Groß-Vaters; und aus Rachgier gegen ihn, weil er dem das Leben geschenckt hätte, der ihm das Leben hätte nehmen wollen, und der ihm ietzt eine Hoffnung rauben wollte, die er höher als das Leben schätzte. Er wiße wohl, daß mich der Ge- horsahm gegen meine Eltern, darin ich andern ein Muster wäre, geneigt machte, gegen andere meine Pflicht zu erfüllen, wenn sie gleich ihrer Pflicht gegen mich vergäßen.
Jch antwortete ihm: er könnte vest versichert seyn, daß die Meinigen durch Härte ihren Zweck bey mir nicht erreichen würden. Ob ich gleich von gantzem Hertzen und aufrichtig gesonnen wäre, lieber unverheyrathet zu bleiben; und ob ich gleich heilig versprechen könnte; wenn ich ja heyrathen sollte, und sie mir nur meine Freyheit ließen, daß ich alsdenn die Person nie wählen wolle, die ih- nen misfällig wäre - -
Er fiel mir in die Rede: ich würde ihm verge- ben! er könnte seinen grossen Kummer nicht ver- heelen, wenn er nach so vielen Proben seiner Lie- be und recht folgsahmen Ergebenheit - - -
Mit Erlaubniß, daß ich ihnen wider in die Re- de falle! (sagte ich) warum behaupten sie nicht mit deutlichern Worten, daß ich ihnen sehr ver- pflichtet bin? Warum sagen sie nicht eben so nachdrücklich, als sie es jetzt zu verstehen gaben, daß ich ihnen für ihre Beständigkeit, darüber ich mit allen den Meinigen zerfallen bin, sehr vielen Danck schuldig bin, und daß es für eine Undanck- barkeit anzusehen sey, wenn ich diese Beständig- keit nicht nach ihrem Wunsch belohne?
Er
Die Geſchichte
Groß-Vaters; und aus Rachgier gegen ihn, weil er dem das Leben geſchenckt haͤtte, der ihm das Leben haͤtte nehmen wollen, und der ihm ietzt eine Hoffnung rauben wollte, die er hoͤher als das Leben ſchaͤtzte. Er wiße wohl, daß mich der Ge- horſahm gegen meine Eltern, darin ich andern ein Muſter waͤre, geneigt machte, gegen andere meine Pflicht zu erfuͤllen, wenn ſie gleich ihrer Pflicht gegen mich vergaͤßen.
Jch antwortete ihm: er koͤnnte veſt verſichert ſeyn, daß die Meinigen durch Haͤrte ihren Zweck bey mir nicht erreichen wuͤrden. Ob ich gleich von gantzem Hertzen und aufrichtig geſonnen waͤre, lieber unverheyrathet zu bleiben; und ob ich gleich heilig verſprechen koͤnnte; wenn ich ja heyrathen ſollte, und ſie mir nur meine Freyheit ließen, daß ich alsdenn die Perſon nie waͤhlen wolle, die ih- nen misfaͤllig waͤre ‒ ‒
Er fiel mir in die Rede: ich wuͤrde ihm verge- ben! er koͤnnte ſeinen groſſen Kummer nicht ver- heelen, wenn er nach ſo vielen Proben ſeiner Lie- be und recht folgſahmen Ergebenheit ‒ ‒ ‒
Mit Erlaubniß, daß ich ihnen wider in die Re- de falle! (ſagte ich) warum behaupten ſie nicht mit deutlichern Worten, daß ich ihnen ſehr ver- pflichtet bin? Warum ſagen ſie nicht eben ſo nachdruͤcklich, als ſie es jetzt zu verſtehen gaben, daß ich ihnen fuͤr ihre Beſtaͤndigkeit, daruͤber ich mit allen den Meinigen zerfallen bin, ſehr vielen Danck ſchuldig bin, und daß es fuͤr eine Undanck- barkeit anzuſehen ſey, wenn ich dieſe Beſtaͤndig- keit nicht nach ihrem Wunſch belohne?
Er
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Die Geſchichte
Groß-Vaters; und aus Rachgier gegen ihn,
weil er dem das Leben geſchenckt haͤtte, der ihm
das Leben haͤtte nehmen wollen, und der ihm ietzt
eine Hoffnung rauben wollte, die er hoͤher als das
Leben ſchaͤtzte. Er wiße wohl, daß mich der Ge-
horſahm gegen meine Eltern, darin ich andern
ein Muſter waͤre, geneigt machte, gegen andere
meine Pflicht zu erfuͤllen, wenn ſie gleich ihrer
Pflicht gegen mich vergaͤßen.
Jch antwortete ihm: er koͤnnte veſt verſichert
ſeyn, daß die Meinigen durch Haͤrte ihren Zweck
bey mir nicht erreichen wuͤrden. Ob ich gleich von
gantzem Hertzen und aufrichtig geſonnen waͤre,
lieber unverheyrathet zu bleiben; und ob ich gleich
heilig verſprechen koͤnnte; wenn ich ja heyrathen
ſollte, und ſie mir nur meine Freyheit ließen, daß
ich alsdenn die Perſon nie waͤhlen wolle, die ih-
nen misfaͤllig waͤre ‒ ‒
Er fiel mir in die Rede: ich wuͤrde ihm verge-
ben! er koͤnnte ſeinen groſſen Kummer nicht ver-
heelen, wenn er nach ſo vielen Proben ſeiner Lie-
be und recht folgſahmen Ergebenheit ‒ ‒ ‒
Mit Erlaubniß, daß ich ihnen wider in die Re-
de falle! (ſagte ich) warum behaupten ſie nicht
mit deutlichern Worten, daß ich ihnen ſehr ver-
pflichtet bin? Warum ſagen ſie nicht eben ſo
nachdruͤcklich, als ſie es jetzt zu verſtehen gaben,
daß ich ihnen fuͤr ihre Beſtaͤndigkeit, daruͤber ich
mit allen den Meinigen zerfallen bin, ſehr vielen
Danck ſchuldig bin, und daß es fuͤr eine Undanck-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/420>, abgerufen am 27.11.2024.
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