sehr grosse Beschuldigung: allein ist nicht bey dem andern ein eben so lasterhafter Haß die Haupt-Un- tugend? Jst nicht seine Liebe ebenfals ein Laster? wenn es anders noch wahr bleibt, daß die Liebe des Geldes eine Wurtzel alles Uebels ist.
Wenn ich nun aber von einem andern einge- nommen bin, was hat denn Herr Solmes für Hoffnung? Warum soll er noch weiter anhalten? Was muß ich von einem Manne gedencken, der mich wieder meinen Willen in seine Gewalt zu be- kommen sucht? Jst es nicht etwas ungereimtes, daß mich meine Freunde zwingen wollen, einen zu nehmen, den ich nicht lieben kan, und sich doch nicht ausreden lassen wollen, daß ein anderer Mann mit mir bekannt sey, den ich liebe.
So wie mir begegnet wird, muß ich entweder jetzt oder niemals den Mund aufthun, und von dem Hertzen wegsprechen. Jch will alles die Mu- sterung paßiren lassen, worauf Herr Solmes hoffen kan. Meynet er, daß der Schimpf, den ich um seinetwillen erdulde, ihn mir beliebter macht? Meynet er, meine Hochachtung dadurch zu erlan- gen, daß meine Onckles verdrießlich gegen mich sind, daß mein Bruder mir verächtlich begegnet, daß meine Schwester unfreundlich ist, daß mir verboten ist Besuch zu geben oder anzunehmen, ja so gar mit meiner besten Freundin Briefe zu wechseln, ob sie gleich eine Person meines Ge- schlechts ist, gegen deren Verstand u. Aufführung sich nichts einwenden läst, daß ich eingesperret u. be- schimpfet werde, daß man sogar öffentlich vorgiebt,
es
der Clariſſa.
ſehr groſſe Beſchuldigung: allein iſt nicht bey dem andern ein eben ſo laſterhafter Haß die Haupt-Un- tugend? Jſt nicht ſeine Liebe ebenfals ein Laſter? wenn es anders noch wahr bleibt, daß die Liebe des Geldes eine Wurtzel alles Uebels iſt.
Wenn ich nun aber von einem andern einge- nommen bin, was hat denn Herr Solmes fuͤr Hoffnung? Warum ſoll er noch weiter anhalten? Was muß ich von einem Manne gedencken, der mich wieder meinen Willen in ſeine Gewalt zu be- kommen ſucht? Jſt es nicht etwas ungereimtes, daß mich meine Freunde zwingen wollen, einen zu nehmen, den ich nicht lieben kan, und ſich doch nicht ausreden laſſen wollen, daß ein anderer Mann mit mir bekannt ſey, den ich liebe.
So wie mir begegnet wird, muß ich entweder jetzt oder niemals den Mund aufthun, und von dem Hertzen wegſprechen. Jch will alles die Mu- ſterung paßiren laſſen, worauf Herr Solmes hoffen kan. Meynet er, daß der Schimpf, den ich um ſeinetwillen erdulde, ihn miꝛ beliebteꝛ macht? Meynet er, meine Hochachtung dadurch zu erlan- gen, daß meine Onckles verdrießlich gegen mich ſind, daß mein Bruder mir veraͤchtlich begegnet, daß meine Schweſter unfreundlich iſt, daß mir verboten iſt Beſuch zu geben oder anzunehmen, ja ſo gar mit meiner beſten Freundin Briefe zu wechſeln, ob ſie gleich eine Perſon meines Ge- ſchlechts iſt, gegen deren Verſtand u. Auffuͤhrung ſich nichts einwendẽ laͤſt, daß ich eingeſperret u. be- ſchimpfet weꝛde, daß man ſogaꝛ oͤffentlich voꝛgiebt,
es
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der Clariſſa.
ſehr groſſe Beſchuldigung: allein iſt nicht bey dem
andern ein eben ſo laſterhafter Haß die Haupt-Un-
tugend? Jſt nicht ſeine Liebe ebenfals ein Laſter?
wenn es anders noch wahr bleibt, daß die Liebe
des Geldes eine Wurtzel alles Uebels iſt.
Wenn ich nun aber von einem andern einge-
nommen bin, was hat denn Herr Solmes fuͤr
Hoffnung? Warum ſoll er noch weiter anhalten?
Was muß ich von einem Manne gedencken, der
mich wieder meinen Willen in ſeine Gewalt zu be-
kommen ſucht? Jſt es nicht etwas ungereimtes,
daß mich meine Freunde zwingen wollen, einen zu
nehmen, den ich nicht lieben kan, und ſich doch
nicht ausreden laſſen wollen, daß ein anderer
Mann mit mir bekannt ſey, den ich liebe.
So wie mir begegnet wird, muß ich entweder
jetzt oder niemals den Mund aufthun, und von
dem Hertzen wegſprechen. Jch will alles die Mu-
ſterung paßiren laſſen, worauf Herr Solmes
hoffen kan. Meynet er, daß der Schimpf, den
ich um ſeinetwillen erdulde, ihn miꝛ beliebteꝛ macht?
Meynet er, meine Hochachtung dadurch zu erlan-
gen, daß meine Onckles verdrießlich gegen mich
ſind, daß mein Bruder mir veraͤchtlich begegnet,
daß meine Schweſter unfreundlich iſt, daß mir
verboten iſt Beſuch zu geben oder anzunehmen,
ja ſo gar mit meiner beſten Freundin Briefe zu
wechſeln, ob ſie gleich eine Perſon meines Ge-
ſchlechts iſt, gegen deren Verſtand u. Auffuͤhrung
ſich nichts einwendẽ laͤſt, daß ich eingeſperret u. be-
ſchimpfet weꝛde, daß man ſogaꝛ oͤffentlich voꝛgiebt,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/371>, abgerufen am 24.11.2024.
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