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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
weil sie sich meiner nicht mit solcher Hitze anneh-
men will, als Sie es wünschen. Wenn meiner
Mutter Schwester mir ihr Hertz und Hülffe ent-
ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha-
be, (welches ich mich unterstehen will von ihr zu
behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut-
ter, mein Onckles, die mich sonst so zärtlich lieb-
ten, jetzt gemeinschafftliche Sache gegen mich ma-
chen können: was habe ich denn für Recht, oder
was haben Sie für Anlaß, zu hoffen, daß Jhre
Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß
aller dieser Personen verstatten werde?

Werden sie nicht verdrießlich, wenn ich all-
zu ernsthafft und betrübt schreibe. Jch fürch-
te fast, mein liebster Schatz, daß ich um meiner
Sünden willen, oder zur Züchtigung der Mei-
nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus-
ersehen bin, ein Ball des Unglücks zu werden.
Jch fürchte, daß ich dieses auf eine recht aus-
nehmende und in die Augen fallende Art werden
soll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die
Wellen des Unglücks so geschwind und so hefftig
übereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?

Wir alle sind bis auf diese letzten Wochen
allzu glücklich und allzu vergnügt gewesen. Wir
haben nichts von Creutz und Trübsal gewußt,
als die uns unser verzärtelter Eigenwille verur-
sachet hat. Weil wir uns gleichsam in den Vor-
rath vergraben hatten, den wir beylegten, so bald
er erworben war; so meinten wir, daß wir vor
dem Unglück sicher wären. Alle meine Freun-

de
Zweyter Theil. C c

der Clariſſa.
weil ſie ſich meiner nicht mit ſolcher Hitze anneh-
men will, als Sie es wuͤnſchen. Wenn meiner
Mutter Schweſter mir ihr Hertz und Huͤlffe ent-
ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha-
be, (welches ich mich unterſtehen will von ihr zu
behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut-
ter, mein Onckles, die mich ſonſt ſo zaͤrtlich lieb-
ten, jetzt gemeinſchafftliche Sache gegen mich ma-
chen koͤnnen: was habe ich denn fuͤr Recht, oder
was haben Sie fuͤr Anlaß, zu hoffen, daß Jhre
Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß
aller dieſer Perſonen verſtatten werde?

Werden ſie nicht verdrießlich, wenn ich all-
zu ernſthafft und betruͤbt ſchreibe. Jch fuͤrch-
te faſt, mein liebſter Schatz, daß ich um meiner
Suͤnden willen, oder zur Zuͤchtigung der Mei-
nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus-
erſehen bin, ein Ball des Ungluͤcks zu werden.
Jch fuͤrchte, daß ich dieſes auf eine recht aus-
nehmende und in die Augen fallende Art werden
ſoll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die
Wellen des Ungluͤcks ſo geſchwind und ſo hefftig
uͤbereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan?

Wir alle ſind bis auf dieſe letzten Wochen
allzu gluͤcklich und allzu vergnuͤgt geweſen. Wir
haben nichts von Creutz und Truͤbſal gewußt,
als die uns unſer verzaͤrtelter Eigenwille verur-
ſachet hat. Weil wir uns gleichſam in den Vor-
rath vergraben hatten, den wir beylegten, ſo bald
er erworben war; ſo meinten wir, daß wir vor
dem Ungluͤck ſicher waͤren. Alle meine Freun-

de
Zweyter Theil. C c
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[401/0407] der Clariſſa. weil ſie ſich meiner nicht mit ſolcher Hitze anneh- men will, als Sie es wuͤnſchen. Wenn meiner Mutter Schweſter mir ihr Hertz und Huͤlffe ent- ziehen kan, ohne zu glauben, daß ich Unrecht ha- be, (welches ich mich unterſtehen will von ihr zu behaupten.) Wenn mein Vater, meine Mut- ter, mein Onckles, die mich ſonſt ſo zaͤrtlich lieb- ten, jetzt gemeinſchafftliche Sache gegen mich ma- chen koͤnnen: was habe ich denn fuͤr Recht, oder was haben Sie fuͤr Anlaß, zu hoffen, daß Jhre Frau Mutter mir eine Zuflucht zum Verdruß aller dieſer Perſonen verſtatten werde? Werden ſie nicht verdrießlich, wenn ich all- zu ernſthafft und betruͤbt ſchreibe. Jch fuͤrch- te faſt, mein liebſter Schatz, daß ich um meiner Suͤnden willen, oder zur Zuͤchtigung der Mei- nigen, oder ihnen und mir zur Straffe, dazu aus- erſehen bin, ein Ball des Ungluͤcks zu werden. Jch fuͤrchte, daß ich dieſes auf eine recht aus- nehmende und in die Augen fallende Art werden ſoll. Denn, mercken Sie nicht, daß mich die Wellen des Ungluͤcks ſo geſchwind und ſo hefftig uͤbereilen, daß ich ihnen nicht ausweichen kan? Wir alle ſind bis auf dieſe letzten Wochen allzu gluͤcklich und allzu vergnuͤgt geweſen. Wir haben nichts von Creutz und Truͤbſal gewußt, als die uns unſer verzaͤrtelter Eigenwille verur- ſachet hat. Weil wir uns gleichſam in den Vor- rath vergraben hatten, den wir beylegten, ſo bald er erworben war; ſo meinten wir, daß wir vor dem Ungluͤck ſicher waͤren. Alle meine Freun- de Zweyter Theil. C c

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/407>, abgerufen am 22.11.2024.