"Unwürdigkeit. Diese fällt so in die Augen, "daß er sie selbst einsehen muß, wie sie alle an- "dere gewahr werden. Darum will er mich "auch kauffen. Darum kommen die treflichen "Verschreibungen, durch welche er den Mangel "eigener Vorzüge ersetzen will.
Aus Unwürdigkeit! sagen sie? Nicht so hefftig mein Kind[?] Läßt das nicht, als wenn sie sich einen allzugrosen Werth zuschreiben? Wir haben insgesamt sehr hohe Begriffe von ihnen; allein sie wür- den wohl thun/ nicht selbst von sich all- zuviel zu halten; wenn sie auch noch vor- treflichere Eigenschafften an sich hätten, als die Jhrrgen an ihnen erkennen.
"Es thut mir leid, daß es mir zum Hoch- "muth ausgelegt wird, wenn ich glaube einen "bessern Mann zu verdienen, als Herr Sol- "mes in Absicht auf Leib und Gemüth ist. Was "sein Vermögen anbetrifft, so dancke ich Gott "von Hertzen, daß ich alle daher genommene "Gründe von Hertzen verachten kan."
Sie sagte: unser Reden von der Sache habe nicht viel zu bedeuten. Jch wüßte ohnehin/ was ein jeder von mir erwar- tete.
"Das weiß ich gewiß nicht. Es war mir "ohnmöglich, andern eine so ungegründete und "wunderliche Erwartung anzudichten; da ich "weiter nichts gethan habe, als daß ich in einer "Sache nachgab, um dadurch meine Bereitwil-
lig-
der Clariſſa.
„Unwuͤrdigkeit. Dieſe faͤllt ſo in die Augen, „daß er ſie ſelbſt einſehen muß, wie ſie alle an- „dere gewahr werden. Darum will er mich „auch kauffen. Darum kommen die treflichen „Verſchreibungen, durch welche er den Mangel „eigener Vorzuͤge erſetzen will.
Aus Unwuͤrdigkeit! ſagen ſie? Nicht ſo hefftig mein Kind[?] Laͤßt das nicht, als wenn ſie ſich einen allzugroſen Werth zuſchreiben? Wir haben insgeſamt ſehr hohe Begriffe von ihnen; allein ſie wuͤr- den wohl thun/ nicht ſelbſt von ſich all- zuviel zu halten; wenn ſie auch noch vor- treflichere Eigenſchafften an ſich haͤtten, als die Jhrrgen an ihnen erkennen.
„Es thut mir leid, daß es mir zum Hoch- „muth ausgelegt wird, wenn ich glaube einen „beſſern Mann zu verdienen, als Herr Sol- „mes in Abſicht auf Leib und Gemuͤth iſt. Was „ſein Vermoͤgen anbetrifft, ſo dancke ich Gott „von Hertzen, daß ich alle daher genommene „Gruͤnde von Hertzen verachten kan.„
Sie ſagte: unſer Reden von der Sache habe nicht viel zu bedeuten. Jch wuͤßte ohnehin/ was ein jeder von mir erwar- tete.
„Das weiß ich gewiß nicht. Es war mir „ohnmoͤglich, andern eine ſo ungegruͤndete und „wunderliche Erwartung anzudichten; da ich „weiter nichts gethan habe, als daß ich in einer „Sache nachgab, um dadurch meine Bereitwil-
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der Clariſſa.
„Unwuͤrdigkeit. Dieſe faͤllt ſo in die Augen,
„daß er ſie ſelbſt einſehen muß, wie ſie alle an-
„dere gewahr werden. Darum will er mich
„auch kauffen. Darum kommen die treflichen
„Verſchreibungen, durch welche er den Mangel
„eigener Vorzuͤge erſetzen will.
Aus Unwuͤrdigkeit! ſagen ſie? Nicht
ſo hefftig mein Kind? Laͤßt das nicht,
als wenn ſie ſich einen allzugroſen Werth
zuſchreiben? Wir haben insgeſamt ſehr
hohe Begriffe von ihnen; allein ſie wuͤr-
den wohl thun/ nicht ſelbſt von ſich all-
zuviel zu halten; wenn ſie auch noch vor-
treflichere Eigenſchafften an ſich haͤtten,
als die Jhrrgen an ihnen erkennen.
„Es thut mir leid, daß es mir zum Hoch-
„muth ausgelegt wird, wenn ich glaube einen
„beſſern Mann zu verdienen, als Herr Sol-
„mes in Abſicht auf Leib und Gemuͤth iſt. Was
„ſein Vermoͤgen anbetrifft, ſo dancke ich Gott
„von Hertzen, daß ich alle daher genommene
„Gruͤnde von Hertzen verachten kan.„
Sie ſagte: unſer Reden von der Sache
habe nicht viel zu bedeuten. Jch wuͤßte
ohnehin/ was ein jeder von mir erwar-
tete.
„Das weiß ich gewiß nicht. Es war mir
„ohnmoͤglich, andern eine ſo ungegruͤndete und
„wunderliche Erwartung anzudichten; da ich
„weiter nichts gethan habe, als daß ich in einer
„Sache nachgab, um dadurch meine Bereitwil-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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