Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
sen Sie nur die beygelegte Abschrift meines
Briefes an meinen Bruder, den ich gleichsam
geschmiedet habe, als das Eisen heiß war. Jch
bitte Sie, nennen Sie mich künftig nicht mehr
sanftmüthig.

An Herr Jacob Harlowe.
Mein Bruder.

Jhr würdet vielleicht dencken, daß ich mich
darein ergeben hätte, auf solche Bedingungen, als
Jhr vorschlaget, zu meinem Onckle Anton zu
reisen, wenn ich Eurem Verbot zu folge Euren
letzten Brief nicht beantwortete. Mein Vater
kann freylich mit seinem Kinde machen, was er
will. Er kan mich aus dem Hause stossen, wenn
es ihm beliebet; er kan auch Euch erlauben,
mich aus dem Hause zu stossen. Allein, so un-
gern ich es auch sage, so kan ich doch nicht ver-
heelen, daß es unbillig ist, mich in ein fremdes
Haus zu verbannen, so lange ich noch ein eige-
nes habe.

Es sey der Gedancke ferne von mir, daß ich
ohne Erlaubniß meines Vaters mein Gut zu-
rück fordern wollte, obgleich Jhr und meine
Schwester mich auf das äusserste gereitzt habt.
Warum soll ich aber nicht vielmehr dahin reisen,
wenn ich nicht länger hier im Hause geduldet
werden kan? Jch will versprechen, denjenigen
nie vor mich zu lassen, wegen dessen man besorgt
ist, wenn ich nur diese eintzige Gütigkeit erhal-

ten

Die Geſchichte
ſen Sie nur die beygelegte Abſchrift meines
Briefes an meinen Bruder, den ich gleichſam
geſchmiedet habe, als das Eiſen heiß war. Jch
bitte Sie, nennen Sie mich kuͤnftig nicht mehr
ſanftmuͤthig.

An Herr Jacob Harlowe.
Mein Bruder.

Jhr wuͤrdet vielleicht dencken, daß ich mich
darein ergeben haͤtte, auf ſolche Bedingungen, als
Jhr vorſchlaget, zu meinem Onckle Anton zu
reiſen, wenn ich Eurem Verbot zu folge Euren
letzten Brief nicht beantwortete. Mein Vater
kann freylich mit ſeinem Kinde machen, was er
will. Er kan mich aus dem Hauſe ſtoſſen, wenn
es ihm beliebet; er kan auch Euch erlauben,
mich aus dem Hauſe zu ſtoſſen. Allein, ſo un-
gern ich es auch ſage, ſo kan ich doch nicht ver-
heelen, daß es unbillig iſt, mich in ein fremdes
Haus zu verbannen, ſo lange ich noch ein eige-
nes habe.

Es ſey der Gedancke ferne von mir, daß ich
ohne Erlaubniß meines Vaters mein Gut zu-
ruͤck fordern wollte, obgleich Jhr und meine
Schweſter mich auf das aͤuſſerſte gereitzt habt.
Warum ſoll ich aber nicht vielmehr dahin reiſen,
wenn ich nicht laͤnger hier im Hauſe geduldet
werden kan? Jch will verſprechen, denjenigen
nie vor mich zu laſſen, wegen deſſen man beſorgt
iſt, wenn ich nur dieſe eintzige Guͤtigkeit erhal-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;en Sie nur die beygelegte Ab&#x017F;chrift meines<lb/>
Briefes an meinen Bruder, den ich gleich&#x017F;am<lb/>
ge&#x017F;chmiedet habe, als das Ei&#x017F;en heiß war. Jch<lb/>
bitte Sie, nennen Sie mich ku&#x0364;nftig nicht mehr<lb/>
&#x017F;anftmu&#x0364;thig.</p><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">An Herr Jacob Harlowe.</hi> </hi> </salute><lb/>
              <salute> <hi rendition="#et">Mein Bruder.</hi> </salute><lb/>
              <p>Jhr wu&#x0364;rdet vielleicht dencken, daß ich mich<lb/>
darein ergeben ha&#x0364;tte, auf &#x017F;olche Bedingungen, als<lb/>
Jhr vor&#x017F;chlaget, zu meinem Onckle <hi rendition="#fr">Anton</hi> zu<lb/>
rei&#x017F;en, wenn ich Eurem Verbot zu folge Euren<lb/>
letzten Brief nicht beantwortete. Mein Vater<lb/>
kann freylich mit &#x017F;einem Kinde machen, was er<lb/>
will. Er kan mich aus dem Hau&#x017F;e &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
es ihm beliebet; er kan auch Euch erlauben,<lb/>
mich aus dem Hau&#x017F;e zu &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en. Allein, &#x017F;o un-<lb/>
gern ich es auch &#x017F;age, &#x017F;o kan ich doch nicht ver-<lb/>
heelen, daß es unbillig i&#x017F;t, mich in ein fremdes<lb/>
Haus zu verbannen, &#x017F;o lange ich noch ein eige-<lb/>
nes habe.</p><lb/>
              <p>Es &#x017F;ey der Gedancke ferne von mir, daß ich<lb/>
ohne Erlaubniß meines Vaters mein Gut zu-<lb/>
ru&#x0364;ck fordern wollte, obgleich Jhr und meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter mich auf das a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te gereitzt habt.<lb/>
Warum &#x017F;oll ich aber nicht vielmehr dahin rei&#x017F;en,<lb/>
wenn ich nicht la&#x0364;nger hier im Hau&#x017F;e geduldet<lb/>
werden kan? Jch will ver&#x017F;prechen, denjenigen<lb/>
nie vor mich zu la&#x017F;&#x017F;en, wegen de&#x017F;&#x017F;en man be&#x017F;orgt<lb/>
i&#x017F;t, wenn ich nur die&#x017F;e eintzige Gu&#x0364;tigkeit erhal-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0068] Die Geſchichte ſen Sie nur die beygelegte Abſchrift meines Briefes an meinen Bruder, den ich gleichſam geſchmiedet habe, als das Eiſen heiß war. Jch bitte Sie, nennen Sie mich kuͤnftig nicht mehr ſanftmuͤthig. An Herr Jacob Harlowe. Mein Bruder. Jhr wuͤrdet vielleicht dencken, daß ich mich darein ergeben haͤtte, auf ſolche Bedingungen, als Jhr vorſchlaget, zu meinem Onckle Anton zu reiſen, wenn ich Eurem Verbot zu folge Euren letzten Brief nicht beantwortete. Mein Vater kann freylich mit ſeinem Kinde machen, was er will. Er kan mich aus dem Hauſe ſtoſſen, wenn es ihm beliebet; er kan auch Euch erlauben, mich aus dem Hauſe zu ſtoſſen. Allein, ſo un- gern ich es auch ſage, ſo kan ich doch nicht ver- heelen, daß es unbillig iſt, mich in ein fremdes Haus zu verbannen, ſo lange ich noch ein eige- nes habe. Es ſey der Gedancke ferne von mir, daß ich ohne Erlaubniß meines Vaters mein Gut zu- ruͤck fordern wollte, obgleich Jhr und meine Schweſter mich auf das aͤuſſerſte gereitzt habt. Warum ſoll ich aber nicht vielmehr dahin reiſen, wenn ich nicht laͤnger hier im Hauſe geduldet werden kan? Jch will verſprechen, denjenigen nie vor mich zu laſſen, wegen deſſen man beſorgt iſt, wenn ich nur dieſe eintzige Guͤtigkeit erhal- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/68
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/68>, abgerufen am 24.11.2024.