es mit Recht nennen, ob es gleich noch bey wei- ten kein Krieg in dem Reiche der Liebe ist) was habe ich von ihr erhalten können, als Zweifel, Mistrauen, Verweise? und sie hat von mir die allertiefste Erniedrigung zu erzwingen gewußt. Jch habe mich so heilig stellen müssen, daß ihr al- le in Sorgen gewesen seyd, ob es nicht Ernst mit meiner Bekehrung werden würde. Hast du nicht selbst meiner oft damit gespottet, daß mich meine vorige Munterkeit gar nicht kleidete, wenn ich von meinen Wallfarthen zurück kam, und ohne sie zu sehen in der nächsten Viertheil-Meile um ihres Vaters Garten-Mauer herumgeschweift war.
Soll sie vor so viel Sünden nicht büssen? Jst es nicht eine niederträchtige Bosheit, einen bra- ven Kerl zu zwingen, daß er ein Kopfhänger wer- den muß.
Du weißst, was sie für ein loses schelmisches Hertz hat, und wie wenig Bedencken sie trug, mir etwas zu versprechen, und nachher ihr Wort zu- rück zu nehmen. Du hast mit deinen Augen ge- sehen, wie mich ihre Falschheit verdrossen hat. Habe ich nicht in der ersten Hitze das Gelübde ge- than, mich an meiner Schönen zu rächen? Wenn ich denn noch meineydig werde, was ist daran ge- legen, ob ich den Eyd nach ihrem Wunsch oder nach meiner Neigung breche? (wie Cromwel sagte: wenn es entweder mein Kopf, oder des Königes Kopf seyn soll) die Wahl stehet bey mir, kann ich einen Augenblick zweifelhaft bleiben, was ich wählen soll?
Aus
es mit Recht nennen, ob es gleich noch bey wei- ten kein Krieg in dem Reiche der Liebe iſt) was habe ich von ihr erhalten koͤnnen, als Zweifel, Mistrauen, Verweiſe? und ſie hat von mir die allertiefſte Erniedrigung zu erzwingen gewußt. Jch habe mich ſo heilig ſtellen muͤſſen, daß ihr al- le in Sorgen geweſen ſeyd, ob es nicht Ernſt mit meiner Bekehrung werden wuͤrde. Haſt du nicht ſelbſt meiner oft damit geſpottet, daß mich meine vorige Munterkeit gar nicht kleidete, wenn ich von meinen Wallfarthen zuruͤck kam, und ohne ſie zu ſehen in der naͤchſten Viertheil-Meile um ihres Vaters Garten-Mauer herumgeſchweift war.
Soll ſie vor ſo viel Suͤnden nicht buͤſſen? Jſt es nicht eine niedertraͤchtige Bosheit, einen bra- ven Kerl zu zwingen, daß er ein Kopfhaͤnger wer- den muß.
Du weißſt, was ſie fuͤr ein loſes ſchelmiſches Hertz hat, und wie wenig Bedencken ſie trug, mir etwas zu verſprechen, und nachher ihr Wort zu- ruͤck zu nehmen. Du haſt mit deinen Augen ge- ſehen, wie mich ihre Falſchheit verdroſſen hat. Habe ich nicht in der erſten Hitze das Geluͤbde ge- than, mich an meiner Schoͤnen zu raͤchen? Wenn ich denn noch meineydig werde, was iſt daran ge- legen, ob ich den Eyd nach ihrem Wunſch oder nach meiner Neigung breche? (wie Cromwel ſagte: wenn es entweder mein Kopf, oder des Koͤniges Kopf ſeyn ſoll) die Wahl ſtehet bey mir, kann ich einen Augenblick zweifelhaft bleiben, was ich waͤhlen ſoll?
Aus
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es mit Recht nennen, ob es gleich noch bey wei-
ten kein Krieg in dem Reiche der Liebe iſt) was
habe ich von ihr erhalten koͤnnen, als Zweifel,
Mistrauen, Verweiſe? und ſie hat von mir die
allertiefſte Erniedrigung zu erzwingen gewußt.
Jch habe mich ſo heilig ſtellen muͤſſen, daß ihr al-
le in Sorgen geweſen ſeyd, ob es nicht Ernſt mit
meiner Bekehrung werden wuͤrde. Haſt du nicht
ſelbſt meiner oft damit geſpottet, daß mich meine
vorige Munterkeit gar nicht kleidete, wenn ich von
meinen Wallfarthen zuruͤck kam, und ohne ſie zu
ſehen in der naͤchſten Viertheil-Meile um ihres
Vaters Garten-Mauer herumgeſchweift war.
Soll ſie vor ſo viel Suͤnden nicht buͤſſen? Jſt
es nicht eine niedertraͤchtige Bosheit, einen bra-
ven Kerl zu zwingen, daß er ein Kopfhaͤnger wer-
den muß.
Du weißſt, was ſie fuͤr ein loſes ſchelmiſches
Hertz hat, und wie wenig Bedencken ſie trug, mir
etwas zu verſprechen, und nachher ihr Wort zu-
ruͤck zu nehmen. Du haſt mit deinen Augen ge-
ſehen, wie mich ihre Falſchheit verdroſſen hat.
Habe ich nicht in der erſten Hitze das Geluͤbde ge-
than, mich an meiner Schoͤnen zu raͤchen? Wenn
ich denn noch meineydig werde, was iſt daran ge-
legen, ob ich den Eyd nach ihrem Wunſch oder
nach meiner Neigung breche? (wie Cromwel
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des Koͤniges Kopf ſeyn ſoll) die Wahl ſtehet
bey mir, kann ich einen Augenblick zweifelhaft
bleiben, was ich waͤhlen ſoll?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/104>, abgerufen am 22.12.2024.
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