Der viertzigste Brief von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Sonnabends Nachmit- tags.
Aus der letzten Ueberschrift Jhres heutigen Briefes, (um zehn Uhr) sehe ich, daß Sie ihn kaum hingelegt haben müssen, als ihn Robert abhohlte. Er jagte starck zu, und gab ihn mir gleich als wir von Tische aufstanden.
Sie warffen es mir in Jhren jetzigen Umstän- den mit Recht vor, daß ich meinen Bedienten mit leerer Hand schicke: und doch sind diese Jh- re mißlichen und verworrenen Umstände mir ei- ne Ursache meines Unterlassungs-Sünde; denn ich weiß nicht, was ich Jhnen schreiben soll.
Jch habe mich in der Stille bemühet, eine bequeme Gelegenheit für Sie ausfindig zu ma- chen, in der Sie von Harloweburg flüchten könnten, doch ohne daß ich mit dabey zu seyn gedencke: denn ich weiß, daß die Dienste nur halb angenehm zu seyn pflegen, dabey man des andern Befehl in der Art und Weise sie zu erzei- gen übertrit. Ueberdem ist meine Mutter jetzt sehr unruhig und argwöhnisch, und wird es täg- lich mehr, weil ihr Onckle Anton ihr bey sei- nem häuffigen Besuch immer saget, daß die gan- tze Sache nun bald ein glückliches Ende neh-
men
Zweyter Theil. G g
der Clariſſa.
Der viertzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Sonnabends Nachmit- tags.
Aus der letzten Ueberſchrift Jhres heutigen Briefes, (um zehn Uhr) ſehe ich, daß Sie ihn kaum hingelegt haben muͤſſen, als ihn Robert abhohlte. Er jagte ſtarck zu, und gab ihn mir gleich als wir von Tiſche aufſtanden.
Sie warffen es mir in Jhren jetzigen Umſtaͤn- den mit Recht vor, daß ich meinen Bedienten mit leerer Hand ſchicke: und doch ſind dieſe Jh- re mißlichen und verworrenen Umſtaͤnde mir ei- ne Urſache meines Unterlaſſungs-Suͤnde; denn ich weiß nicht, was ich Jhnen ſchreiben ſoll.
Jch habe mich in der Stille bemuͤhet, eine bequeme Gelegenheit fuͤr Sie ausfindig zu ma- chen, in der Sie von Harloweburg fluͤchten koͤnnten, doch ohne daß ich mit dabey zu ſeyn gedencke: denn ich weiß, daß die Dienſte nur halb angenehm zu ſeyn pflegen, dabey man des andern Befehl in der Art und Weiſe ſie zu erzei- gen uͤbertrit. Ueberdem iſt meine Mutter jetzt ſehr unruhig und argwoͤhniſch, und wird es taͤg- lich mehr, weil ihr Onckle Anton ihr bey ſei- nem haͤuffigen Beſuch immer ſaget, daß die gan- tze Sache nun bald ein gluͤckliches Ende neh-
men
Zweyter Theil. G g
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0471"n="465"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der viertzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Sonnabends Nachmit-<lb/>
tags.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>us der letzten Ueberſchrift Jhres heutigen<lb/>
Briefes, (<hirendition="#fr">um zehn Uhr</hi>) ſehe ich, daß<lb/>
Sie ihn kaum hingelegt haben muͤſſen, als ihn<lb/><hirendition="#fr">Robert</hi> abhohlte. Er jagte ſtarck zu, und gab<lb/>
ihn mir gleich als wir von Tiſche aufſtanden.</p><lb/><p>Sie warffen es mir in Jhren jetzigen Umſtaͤn-<lb/>
den mit Recht vor, daß ich meinen Bedienten<lb/>
mit leerer Hand ſchicke: und doch ſind dieſe Jh-<lb/>
re mißlichen und verworrenen Umſtaͤnde mir ei-<lb/>
ne Urſache meines Unterlaſſungs-Suͤnde; denn<lb/>
ich weiß nicht, was ich Jhnen ſchreiben ſoll.</p><lb/><p>Jch habe mich in der Stille bemuͤhet, eine<lb/>
bequeme Gelegenheit fuͤr Sie ausfindig zu ma-<lb/>
chen, in der Sie von <hirendition="#fr">Harloweburg</hi> fluͤchten<lb/>
koͤnnten, doch ohne daß ich mit dabey zu ſeyn<lb/>
gedencke: denn ich weiß, daß die Dienſte nur<lb/>
halb angenehm zu ſeyn pflegen, dabey man des<lb/>
andern Befehl in der Art und Weiſe ſie zu erzei-<lb/>
gen uͤbertrit. Ueberdem iſt meine Mutter jetzt<lb/>ſehr unruhig und argwoͤhniſch, und wird es taͤg-<lb/>
lich mehr, weil ihr Onckle <hirendition="#fr">Anton</hi> ihr bey ſei-<lb/>
nem haͤuffigen Beſuch immer ſaget, daß die gan-<lb/>
tze Sache nun bald ein gluͤckliches Ende neh-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweyter Theil.</hi> G g</fw><fwplace="bottom"type="catch">men</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[465/0471]
der Clariſſa.
Der viertzigſte Brief
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Sonnabends Nachmit-
tags.
Aus der letzten Ueberſchrift Jhres heutigen
Briefes, (um zehn Uhr) ſehe ich, daß
Sie ihn kaum hingelegt haben muͤſſen, als ihn
Robert abhohlte. Er jagte ſtarck zu, und gab
ihn mir gleich als wir von Tiſche aufſtanden.
Sie warffen es mir in Jhren jetzigen Umſtaͤn-
den mit Recht vor, daß ich meinen Bedienten
mit leerer Hand ſchicke: und doch ſind dieſe Jh-
re mißlichen und verworrenen Umſtaͤnde mir ei-
ne Urſache meines Unterlaſſungs-Suͤnde; denn
ich weiß nicht, was ich Jhnen ſchreiben ſoll.
Jch habe mich in der Stille bemuͤhet, eine
bequeme Gelegenheit fuͤr Sie ausfindig zu ma-
chen, in der Sie von Harloweburg fluͤchten
koͤnnten, doch ohne daß ich mit dabey zu ſeyn
gedencke: denn ich weiß, daß die Dienſte nur
halb angenehm zu ſeyn pflegen, dabey man des
andern Befehl in der Art und Weiſe ſie zu erzei-
gen uͤbertrit. Ueberdem iſt meine Mutter jetzt
ſehr unruhig und argwoͤhniſch, und wird es taͤg-
lich mehr, weil ihr Onckle Anton ihr bey ſei-
nem haͤuffigen Beſuch immer ſaget, daß die gan-
tze Sache nun bald ein gluͤckliches Ende neh-
men
Zweyter Theil. G g
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/471>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.