Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
darf die Seite nicht rühren. - - Jch werde
das gute Kind immer lieb haben, weil es so
zärtlich gegen Sie gesinnet ist.

Jch weiß nicht, was ich von Herrn Love-
lace
sagen, oder was ich von seinen Verheissun-
gen und Vorschlägen dencken soll. So viel ist
gewiß, daß Sie bey seiner gantzen Familie in
sehr grosser Achtung stehen. Das Frauenzim-
mer hat einen solchen Character, auf den auch
die Lästerung selbst nichts zu sagen weiß. Der
Lord M. ist gleichfalls ein Mann von Ehre
und Tugend, so wie man das Wort bey Manns-
personen oder bey Lords zu nehmen pflegt. Jch
wüßte, was ich einem jeden andern rathen wollte
und Jhnen doch nicht rathen mag. So viel
wird von Jhnen erwartet! Ein solches Licht sind
Sie unter Jhrem Geschlechte! Sollen Sie Jh-
res Vaters Haus verlassen, und sich in den
Schutz einer noch so angesehenen Familie bege-
ben, zu der eine Person gehört, von welcher man
alsdenn glauben wird, daß sie durch ihre Artig-
keit, Geschicklichkeit, Bitten und Betheurungen
die Fräulein Clarissa Harlowe verliebt gemacht
habe. Jch wollte fast lieber rathen, daß Sie
suchen solten, heimlich nach London zu fliehen, oh-
ne daß er, oder sonst jemand es wüßte, mich al-
lein ausgenommen, und daß Sie dort bis auf
die Ankunft des Obristen Morden bleiben
solten.

Nach

Die Geſchichte
darf die Seite nicht ruͤhren. ‒ ‒ Jch werde
das gute Kind immer lieb haben, weil es ſo
zaͤrtlich gegen Sie geſinnet iſt.

Jch weiß nicht, was ich von Herrn Love-
lace
ſagen, oder was ich von ſeinen Verheiſſun-
gen und Vorſchlaͤgen dencken ſoll. So viel iſt
gewiß, daß Sie bey ſeiner gantzen Familie in
ſehr groſſer Achtung ſtehen. Das Frauenzim-
mer hat einen ſolchen Character, auf den auch
die Laͤſterung ſelbſt nichts zu ſagen weiß. Der
Lord M. iſt gleichfalls ein Mann von Ehre
und Tugend, ſo wie man das Wort bey Manns-
perſonen oder bey Lords zu nehmen pflegt. Jch
wuͤßte, was ich einem jeden andern rathen wollte
und Jhnen doch nicht rathen mag. So viel
wird von Jhnen erwartet! Ein ſolches Licht ſind
Sie unter Jhrem Geſchlechte! Sollen Sie Jh-
res Vaters Haus verlaſſen, und ſich in den
Schutz einer noch ſo angeſehenen Familie bege-
ben, zu der eine Perſon gehoͤrt, von welcher man
alsdenn glauben wird, daß ſie durch ihre Artig-
keit, Geſchicklichkeit, Bitten und Betheurungen
die Fraͤulein Clariſſa Harlowe verliebt gemacht
habe. Jch wollte faſt lieber rathen, daß Sie
ſuchen ſolten, heimlich nach London zu fliehen, oh-
ne daß er, oder ſonſt jemand es wuͤßte, mich al-
lein ausgenommen, und daß Sie dort bis auf
die Ankunft des Obriſten Morden bleiben
ſolten.

Nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0398" n="392"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
darf die Seite nicht ru&#x0364;hren. &#x2012; &#x2012; Jch werde<lb/>
das gute Kind immer lieb haben, weil es &#x017F;o<lb/>
za&#x0364;rtlich gegen Sie ge&#x017F;innet i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch weiß nicht, was ich von Herrn <hi rendition="#fr">Love-<lb/>
lace</hi> &#x017F;agen, oder was ich von &#x017F;einen Verhei&#x017F;&#x017F;un-<lb/>
gen und Vor&#x017F;chla&#x0364;gen dencken &#x017F;oll. So viel i&#x017F;t<lb/>
gewiß, daß Sie bey &#x017F;einer gantzen Familie in<lb/>
&#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;er Achtung &#x017F;tehen. Das Frauenzim-<lb/>
mer hat einen &#x017F;olchen Character, auf den auch<lb/>
die La&#x0364;&#x017F;terung &#x017F;elb&#x017F;t nichts zu &#x017F;agen weiß. Der<lb/><hi rendition="#fr">Lord</hi> M. i&#x017F;t gleichfalls ein Mann von Ehre<lb/>
und Tugend, &#x017F;o wie man das Wort bey Manns-<lb/>
per&#x017F;onen oder bey Lords zu nehmen pflegt. Jch<lb/>
wu&#x0364;ßte, was ich einem jeden andern rathen wollte<lb/>
und Jhnen doch nicht rathen mag. So viel<lb/>
wird von Jhnen erwartet! Ein &#x017F;olches Licht &#x017F;ind<lb/>
Sie unter Jhrem Ge&#x017F;chlechte! Sollen Sie Jh-<lb/>
res Vaters Haus verla&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich in den<lb/>
Schutz einer noch &#x017F;o ange&#x017F;ehenen Familie bege-<lb/>
ben, zu der eine Per&#x017F;on geho&#x0364;rt, von welcher man<lb/>
alsdenn glauben wird, daß &#x017F;ie durch ihre Artig-<lb/>
keit, Ge&#x017F;chicklichkeit, Bitten und Betheurungen<lb/>
die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe</hi> verliebt gemacht<lb/>
habe. Jch wollte fa&#x017F;t lieber rathen, daß Sie<lb/>
&#x017F;uchen &#x017F;olten, heimlich nach London zu fliehen, oh-<lb/>
ne daß er, oder &#x017F;on&#x017F;t jemand es wu&#x0364;ßte, mich al-<lb/>
lein ausgenommen, und daß Sie dort bis auf<lb/>
die Ankunft des Obri&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Morden</hi> bleiben<lb/>
&#x017F;olten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Nach</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0398] Die Geſchichte darf die Seite nicht ruͤhren. ‒ ‒ Jch werde das gute Kind immer lieb haben, weil es ſo zaͤrtlich gegen Sie geſinnet iſt. Jch weiß nicht, was ich von Herrn Love- lace ſagen, oder was ich von ſeinen Verheiſſun- gen und Vorſchlaͤgen dencken ſoll. So viel iſt gewiß, daß Sie bey ſeiner gantzen Familie in ſehr groſſer Achtung ſtehen. Das Frauenzim- mer hat einen ſolchen Character, auf den auch die Laͤſterung ſelbſt nichts zu ſagen weiß. Der Lord M. iſt gleichfalls ein Mann von Ehre und Tugend, ſo wie man das Wort bey Manns- perſonen oder bey Lords zu nehmen pflegt. Jch wuͤßte, was ich einem jeden andern rathen wollte und Jhnen doch nicht rathen mag. So viel wird von Jhnen erwartet! Ein ſolches Licht ſind Sie unter Jhrem Geſchlechte! Sollen Sie Jh- res Vaters Haus verlaſſen, und ſich in den Schutz einer noch ſo angeſehenen Familie bege- ben, zu der eine Perſon gehoͤrt, von welcher man alsdenn glauben wird, daß ſie durch ihre Artig- keit, Geſchicklichkeit, Bitten und Betheurungen die Fraͤulein Clariſſa Harlowe verliebt gemacht habe. Jch wollte faſt lieber rathen, daß Sie ſuchen ſolten, heimlich nach London zu fliehen, oh- ne daß er, oder ſonſt jemand es wuͤßte, mich al- lein ausgenommen, und daß Sie dort bis auf die Ankunft des Obriſten Morden bleiben ſolten. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/398
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/398>, abgerufen am 22.11.2024.