den Degen zu ziehen, und da er sich dessen aus Hochachtung gegen mich gewegert, ihm gedrohet, er wolle ihn für keinen ehrlichen Kerl halten, wenn er nicht zöge: und bis ich mittelst aller nur ersinn- lichen Nachfragen völlig versichert ward daß er in den Händeln mit meines Vaters Brüdern abermals der angegriffene Theil gewesen, und zwar auf eine noch gewaltthätigere Weise, als ich gemeldet habe.
Herr Symmes erzehlte zwar meinem Vater und übrigen Freunden eben diese Umstände: aber sie hatten schon zu viel Theil an dem Streit ge- nommen, als daß sie mit Ehren hätten zurück kom- men oder vergeben können. Mir ward daher ver- boten, mit ihm Briefe zu wechseln, oder mich einen Augenblick in seiner Gesellschaft finden zu lassen.
Aber noch einen Umstand muß ich im Ver- trauen melden: denn meine Mutter hat mir ver- boten, etwas davon zu erwähnen. Meine Mutter bezeugte gegen mich ihre Sorge wegen der üblen Folgen so die Herrn Lovelace widerfahrne Be- schimpfungen haben könnten, und überließ es mei- ner eigenen Ueberlegung und Vorsichtigkeit, dem bevorstehenden Unglück wenigstens auf der einen Seite vorzubeugen so viel ich könnte.
Jch muß hier abbrechen: ich glaube aber daß ich ihrem Befehl und Absichten völliges Gnügen geleistet habe. Es stehet sonst einem Kinde nicht zu, daß es seine Aufführung gleichsam auf Un- kosten derer rechtfertige, denen wir die gröste Ehr- erbietung schuldig sind: da ich aber weiß, daß jede
mich
Die Geſchichte
den Degen zu ziehen, und da er ſich deſſen aus Hochachtung gegen mich gewegert, ihm gedrohet, er wolle ihn fuͤr keinen ehrlichen Kerl halten, wenn er nicht zoͤge: und bis ich mittelſt aller nur erſinn- lichen Nachfragen voͤllig verſichert ward daß er in den Haͤndeln mit meines Vaters Bruͤdern abermals der angegriffene Theil geweſen, und zwar auf eine noch gewaltthaͤtigere Weiſe, als ich gemeldet habe.
Herr Symmes erzehlte zwar meinem Vater und uͤbrigen Freunden eben dieſe Umſtaͤnde: aber ſie hatten ſchon zu viel Theil an dem Streit ge- nommen, als daß ſie mit Ehren haͤtten zuruͤck kom- men oder vergeben koͤnnen. Mir ward daher ver- boten, mit ihm Briefe zu wechſeln, oder mich einen Augenblick in ſeiner Geſellſchaft finden zu laſſen.
Aber noch einen Umſtand muß ich im Ver- trauen melden: denn meine Mutter hat mir ver- boten, etwas davon zu erwaͤhnen. Meine Mutter bezeugte gegen mich ihre Sorge wegen der uͤblen Folgen ſo die Herrn Lovelace widerfahrne Be- ſchimpfungen haben koͤnnten, und uͤberließ es mei- ner eigenen Ueberlegung und Vorſichtigkeit, dem bevorſtehenden Ungluͤck wenigſtens auf der einen Seite vorzubeugen ſo viel ich koͤnnte.
Jch muß hier abbrechen: ich glaube aber daß ich ihrem Befehl und Abſichten voͤlliges Gnuͤgen geleiſtet habe. Es ſtehet ſonſt einem Kinde nicht zu, daß es ſeine Auffuͤhrung gleichſam auf Un- koſten derer rechtfertige, denen wir die groͤſte Ehr- erbietung ſchuldig ſind: da ich aber weiß, daß jede
mich
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Die Geſchichte
den Degen zu ziehen, und da er ſich deſſen aus
Hochachtung gegen mich gewegert, ihm gedrohet,
er wolle ihn fuͤr keinen ehrlichen Kerl halten, wenn
er nicht zoͤge: und bis ich mittelſt aller nur erſinn-
lichen Nachfragen voͤllig verſichert ward daß er
in den Haͤndeln mit meines Vaters Bruͤdern
abermals der angegriffene Theil geweſen, und
zwar auf eine noch gewaltthaͤtigere Weiſe, als
ich gemeldet habe.
Herr Symmes erzehlte zwar meinem Vater
und uͤbrigen Freunden eben dieſe Umſtaͤnde: aber
ſie hatten ſchon zu viel Theil an dem Streit ge-
nommen, als daß ſie mit Ehren haͤtten zuruͤck kom-
men oder vergeben koͤnnen. Mir ward daher ver-
boten, mit ihm Briefe zu wechſeln, oder mich einen
Augenblick in ſeiner Geſellſchaft finden zu laſſen.
Aber noch einen Umſtand muß ich im Ver-
trauen melden: denn meine Mutter hat mir ver-
boten, etwas davon zu erwaͤhnen. Meine Mutter
bezeugte gegen mich ihre Sorge wegen der uͤblen
Folgen ſo die Herrn Lovelace widerfahrne Be-
ſchimpfungen haben koͤnnten, und uͤberließ es mei-
ner eigenen Ueberlegung und Vorſichtigkeit, dem
bevorſtehenden Ungluͤck wenigſtens auf der einen
Seite vorzubeugen ſo viel ich koͤnnte.
Jch muß hier abbrechen: ich glaube aber daß
ich ihrem Befehl und Abſichten voͤlliges Gnuͤgen
geleiſtet habe. Es ſtehet ſonſt einem Kinde nicht
zu, daß es ſeine Auffuͤhrung gleichſam auf Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/64>, abgerufen am 27.11.2024.
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