meines Brieffes an Solmes zugesandt hat. Jch meinte es wäre möglich, den Menschen muthloß zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver- lohren gäbe: als denn würden alle meine Wünsche erfüllet seyn. Es verlohnet sich der Mühe, es zum wenigsten zu versuchen. Sie werden aber sehen, daß alle Mittel vergeblich sind Mein Bruder hat sich auf allen Seiten allzuwohl vorgesehen.
An Juncker Roger Solmes. Mein Herr
Mittewochens den 15. Märtz
Sie werden sich darüber verwundern, daß Sie einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei- nen Brieff von einem so ungewöhnlichen Jnhalt. Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich entschuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff nicht mit einer weitläuffigen Schutz-Schrifft an- fangen.
Als Sie zuerst in meines Vaters Hause bekannt wurden, fanden Sie mich in den glücklichsten und vergnügtesten Umständen von der Welt. Meine lieben und gütigen Eltern liebeten mich zärtlich, und freueten sich darüber, daß mich zwey väterlich- gesinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und fast alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.
Allein wie sehr ist dieses Lust-Spiel zum Trauer- Spiel geworden! Sie beliebten ein günstiges Auge auf mich zu werfen: Sie eröffneten dieses meinen Ereunden, und diese billigten Jhre Vorfchläge oh-
ne
Die Geſchichte
meines Brieffes an Solmes zugeſandt hat. Jch meinte es waͤre moͤglich, den Menſchen muthloß zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver- lohren gaͤbe: als denn wuͤrden alle meine Wuͤnſche erfuͤllet ſeyn. Es verlohnet ſich der Muͤhe, es zum wenigſten zu verſuchen. Sie werden aber ſehen, daß alle Mittel vergeblich ſind Mein Bruder hat ſich auf allen Seiten allzuwohl vorgeſehen.
An Juncker Roger Solmes. Mein Herr
Mittewochens den 15. Maͤrtz
Sie werden ſich daruͤber verwundern, daß Sie einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei- nen Brieff von einem ſo ungewoͤhnlichen Jnhalt. Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich entſchuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff nicht mit einer weitlaͤuffigen Schutz-Schrifft an- fangen.
Als Sie zuerſt in meines Vaters Hauſe bekannt wurden, fanden Sie mich in den gluͤcklichſten und vergnuͤgteſten Umſtaͤnden von der Welt. Meine lieben und guͤtigen Eltern liebeten mich zaͤrtlich, und freueten ſich daruͤber, daß mich zwey vaͤterlich- geſinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und faſt alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.
Allein wie ſehr iſt dieſes Luſt-Spiel zum Trauer- Spiel geworden! Sie beliebten ein guͤnſtiges Auge auf mich zu werfen: Sie eroͤffneten dieſes meinen Ereunden, und dieſe billigten Jhre Vorfchlaͤge oh-
ne
<TEI><text><body><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0396"n="376"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
meines Brieffes an <hirendition="#fr">Solmes</hi> zugeſandt hat. Jch<lb/>
meinte es waͤre moͤglich, den Menſchen muthloß<lb/>
zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver-<lb/>
lohren gaͤbe: als denn wuͤrden alle meine Wuͤnſche<lb/>
erfuͤllet ſeyn. Es verlohnet ſich der Muͤhe, es zum<lb/>
wenigſten zu verſuchen. Sie werden aber ſehen,<lb/>
daß alle Mittel vergeblich ſind Mein Bruder<lb/>
hat ſich auf allen Seiten allzuwohl vorgeſehen.</p></div><lb/><div><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">An Juncker Roger Solmes.<lb/>
Mein Herr</hi></hi></salute><lb/><dateline><hirendition="#et">Mittewochens den 15. Maͤrtz</hi></dateline><lb/><p>Sie werden ſich daruͤber verwundern, daß Sie<lb/>
einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei-<lb/>
nen Brieff von einem ſo ungewoͤhnlichen Jnhalt.<lb/>
Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich<lb/>
entſchuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach<lb/>
meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff<lb/>
nicht mit einer weitlaͤuffigen Schutz-Schrifft an-<lb/>
fangen.</p><lb/><p>Als Sie zuerſt in meines Vaters Hauſe bekannt<lb/>
wurden, fanden Sie mich in den gluͤcklichſten und<lb/>
vergnuͤgteſten Umſtaͤnden von der Welt. Meine<lb/>
lieben und guͤtigen Eltern liebeten mich zaͤrtlich,<lb/>
und freueten ſich daruͤber, daß mich zwey vaͤterlich-<lb/>
geſinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und faſt<lb/>
alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.</p><lb/><p>Allein wie ſehr iſt dieſes Luſt-Spiel zum Trauer-<lb/>
Spiel geworden! Sie beliebten ein guͤnſtiges Auge<lb/>
auf mich zu werfen: Sie eroͤffneten dieſes meinen<lb/>
Ereunden, und dieſe billigten Jhre Vorfchlaͤge oh-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ne</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[376/0396]
Die Geſchichte
meines Brieffes an Solmes zugeſandt hat. Jch
meinte es waͤre moͤglich, den Menſchen muthloß
zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver-
lohren gaͤbe: als denn wuͤrden alle meine Wuͤnſche
erfuͤllet ſeyn. Es verlohnet ſich der Muͤhe, es zum
wenigſten zu verſuchen. Sie werden aber ſehen,
daß alle Mittel vergeblich ſind Mein Bruder
hat ſich auf allen Seiten allzuwohl vorgeſehen.
An Juncker Roger Solmes.
Mein Herr
Mittewochens den 15. Maͤrtz
Sie werden ſich daruͤber verwundern, daß Sie
einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei-
nen Brieff von einem ſo ungewoͤhnlichen Jnhalt.
Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich
entſchuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach
meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff
nicht mit einer weitlaͤuffigen Schutz-Schrifft an-
fangen.
Als Sie zuerſt in meines Vaters Hauſe bekannt
wurden, fanden Sie mich in den gluͤcklichſten und
vergnuͤgteſten Umſtaͤnden von der Welt. Meine
lieben und guͤtigen Eltern liebeten mich zaͤrtlich,
und freueten ſich daruͤber, daß mich zwey vaͤterlich-
geſinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und faſt
alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.
Allein wie ſehr iſt dieſes Luſt-Spiel zum Trauer-
Spiel geworden! Sie beliebten ein guͤnſtiges Auge
auf mich zu werfen: Sie eroͤffneten dieſes meinen
Ereunden, und dieſe billigten Jhre Vorfchlaͤge oh-
ne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/396>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.