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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.

"Er bemerckt, daß ein jedes edles Gemüth
"allen Zwang hasse. Er gehet dieser Betrach-
"tung weiter nach, und bedauert endlich, daß es
"scheine, als wenn er alle Hoffnung auf mich
"blos dem Zwang der Meinigen zu dancken ha-
"be, dem gantz unvernünftigen Zwange, wie
"er ihn mit Recht nennet, und gar nicht meiner
"Hochachtung für ihn. Und dennoch meint er
"einige Verdienste zu haben, nemlich einen blin-
"den Gehorsam gegen meinen Willen: eine an-
"haltende Geduld, bey den täglichen Beleidi-
"gungen meines Bruders, die nicht blos auf ihn
"selbst, sondern auch auf seine Anverwanten
"giengen: und die vielen Nächte, die er meinet-
"wegen gewachet hätte, nebst der Gefahr und
"allen Beschwerlichkeiten des Wetters, die er da-
"bey auszustehen hätte. Seine jetzige Unpäß-
"lichkeit erinnere ihn hieran, sonst würde er durch
"eine Erzählung, die nach der Eigenliebe schme-
"cke, die recht edle Liebe, die er gegen mich em-
"pfinde, nicht entehret haben."

Jch kan nicht leugnen, es daurt mich, daß er
unpäßlich ist. Jch scheue mich, Sie zu fragen,
was Sie in gleichen Umständen thun würden.
Was ich gethan habe, das habe ich gethan! Kurtz!
ich habe geschrieben: ich wollte mich wenn es
möglich wäre Morgen Abend zwischen neun und
zwölff Uhr mit ihm unterreden. Es sollte bey
oder in der Laube geschehen, oder bey der gros-
sen Cascade am Ende des Gartens. Die
Thür wollte ich aufriegeln, damit er nur auf-

schlies-
der Clariſſa.

„Er bemerckt, daß ein jedes edles Gemuͤth
„allen Zwang haſſe. Er gehet dieſer Betrach-
„tung weiter nach, und bedauert endlich, daß es
„ſcheine, als wenn er alle Hoffnung auf mich
„blos dem Zwang der Meinigen zu dancken ha-
„be, dem gantz unvernuͤnftigen Zwange, wie
„er ihn mit Recht nennet, und gar nicht meiner
„Hochachtung fuͤr ihn. Und dennoch meint er
„einige Verdienſte zu haben, nemlich einen blin-
„den Gehorſam gegen meinen Willen: eine an-
„haltende Geduld, bey den taͤglichen Beleidi-
„gungen meines Bruders, die nicht blos auf ihn
„ſelbſt, ſondern auch auf ſeine Anverwanten
„giengen: und die vielen Naͤchte, die er meinet-
„wegen gewachet haͤtte, nebſt der Gefahr und
„allen Beſchwerlichkeiten des Wetters, die er da-
„bey auszuſtehen haͤtte. Seine jetzige Unpaͤß-
„lichkeit erinnere ihn hieran, ſonſt wuͤrde er durch
„eine Erzaͤhlung, die nach der Eigenliebe ſchme-
„cke, die recht edle Liebe, die er gegen mich em-
„pfinde, nicht entehret haben.„

Jch kan nicht leugnen, es daurt mich, daß er
unpaͤßlich iſt. Jch ſcheue mich, Sie zu fragen,
was Sie in gleichen Umſtaͤnden thun wuͤrden.
Was ich gethan habe, das habe ich gethan! Kurtz!
ich habe geſchrieben: ich wollte mich wenn es
moͤglich waͤre Morgen Abend zwiſchen neun und
zwoͤlff Uhr mit ihm unterreden. Es ſollte bey
oder in der Laube geſchehen, oder bey der groſ-
ſen Cascade am Ende des Gartens. Die
Thuͤr wollte ich aufriegeln, damit er nur auf-

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[175/0181] der Clariſſa. „Er bemerckt, daß ein jedes edles Gemuͤth „allen Zwang haſſe. Er gehet dieſer Betrach- „tung weiter nach, und bedauert endlich, daß es „ſcheine, als wenn er alle Hoffnung auf mich „blos dem Zwang der Meinigen zu dancken ha- „be, dem gantz unvernuͤnftigen Zwange, wie „er ihn mit Recht nennet, und gar nicht meiner „Hochachtung fuͤr ihn. Und dennoch meint er „einige Verdienſte zu haben, nemlich einen blin- „den Gehorſam gegen meinen Willen: eine an- „haltende Geduld, bey den taͤglichen Beleidi- „gungen meines Bruders, die nicht blos auf ihn „ſelbſt, ſondern auch auf ſeine Anverwanten „giengen: und die vielen Naͤchte, die er meinet- „wegen gewachet haͤtte, nebſt der Gefahr und „allen Beſchwerlichkeiten des Wetters, die er da- „bey auszuſtehen haͤtte. Seine jetzige Unpaͤß- „lichkeit erinnere ihn hieran, ſonſt wuͤrde er durch „eine Erzaͤhlung, die nach der Eigenliebe ſchme- „cke, die recht edle Liebe, die er gegen mich em- „pfinde, nicht entehret haben.„ Jch kan nicht leugnen, es daurt mich, daß er unpaͤßlich iſt. Jch ſcheue mich, Sie zu fragen, was Sie in gleichen Umſtaͤnden thun wuͤrden. Was ich gethan habe, das habe ich gethan! Kurtz! ich habe geſchrieben: ich wollte mich wenn es moͤglich waͤre Morgen Abend zwiſchen neun und zwoͤlff Uhr mit ihm unterreden. Es ſollte bey oder in der Laube geſchehen, oder bey der groſ- ſen Cascade am Ende des Gartens. Die Thuͤr wollte ich aufriegeln, damit er nur auf- ſchlieſ-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/181>, abgerufen am 25.11.2024.