schreyen, so bald er mich wieder siehet, oder ich will ihn vor Betrübniß schreyend machen.
Allein Sie sind gar zu sehr im Ernst unge- halten, daß ich diesen Vorschlag gethan habe, und Sie haben immer so viel Gründe in Be- reitschaft, daß ich mich nicht unterstehe, weiter in Sie zu dringen. Jch bitte Sie nur, daß Sie mir durch einen eintzigen Winck einen neuen Muth machen wollen, meinen Vorschlag noch einmahl auf die Bahn zu bringen, wenn Sie bey weiterer Ueberlegung Jhre allzuzärtliche Sorgfalt für meine Ehre überwinden können. Sie müssen aber die Frage also setzen: obes besser sey mit mir, oder mit Herrn Lovelace zu flüchten? Es ist ja keine Sache, die üble Nachrede erwecken kan, wenn ein Frauenzim- mer mit dem andern reiset, und zwar nur in der Absicht, die Gesellschaft einer Manns-Per- son zu vermeiden. Ueberlegen Sie dieses doch und geben Sie mir ihre Einwilliguug, wenn Sie Jhre Zweiffel, die Jhnen Jhre für meinen guten Nahmen besorgte Liebe eingiebt, überwin- den können. So viel hievon! Jch komme nun auf einige Stellen in Jhrem Brieffe.
Jch hoffe auf eine Zeit, da ich Jhre rühren- den Erzählungen ohne die Ungeduld und Bitter- keit werde lesen können, mit der jetzt mein Hertz überkochet, und davon auch die Feder gefärbt werden würde, wenn ich auf die besondern Um-
stände
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der Clariſſa.
ſchreyen, ſo bald er mich wieder ſiehet, oder ich will ihn vor Betruͤbniß ſchreyend machen.
Allein Sie ſind gar zu ſehr im Ernſt unge- halten, daß ich dieſen Vorſchlag gethan habe, und Sie haben immer ſo viel Gruͤnde in Be- reitſchaft, daß ich mich nicht unterſtehe, weiter in Sie zu dringen. Jch bitte Sie nur, daß Sie mir durch einen eintzigen Winck einen neuen Muth machen wollen, meinen Vorſchlag noch einmahl auf die Bahn zu bringen, wenn Sie bey weiterer Ueberlegung Jhre allzuzaͤrtliche Sorgfalt fuͤr meine Ehre uͤberwinden koͤnnen. Sie muͤſſen aber die Frage alſo ſetzen: obes beſſer ſey mit mir, oder mit Herrn Lovelace zu fluͤchten? Es iſt ja keine Sache, die uͤble Nachrede erwecken kan, wenn ein Frauenzim- mer mit dem andern reiſet, und zwar nur in der Abſicht, die Geſellſchaft einer Manns-Per- ſon zu vermeiden. Ueberlegen Sie dieſes doch und geben Sie mir ihre Einwilliguug, wenn Sie Jhre Zweiffel, die Jhnen Jhre fuͤr meinen guten Nahmen beſorgte Liebe eingiebt, uͤberwin- den koͤnnen. So viel hievon! Jch komme nun auf einige Stellen in Jhrem Brieffe.
Jch hoffe auf eine Zeit, da ich Jhre ruͤhren- den Erzaͤhlungen ohne die Ungeduld und Bitter- keit werde leſen koͤnnen, mit der jetzt mein Hertz uͤberkochet, und davon auch die Feder gefaͤrbt werden wuͤrde, wenn ich auf die beſondern Um-
ſtaͤnde
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der Clariſſa.
ſchreyen, ſo bald er mich wieder ſiehet, oder ich
will ihn vor Betruͤbniß ſchreyend machen.
Allein Sie ſind gar zu ſehr im Ernſt unge-
halten, daß ich dieſen Vorſchlag gethan habe,
und Sie haben immer ſo viel Gruͤnde in Be-
reitſchaft, daß ich mich nicht unterſtehe, weiter
in Sie zu dringen. Jch bitte Sie nur, daß
Sie mir durch einen eintzigen Winck einen neuen
Muth machen wollen, meinen Vorſchlag noch
einmahl auf die Bahn zu bringen, wenn Sie
bey weiterer Ueberlegung Jhre allzuzaͤrtliche
Sorgfalt fuͤr meine Ehre uͤberwinden koͤnnen. Sie
muͤſſen aber die Frage alſo ſetzen: obes beſſer
ſey mit mir, oder mit Herrn Lovelace
zu fluͤchten? Es iſt ja keine Sache, die uͤble
Nachrede erwecken kan, wenn ein Frauenzim-
mer mit dem andern reiſet, und zwar nur in
der Abſicht, die Geſellſchaft einer Manns-Per-
ſon zu vermeiden. Ueberlegen Sie dieſes doch
und geben Sie mir ihre Einwilliguug, wenn
Sie Jhre Zweiffel, die Jhnen Jhre fuͤr meinen
guten Nahmen beſorgte Liebe eingiebt, uͤberwin-
den koͤnnen. So viel hievon! Jch komme nun
auf einige Stellen in Jhrem Brieffe.
Jch hoffe auf eine Zeit, da ich Jhre ruͤhren-
den Erzaͤhlungen ohne die Ungeduld und Bitter-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/475>, abgerufen am 26.11.2024.
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