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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
Manne fliehen, den man nur in einem solchem
Verdacht haben muß? Wie übel, wie unver-
antwortlich handeln Eltern, wenn sie ein Kind
zwingen, bessere Gedancken von einem Manne
zu fassen, den es sonst kaum für mittelmäßig
angesehen haben würde, damit es eine unerträg-
lichere Parthey vermeyden möge!

Jch habe gesagt, daß ich ihn für rachgierig an-
sehe. Es ist mir in der That oft der Gedancke
beygefallen, das vielleicht seine Beständigkeit in
der Zuneigung zu mir dadurch vermehrt worden
sey, weil er findet, daß dieses den Meinigen
sehr verdrüßlich ist. Von der Zeit an, da er dieses
gemerckt hat, ist er viel eyfriger geworden, ohne
sich um die Gunst der Meinigen zu bewerben,
denen er vielmehr Trotz bietet. Er will zwar, daß
ich hieraus schliessen soll, daß er keine gewinnsüch-
tigen Absichten habe: denn das kann er nicht ver-
langen, daß ich es für ein Zeichen seiner Wohlge-
zogenheit ansehen soll. Zu jenem giebt ihm das
einen Vorwand, daß er wohl weiß, daß die Mei-
nigen im Stande sind eine demüthige Höflichkeit
genugsahm zu belohnen. Es ist wahr, er sagt mit
gutem Grunde, daß die allerdemüthigste Unter-
werffung von den Meinigen nicht angenomen wer-
den würde: (und wenn dieses nicht wäre, so wäre
es mir auch nicht möglich, mit ihm Geduld zu ha-
ben) er erbietet sich auch um meinetwillen dazu, daß
er eine Aussöhnung suchen wollte, wenn ich glaub-
te daß er etwas erhalten könnte. Sein Betragen
in der Kirche scheint mir nicht völlig untadelhaft

zu

Die Geſchichte
Manne fliehen, den man nur in einem ſolchem
Verdacht haben muß? Wie uͤbel, wie unver-
antwortlich handeln Eltern, wenn ſie ein Kind
zwingen, beſſere Gedancken von einem Manne
zu faſſen, den es ſonſt kaum fuͤr mittelmaͤßig
angeſehen haben wuͤrde, damit es eine unertraͤg-
lichere Parthey vermeyden moͤge!

Jch habe geſagt, daß ich ihn fuͤr rachgierig an-
ſehe. Es iſt mir in der That oft der Gedancke
beygefallen, das vielleicht ſeine Beſtaͤndigkeit in
der Zuneigung zu mir dadurch vermehrt worden
ſey, weil er findet, daß dieſes den Meinigen
ſehr verdruͤßlich iſt. Von der Zeit an, da er dieſes
gemerckt hat, iſt er viel eyfriger geworden, ohne
ſich um die Gunſt der Meinigen zu bewerben,
denen er vielmehr Trotz bietet. Er will zwar, daß
ich hieraus ſchlieſſen ſoll, daß er keine gewinnſuͤch-
tigen Abſichten habe: denn das kann er nicht ver-
langen, daß ich es fuͤr ein Zeichen ſeiner Wohlge-
zogenheit anſehen ſoll. Zu jenem giebt ihm das
einen Vorwand, daß er wohl weiß, daß die Mei-
nigen im Stande ſind eine demuͤthige Hoͤflichkeit
genugſahm zu belohnen. Es iſt wahr, er ſagt mit
gutem Grunde, daß die allerdemuͤthigſte Unter-
werffung von den Meinigen nicht angenomen wer-
den wuͤrde: (und wenn dieſes nicht waͤre, ſo waͤre
es mir auch nicht moͤglich, mit ihm Geduld zu ha-
ben) er erbietet ſich auch um meinetwillen dazu, daß
er eine Ausſoͤhnung ſuchen wollte, wenn ich glaub-
te daß er etwas erhalten koͤnnte. Sein Betragen
in der Kirche ſcheint mir nicht voͤllig untadelhaft

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[456/0476] Die Geſchichte Manne fliehen, den man nur in einem ſolchem Verdacht haben muß? Wie uͤbel, wie unver- antwortlich handeln Eltern, wenn ſie ein Kind zwingen, beſſere Gedancken von einem Manne zu faſſen, den es ſonſt kaum fuͤr mittelmaͤßig angeſehen haben wuͤrde, damit es eine unertraͤg- lichere Parthey vermeyden moͤge! Jch habe geſagt, daß ich ihn fuͤr rachgierig an- ſehe. Es iſt mir in der That oft der Gedancke beygefallen, das vielleicht ſeine Beſtaͤndigkeit in der Zuneigung zu mir dadurch vermehrt worden ſey, weil er findet, daß dieſes den Meinigen ſehr verdruͤßlich iſt. Von der Zeit an, da er dieſes gemerckt hat, iſt er viel eyfriger geworden, ohne ſich um die Gunſt der Meinigen zu bewerben, denen er vielmehr Trotz bietet. Er will zwar, daß ich hieraus ſchlieſſen ſoll, daß er keine gewinnſuͤch- tigen Abſichten habe: denn das kann er nicht ver- langen, daß ich es fuͤr ein Zeichen ſeiner Wohlge- zogenheit anſehen ſoll. Zu jenem giebt ihm das einen Vorwand, daß er wohl weiß, daß die Mei- nigen im Stande ſind eine demuͤthige Hoͤflichkeit genugſahm zu belohnen. Es iſt wahr, er ſagt mit gutem Grunde, daß die allerdemuͤthigſte Unter- werffung von den Meinigen nicht angenomen wer- den wuͤrde: (und wenn dieſes nicht waͤre, ſo waͤre es mir auch nicht moͤglich, mit ihm Geduld zu ha- ben) er erbietet ſich auch um meinetwillen dazu, daß er eine Ausſoͤhnung ſuchen wollte, wenn ich glaub- te daß er etwas erhalten koͤnnte. Sein Betragen in der Kirche ſcheint mir nicht voͤllig untadelhaft zu

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/476>, abgerufen am 24.11.2024.