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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Es ist wahr, sie machte diese Bedingung, weil
sie sich fürchtete, sie möchte sonst um sich selbst be-
trogen werden: denn diese Redens-Art gebraucht
die theure Seele, wie du an seinem Orte verneh-
men wirst.

Was für eine Erquickung ist es für meinen
Hochmuth, daß ich eine so listige Schöne habe
fangen können. Jch bin jetzt in meinem Sinn
eine halbe Elle grösser als vor diesem: auf alle an-
dern Leute sehe ich jetzt aus der Höhe herab. Ge-
stern Abend war ich noch mehr ausser mir. Jch
nahm den Hut ab, um zu sehen ob die Tresse ver-
senget wäre, denn ich bildete mir ein, ich hätte an
einen Stern gestoßen: und ehe ich ihn wieder mit
lustigem Hertzen aussetzte, war ich fast Sinnes,
den Mond Maulschellen zu geben. Kurtz meine
gantze Seele ist frölich. Jch lache mich in den
Schlaaf, und ich wache entweder mit Lachen oder
mit Singen auf: Und doch habe ich noch keine
nahe Hoffnung, denn ich habe mich noch nicht ge-
nug gebessert.

Jch sagte dir ehemahls (wenn du dich dessen
noch erinnerst) wie bequem ich diese Bedingung
gegen mein allerliebstes Kind gebrauchen könnte,
wenn ich es nur aus dem Hause der Eltern heraus
locken könnte, und Lust hatte meine Schöne so wohl
wegen der Sünden ihrer Familie als wegen der
vielen Mühe und Unruhe zu straffen, die sie mir
selbst gemacht hat. Wie wenig mag sie dencken,
daß diese doppelte Schuld noch auf meiner Rech-
nung stehet; und daß wenn auch mein Hertz weich

und


Es iſt wahr, ſie machte dieſe Bedingung, weil
ſie ſich fuͤrchtete, ſie moͤchte ſonſt um ſich ſelbſt be-
trogen werden: denn dieſe Redens-Art gebraucht
die theure Seele, wie du an ſeinem Orte verneh-
men wirſt.

Was fuͤr eine Erquickung iſt es fuͤr meinen
Hochmuth, daß ich eine ſo liſtige Schoͤne habe
fangen koͤnnen. Jch bin jetzt in meinem Sinn
eine halbe Elle groͤſſer als vor dieſem: auf alle an-
dern Leute ſehe ich jetzt aus der Hoͤhe herab. Ge-
ſtern Abend war ich noch mehr auſſer mir. Jch
nahm den Hut ab, um zu ſehen ob die Treſſe ver-
ſenget waͤre, denn ich bildete mir ein, ich haͤtte an
einen Stern geſtoßen: und ehe ich ihn wieder mit
luſtigem Hertzen auſſetzte, war ich faſt Sinnes,
den Mond Maulſchellen zu geben. Kurtz meine
gantze Seele iſt froͤlich. Jch lache mich in den
Schlaaf, und ich wache entweder mit Lachen oder
mit Singen auf: Und doch habe ich noch keine
nahe Hoffnung, denn ich habe mich noch nicht ge-
nug gebeſſert.

Jch ſagte dir ehemahls (wenn du dich deſſen
noch erinnerſt) wie bequem ich dieſe Bedingung
gegen mein allerliebſtes Kind gebrauchen koͤnnte,
wenn ich es nur aus dem Hauſe der Eltern heraus
locken koͤnnte, und Luſt hatte meine Schoͤne ſo wohl
wegen der Suͤnden ihrer Familie als wegen der
vielen Muͤhe und Unruhe zu ſtraffen, die ſie mir
ſelbſt gemacht hat. Wie wenig mag ſie dencken,
daß dieſe doppelte Schuld noch auf meiner Rech-
nung ſtehet; und daß wenn auch mein Hertz weich

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[92/0106] Es iſt wahr, ſie machte dieſe Bedingung, weil ſie ſich fuͤrchtete, ſie moͤchte ſonſt um ſich ſelbſt be- trogen werden: denn dieſe Redens-Art gebraucht die theure Seele, wie du an ſeinem Orte verneh- men wirſt. Was fuͤr eine Erquickung iſt es fuͤr meinen Hochmuth, daß ich eine ſo liſtige Schoͤne habe fangen koͤnnen. Jch bin jetzt in meinem Sinn eine halbe Elle groͤſſer als vor dieſem: auf alle an- dern Leute ſehe ich jetzt aus der Hoͤhe herab. Ge- ſtern Abend war ich noch mehr auſſer mir. Jch nahm den Hut ab, um zu ſehen ob die Treſſe ver- ſenget waͤre, denn ich bildete mir ein, ich haͤtte an einen Stern geſtoßen: und ehe ich ihn wieder mit luſtigem Hertzen auſſetzte, war ich faſt Sinnes, den Mond Maulſchellen zu geben. Kurtz meine gantze Seele iſt froͤlich. Jch lache mich in den Schlaaf, und ich wache entweder mit Lachen oder mit Singen auf: Und doch habe ich noch keine nahe Hoffnung, denn ich habe mich noch nicht ge- nug gebeſſert. Jch ſagte dir ehemahls (wenn du dich deſſen noch erinnerſt) wie bequem ich dieſe Bedingung gegen mein allerliebſtes Kind gebrauchen koͤnnte, wenn ich es nur aus dem Hauſe der Eltern heraus locken koͤnnte, und Luſt hatte meine Schoͤne ſo wohl wegen der Suͤnden ihrer Familie als wegen der vielen Muͤhe und Unruhe zu ſtraffen, die ſie mir ſelbſt gemacht hat. Wie wenig mag ſie dencken, daß dieſe doppelte Schuld noch auf meiner Rech- nung ſtehet; und daß wenn auch mein Hertz weich und

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/106>, abgerufen am 22.12.2024.