die Reihe an mich kam, so antwortete, so entschul- digte, so klagte ich, so gut ich konnte. Als ich durch Unterwerfung nicht ausrichten konnte, was ich wollte, so erhob ich meine Stimme, und erlaubte dem Zorn, sich in den Augen zu zeigen. Denn ich hoffete, daß mir die schöne Furchtsamkeit, die diesem Geschlecht eigen ist, und die einige Frauen- zimmer so gar mit Willen annehmen, zu statten kommen sollte; weil ich dieser Furchtsamkeit mei- nen Sieg über sie größestentheils zu dancken hatte.
Allein sie wollte sich nicht furchtsam machen lassen, sondern fing an das rauhe auswendig zu kehren, und meine Entschuldigung anzugreiffen. Ein Frauenzimmer mag aus noch so einem ho- hen Ton reden, wenn eine Manns-Person eine solche Materie der Unterredung hat, so müßte sie ihre Sache nicht verstehen, wo sie keinen Vor- theil über das Frauenzimmer erhalten sollte; und wenn sie nicht durch Herausstoßung anderer Re- den, die eben so dreiste sind, aber eine bessere Aus- legung leyden, das Frauenzimmer abhielte, über die erste Dreistigkeit empfindlich zu seyn.
Von dem Theil der Unterredung, in welchem sie ihn erinnert, wie ungern sie sich habe bewegen lassen, Briefe mit ihm zu wechseln, schreibt er also.
Wahr genug, du loses Kind! Unzähliche Schwi- rigkeiten hast du mir in den Weg geleget. Allein es kann die Zeit kommen, da du wünschen wirst, mich durch diesen Ruhm nie gekränckt, und alle deine artigen stoltzen Wahrheiten verschwiegen zu
haben:
die Reihe an mich kam, ſo antwortete, ſo entſchul- digte, ſo klagte ich, ſo gut ich konnte. Als ich durch Unterwerfung nicht ausrichten konnte, was ich wollte, ſo erhob ich meine Stimme, und erlaubte dem Zorn, ſich in den Augen zu zeigen. Denn ich hoffete, daß mir die ſchoͤne Furchtſamkeit, die dieſem Geſchlecht eigen iſt, und die einige Frauen- zimmer ſo gar mit Willen annehmen, zu ſtatten kommen ſollte; weil ich dieſer Furchtſamkeit mei- nen Sieg uͤber ſie groͤßeſtentheils zu dancken hatte.
Allein ſie wollte ſich nicht furchtſam machen laſſen, ſondern fing an das rauhe auswendig zu kehren, und meine Entſchuldigung anzugreiffen. Ein Frauenzimmer mag aus noch ſo einem ho- hen Ton reden, wenn eine Manns-Perſon eine ſolche Materie der Unterredung hat, ſo muͤßte ſie ihre Sache nicht verſtehen, wo ſie keinen Vor- theil uͤber das Frauenzimmer erhalten ſollte; und wenn ſie nicht durch Herausſtoßung anderer Re- den, die eben ſo dreiſte ſind, aber eine beſſere Aus- legung leyden, das Frauenzimmer abhielte, uͤber die erſte Dreiſtigkeit empfindlich zu ſeyn.
Von dem Theil der Unterredung, in welchem ſie ihn erinnert, wie ungern ſie ſich habe bewegen laſſen, Briefe mit ihm zu wechſeln, ſchreibt er alſo.
Wahr genug, du loſes Kind! Unzaͤhliche Schwi- rigkeiten haſt du mir in den Weg geleget. Allein es kann die Zeit kommen, da du wuͤnſchen wirſt, mich durch dieſen Ruhm nie gekraͤnckt, und alle deine artigen ſtoltzen Wahrheiten verſchwiegen zu
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die Reihe an mich kam, ſo antwortete, ſo entſchul-
digte, ſo klagte ich, ſo gut ich konnte. Als ich durch
Unterwerfung nicht ausrichten konnte, was ich
wollte, ſo erhob ich meine Stimme, und erlaubte
dem Zorn, ſich in den Augen zu zeigen. Denn
ich hoffete, daß mir die ſchoͤne Furchtſamkeit, die
dieſem Geſchlecht eigen iſt, und die einige Frauen-
zimmer ſo gar mit Willen annehmen, zu ſtatten
kommen ſollte; weil ich dieſer Furchtſamkeit mei-
nen Sieg uͤber ſie groͤßeſtentheils zu dancken hatte.
Allein ſie wollte ſich nicht furchtſam machen
laſſen, ſondern fing an das rauhe auswendig zu
kehren, und meine Entſchuldigung anzugreiffen.
Ein Frauenzimmer mag aus noch ſo einem ho-
hen Ton reden, wenn eine Manns-Perſon eine
ſolche Materie der Unterredung hat, ſo muͤßte ſie
ihre Sache nicht verſtehen, wo ſie keinen Vor-
theil uͤber das Frauenzimmer erhalten ſollte; und
wenn ſie nicht durch Herausſtoßung anderer Re-
den, die eben ſo dreiſte ſind, aber eine beſſere Aus-
legung leyden, das Frauenzimmer abhielte, uͤber
die erſte Dreiſtigkeit empfindlich zu ſeyn.
Von dem Theil der Unterredung, in
welchem ſie ihn erinnert, wie ungern ſie
ſich habe bewegen laſſen, Briefe mit ihm
zu wechſeln, ſchreibt er alſo.
Wahr genug, du loſes Kind! Unzaͤhliche Schwi-
rigkeiten haſt du mir in den Weg geleget. Allein
es kann die Zeit kommen, da du wuͤnſchen wirſt,
mich durch dieſen Ruhm nie gekraͤnckt, und alle
deine artigen ſtoltzen Wahrheiten verſchwiegen zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/137>, abgerufen am 22.12.2024.
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