Jch habe schon einmahl in der Ferne etwas ge- redet, dadurch das unwiderrufliche Versprechen, das ich ihr ehemahls gegeben habe, verletzet ward: allein nur dunckel, und so, daß ich gleich abbrach, so bald sie meine Meinung fassete, damit sie nicht dencken möchte, daß ich mir meine Gewalt, in der sie sich befand, zu Nutze machen wollte: nachdem sie mir vorhin so scharf untersaget hatte; keine Bitte von der Art anzubringen, bis meine Besse- rung ihr in die Augen leuchtete, und bis es sich zur Versöhnung mit den Jhrigen näher anliesse.
Allein da sie in unserm Streit so sehr die Ober- hand über mich bekam, und mich so sehr drang, daß ich sie verlassen sollte; da ich keinen guten Vor- wand hatte, sie wider ihren Willen zurück zu hal- ten, und sie bey dem mindesten Argwohn sich so leicht in andern Schutz hätte begeben, oder nach Harlowe-Burg und zu dem Solmes zurück keh- ren können: so sprach ich freyer von der Sache, und hielt ihr Gründe vor, um welcher willen sie sich nach den Gesetzen der Kirche mit mir verbin- den, und mich zu zu dem glücklichsten Menschen machen möchte. Allein ich that dieses mit un- endlicher Furcht und Blödigkeit, damit ich sie nicht erzürnen möchte. Und o wie deutlich bezeugeten die sich verfärbenden Wangen, die nie- dergeschlagenen Augen, die stillen und sich doch be- wegenden Lippen, der aufschwellende Busen, die insgesammt doppelt schön waren, daß meine zärt- liche Schöne den Antrag nicht für eine Tod-Sün- de ansahe.
Un-
Dritter Theil. L
Jch habe ſchon einmahl in der Ferne etwas ge- redet, dadurch das unwiderrufliche Verſprechen, das ich ihr ehemahls gegeben habe, verletzet ward: allein nur dunckel, und ſo, daß ich gleich abbrach, ſo bald ſie meine Meinung faſſete, damit ſie nicht dencken moͤchte, daß ich mir meine Gewalt, in der ſie ſich befand, zu Nutze machen wollte: nachdem ſie mir vorhin ſo ſcharf unterſaget hatte; keine Bitte von der Art anzubringen, bis meine Beſſe- rung ihr in die Augen leuchtete, und bis es ſich zur Verſoͤhnung mit den Jhrigen naͤher anlieſſe.
Allein da ſie in unſerm Streit ſo ſehr die Ober- hand uͤber mich bekam, und mich ſo ſehr drang, daß ich ſie verlaſſen ſollte; da ich keinen guten Vor- wand hatte, ſie wider ihren Willen zuruͤck zu hal- ten, und ſie bey dem mindeſten Argwohn ſich ſo leicht in andern Schutz haͤtte begeben, oder nach Harlowe-Burg und zu dem Solmes zuruͤck keh- ren koͤnnen: ſo ſprach ich freyer von der Sache, und hielt ihr Gruͤnde vor, um welcher willen ſie ſich nach den Geſetzen der Kirche mit mir verbin- den, und mich zu zu dem gluͤcklichſten Menſchen machen moͤchte. Allein ich that dieſes mit un- endlicher Furcht und Bloͤdigkeit, damit ich ſie nicht erzuͤrnen moͤchte. Und o wie deutlich bezeugeten die ſich verfaͤrbenden Wangen, die nie- dergeſchlagenen Augen, die ſtillen und ſich doch be- wegenden Lippen, der aufſchwellende Buſen, die insgeſammt doppelt ſchoͤn waren, daß meine zaͤrt- liche Schoͤne den Antrag nicht fuͤr eine Tod-Suͤn- de anſahe.
Un-
Dritter Theil. L
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Jch habe ſchon einmahl in der Ferne etwas ge-
redet, dadurch das unwiderrufliche Verſprechen,
das ich ihr ehemahls gegeben habe, verletzet ward:
allein nur dunckel, und ſo, daß ich gleich abbrach,
ſo bald ſie meine Meinung faſſete, damit ſie nicht
dencken moͤchte, daß ich mir meine Gewalt, in der
ſie ſich befand, zu Nutze machen wollte: nachdem
ſie mir vorhin ſo ſcharf unterſaget hatte; keine
Bitte von der Art anzubringen, bis meine Beſſe-
rung ihr in die Augen leuchtete, und bis es ſich zur
Verſoͤhnung mit den Jhrigen naͤher anlieſſe.
Allein da ſie in unſerm Streit ſo ſehr die Ober-
hand uͤber mich bekam, und mich ſo ſehr drang,
daß ich ſie verlaſſen ſollte; da ich keinen guten Vor-
wand hatte, ſie wider ihren Willen zuruͤck zu hal-
ten, und ſie bey dem mindeſten Argwohn ſich ſo
leicht in andern Schutz haͤtte begeben, oder nach
Harlowe-Burg und zu dem Solmes zuruͤck keh-
ren koͤnnen: ſo ſprach ich freyer von der Sache,
und hielt ihr Gruͤnde vor, um welcher willen ſie
ſich nach den Geſetzen der Kirche mit mir verbin-
den, und mich zu zu dem gluͤcklichſten Menſchen
machen moͤchte. Allein ich that dieſes mit un-
endlicher Furcht und Bloͤdigkeit, damit ich ſie
nicht erzuͤrnen moͤchte. Und o wie deutlich
bezeugeten die ſich verfaͤrbenden Wangen, die nie-
dergeſchlagenen Augen, die ſtillen und ſich doch be-
wegenden Lippen, der aufſchwellende Buſen, die
insgeſammt doppelt ſchoͤn waren, daß meine zaͤrt-
liche Schoͤne den Antrag nicht fuͤr eine Tod-Suͤn-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/175>, abgerufen am 22.12.2024.
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