Bruder haͤttet, und er wolte in eben dem Falle
ſo mit euch umgehen, als ihr mit mir? Koͤnt
ihr euch noch der Laconiſchen Antwort erinnern,
die ihr meinem Vater gabt, als er euch die
Fraͤulein D'Oily vorſchlug? Jch kan ſie nicht
leiden! waren eure Worte; und dieſe Antwort
ward damals fuͤr zulaͤnglich gehalten.
Jhr muͤſt genugſam wiſſen, daß mir der Ur-
heber meines ſchimpflichen Ungluͤcks nicht un-
bekant ſeyn kan. Jch darf mich nur erinnern,
wie guͤtig ſonſt mein Vater gegen mich geweſen
iſt, und mir erlaubet hat, andere Partheyen aus-
zuſchlagen. Jch werde wol rathen koͤnnen, von
wem es herkommt, daß man eine gemeinſchaftli-
che Sache daraus macht, mir einen Freyer auf-
zudringen, gegen deſſen Perſon und Sitten mehr
einzuwenden iſt, als gegen irgend einen der
Herren, deren Antrag ich habe verbitten duͤrfen.
Jch verlange die beyden Leute nicht mit ein-
ander zu vergleichen: und in der That iſt auch
keine Vergleichung moͤglich. Der gantze Unter-
ſcheid, der dem einen zum Nachtheil gereicht, be-
trifft nur einen eintzigen Punct. Dieſer iſt zwar
wichtig genug: allein fuͤr wen iſt er am wichtig-
ſten? Jch dencke doch, fuͤr mich! (wenn ich an-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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