Er meldet seinem Freunde, daß er die Brie- fe seiner Verwantinnen bey Frau Greme vorgefunden habe, als er auf seiner Reise nach M---hall bey ihr angesprochen hätte. Sie sey sonst eben im Begriff gewesen, ihm diese Briefe durch einen eigenen Boten zuzuschicken.
Er schreibet: Frau Greme habe ihm erzählt, was sie in der Kutsche mit der Fräulein ge- redet habe: er habe seine Hochachtung und aufrichtige Liebe gegen die Fräulein in solchen Worten gegen Frau Greme ge- äußert, daß sie sich entschlossen habe, den aus dem vorigen bekannten Brief an ihre Schwester die Frau Sorlings zu schrei- ben.
Von dem unfreundlichen Gesichte, daß er bey seiner Rückkunft bekommen hat, läßt er sich also heraus.
Da wir einen so vergnügten Abschied genommen hatten, so wunderte ich mich, daß ich sie bey meiner Zurückkunft so sehr ernsthaft und ihre Augen von Thränen roth fand. Als ich aber erfuhr, daß sie ei- nen Brief von der Fräulein Howe erhalten hatte, so konnte ich leicht rathen, daß der kleine Teuffel sie verführt hatte, mürrisch gegen mich zu seyn.
Jch habe ein unendlich-grosses Verlangen, den Jnhalt ihres Briefwechsels zu erfahren. Allein ich darf jetzt noch nicht so viel wagen. Wenn ich mich an dergleichen Heiligthümer machte, so würde ich ihre Gnade auf ewig verschertzen. Es verdrießt mich
aber
Er meldet ſeinem Freunde, daß er die Brie- fe ſeiner Verwantinnen bey Frau Greme vorgefunden habe, als er auf ſeiner Reiſe nach M‒‒‒hall bey ihr angeſprochen haͤtte. Sie ſey ſonſt eben im Begriff geweſen, ihm dieſe Briefe durch einen eigenen Boten zuzuſchicken.
Er ſchreibet: Frau Greme habe ihm erzaͤhlt, was ſie in der Kutſche mit der Fraͤulein ge- redet habe: er habe ſeine Hochachtung und aufrichtige Liebe gegen die Fraͤulein in ſolchen Worten gegen Frau Greme ge- aͤußert, daß ſie ſich entſchloſſen habe, den aus dem vorigen bekannten Brief an ihre Schweſter die Frau Sorlings zu ſchrei- ben.
Von dem unfreundlichen Geſichte, daß er bey ſeiner Ruͤckkunft bekommen hat, laͤßt er ſich alſo heraus.
Da wir einen ſo vergnuͤgten Abſchied genommen hatten, ſo wunderte ich mich, daß ich ſie bey meiner Zuruͤckkunft ſo ſehr ernſthaft und ihre Augen von Thraͤnen roth fand. Als ich aber erfuhr, daß ſie ei- nen Brief von der Fraͤulein Howe erhalten hatte, ſo konnte ich leicht rathen, daß der kleine Teuffel ſie verfuͤhrt hatte, muͤrriſch gegen mich zu ſeyn.
Jch habe ein unendlich-groſſes Verlangen, den Jnhalt ihres Briefwechſels zu erfahren. Allein ich darf jetzt noch nicht ſo viel wagen. Wenn ich mich an dergleichen Heiligthuͤmer machte, ſo wuͤrde ich ihre Gnade auf ewig verſchertzen. Es verdrießt mich
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Er meldet ſeinem Freunde, daß er die Brie-
fe ſeiner Verwantinnen bey Frau Greme
vorgefunden habe, als er auf ſeiner Reiſe
nach M‒‒‒hall bey ihr angeſprochen haͤtte.
Sie ſey ſonſt eben im Begriff geweſen, ihm
dieſe Briefe durch einen eigenen Boten
zuzuſchicken.
Er ſchreibet: Frau Greme habe ihm erzaͤhlt,
was ſie in der Kutſche mit der Fraͤulein ge-
redet habe: er habe ſeine Hochachtung
und aufrichtige Liebe gegen die Fraͤulein
in ſolchen Worten gegen Frau Greme ge-
aͤußert, daß ſie ſich entſchloſſen habe, den
aus dem vorigen bekannten Brief an ihre
Schweſter die Frau Sorlings zu ſchrei-
ben.
Von dem unfreundlichen Geſichte, daß er
bey ſeiner Ruͤckkunft bekommen hat, laͤßt
er ſich alſo heraus.
Da wir einen ſo vergnuͤgten Abſchied genommen
hatten, ſo wunderte ich mich, daß ich ſie bey meiner
Zuruͤckkunft ſo ſehr ernſthaft und ihre Augen von
Thraͤnen roth fand. Als ich aber erfuhr, daß ſie ei-
nen Brief von der Fraͤulein Howe erhalten hatte,
ſo konnte ich leicht rathen, daß der kleine Teuffel ſie
verfuͤhrt hatte, muͤrriſch gegen mich zu ſeyn.
Jch habe ein unendlich-groſſes Verlangen, den
Jnhalt ihres Briefwechſels zu erfahren. Allein
ich darf jetzt noch nicht ſo viel wagen. Wenn ich mich
an dergleichen Heiligthuͤmer machte, ſo wuͤrde ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/286>, abgerufen am 22.12.2024.
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