O GOtt! o GOtt! ich unglückseeliger! (Dieses war sein leichter Stoß-Seufzer über meinen Ver- weiß.)
Jch fuhr fort: gewiß, Herr Lovelace, sie sind nicht der vollkommen-artige Cavallier, der sie seyn könnten, wenn sie ihre Natur und die viele Gele- genheit, die sie gehabt haben, recht angewandt hät- ten. Jn allen löblichen Eigenschaften sind sie noch ein Neuling. (Jch erinnerte mich, daß er oft von Neulingen und Füchsen zu reden pflegt.)
Der dreißigste Brief. Eine Fortsetzung des vorigen von der Fräulein Clarissa Harlowe.
Jch wollte ihm noch mehr unangenehme Wahr- heiten beichten, weil es schien, daß ihm die bisherigen nicht sehr zu Hertzen gingen. Allein er unterbrach mich: meine allerliebste Fräulein, scho- nen sie meiner. Es thut mir leyd, daß ich so lange in der Welt gelebet habe, ohne zu lernen, wie ich le- ben soll. Sie würden aber eine viel angenehme- re und nöthigere Unterredung nicht sobald abgebro- chen haben, wenn sie nicht eine grausame Art von Vergnügen darin fänden, daß sie einen Mann krän- cken können, der schon vorhin so viel Mistrauen in sich selbst setzte, daß er sich nie unterstand, ihnen die Hälfte dessen deutlich zu sagen, was er auf dem Hertzen hat. Seyn sie doch so gütig, und setzen sie die vorige Unterredung fort. Auf ein anderes mahl
will
O GOtt! o GOtt! ich ungluͤckſeeliger! (Dieſes war ſein leichter Stoß-Seufzer uͤber meinen Ver- weiß.)
Jch fuhr fort: gewiß, Herr Lovelace, ſie ſind nicht der vollkommen-artige Cavallier, der ſie ſeyn koͤnnten, wenn ſie ihre Natur und die viele Gele- genheit, die ſie gehabt haben, recht angewandt haͤt- ten. Jn allen loͤblichen Eigenſchaften ſind ſie noch ein Neuling. (Jch erinnerte mich, daß er oft von Neulingen und Fuͤchſen zu reden pflegt.)
Der dreißigſte Brief. Eine Fortſetzung des vorigen von der Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Jch wollte ihm noch mehr unangenehme Wahr- heiten beichten, weil es ſchien, daß ihm die bisherigen nicht ſehr zu Hertzen gingen. Allein er unterbrach mich: meine allerliebſte Fraͤulein, ſcho- nen ſie meiner. Es thut mir leyd, daß ich ſo lange in der Welt gelebet habe, ohne zu lernen, wie ich le- ben ſoll. Sie wuͤrden aber eine viel angenehme- re und noͤthigere Unterredung nicht ſobald abgebro- chen haben, wenn ſie nicht eine grauſame Art von Vergnuͤgen darin faͤnden, daß ſie einen Mann kraͤn- cken koͤnnen, der ſchon vorhin ſo viel Mistrauen in ſich ſelbſt ſetzte, daß er ſich nie unterſtand, ihnen die Haͤlfte deſſen deutlich zu ſagen, was er auf dem Hertzen hat. Seyn ſie doch ſo guͤtig, und ſetzen ſie die vorige Unterredung fort. Auf ein anderes mahl
will
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O GOtt! o GOtt! ich ungluͤckſeeliger! (Dieſes
war ſein leichter Stoß-Seufzer uͤber meinen Ver-
weiß.)
Jch fuhr fort: gewiß, Herr Lovelace, ſie ſind
nicht der vollkommen-artige Cavallier, der ſie ſeyn
koͤnnten, wenn ſie ihre Natur und die viele Gele-
genheit, die ſie gehabt haben, recht angewandt haͤt-
ten. Jn allen loͤblichen Eigenſchaften ſind ſie noch
ein Neuling. (Jch erinnerte mich, daß er oft von
Neulingen und Fuͤchſen zu reden pflegt.)
Der dreißigſte Brief.
Eine Fortſetzung des vorigen von der Fraͤulein
Clariſſa Harlowe.
Jch wollte ihm noch mehr unangenehme Wahr-
heiten beichten, weil es ſchien, daß ihm die
bisherigen nicht ſehr zu Hertzen gingen. Allein er
unterbrach mich: meine allerliebſte Fraͤulein, ſcho-
nen ſie meiner. Es thut mir leyd, daß ich ſo lange
in der Welt gelebet habe, ohne zu lernen, wie ich le-
ben ſoll. Sie wuͤrden aber eine viel angenehme-
re und noͤthigere Unterredung nicht ſobald abgebro-
chen haben, wenn ſie nicht eine grauſame Art von
Vergnuͤgen darin faͤnden, daß ſie einen Mann kraͤn-
cken koͤnnen, der ſchon vorhin ſo viel Mistrauen in
ſich ſelbſt ſetzte, daß er ſich nie unterſtand, ihnen die
Haͤlfte deſſen deutlich zu ſagen, was er auf dem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/272>, abgerufen am 22.12.2024.
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