Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



sondern sich nur einbilden kann. Daß er nachher
ungestümer geworden ist, und sich kein Bedencken
gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder sehr
demüthig um Vergebung zu bitten, ist bey ihm (da
man ihm weder Muth noch Verstand absprechen
kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim-
mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach
und nach so zu ermüden, daß es sich ihm nicht fer-
ner wiedersetzt, sondern so gelassen wird, als ein
Haus-Tyrann seine Frau wünschen möchte.

Die verschiedene Aufführung unserer zwey Rit-
ter gegen ihre Dulcineen, ist bey nahe ein mathema-
tischer Erweiß meines Satzes. Jch bin schon ge-
wohnt, Hickmanns winselnde Demuth vor mir zu
sehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er
sich schmiegen und biegen soll. Sein wehmüthiger
Unverstand macht bey mir so wenigen Eindruck,
daß ich mich oft durch die Musik des Schlaafs er-
wehren muß, in den er mich singet oder weinet.
Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten:
wenn man mit ihm umgehet, so ist es nicht anders,
als wenn man ein Feuer-Werck siehet.

Jhr häufiger Zanck und Versöhnung sind der
richtigste Erweiß meiner Anmerckung. Wenn
Hickmann Lovelace wäre, (blos Lovelaces La-
ster ausgenommen) so hätte ich ihn längstens ge-
nommen. Allein er hätte den Anfang auf eine an-
dere Art machen müssen. Er wird niemahls das
wieder erlangen, was er verlohren hat, sondern bis
an das Ende seiner Freyerey, ja bis an das Ende
seines Lebens muß er die schüchterne Person in dem
Lust-Spiele seyn.


Der
S 5



ſondern ſich nur einbilden kann. Daß er nachher
ungeſtuͤmer geworden iſt, und ſich kein Bedencken
gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder ſehr
demuͤthig um Vergebung zu bitten, iſt bey ihm (da
man ihm weder Muth noch Verſtand abſprechen
kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim-
mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach
und nach ſo zu ermuͤden, daß es ſich ihm nicht fer-
ner wiederſetzt, ſondern ſo gelaſſen wird, als ein
Haus-Tyrann ſeine Frau wuͤnſchen moͤchte.

Die verſchiedene Auffuͤhrung unſerer zwey Rit-
ter gegen ihre Dulcineen, iſt bey nahe ein mathema-
tiſcher Erweiß meines Satzes. Jch bin ſchon ge-
wohnt, Hickmanns winſelnde Demuth vor mir zu
ſehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er
ſich ſchmiegen und biegen ſoll. Sein wehmuͤthiger
Unverſtand macht bey mir ſo wenigen Eindruck,
daß ich mich oft durch die Muſik des Schlaafs er-
wehren muß, in den er mich ſinget oder weinet.
Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten:
wenn man mit ihm umgehet, ſo iſt es nicht anders,
als wenn man ein Feuer-Werck ſiehet.

Jhr haͤufiger Zanck und Verſoͤhnung ſind der
richtigſte Erweiß meiner Anmerckung. Wenn
Hickmann Lovelace waͤre, (blos Lovelaces La-
ſter ausgenommen) ſo haͤtte ich ihn laͤngſtens ge-
nommen. Allein er haͤtte den Anfang auf eine an-
dere Art machen muͤſſen. Er wird niemahls das
wieder erlangen, was er verlohren hat, ſondern bis
an das Ende ſeiner Freyerey, ja bis an das Ende
ſeines Lebens muß er die ſchuͤchterne Perſon in dem
Luſt-Spiele ſeyn.


Der
S 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="281"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ich nur einbilden kann. Daß er nachher<lb/>
unge&#x017F;tu&#x0364;mer geworden i&#x017F;t, und &#x017F;ich kein Bedencken<lb/>
gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder &#x017F;ehr<lb/>
demu&#x0364;thig um Vergebung zu bitten, i&#x017F;t bey ihm (da<lb/>
man ihm weder Muth noch Ver&#x017F;tand ab&#x017F;prechen<lb/>
kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim-<lb/>
mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach<lb/>
und nach &#x017F;o zu ermu&#x0364;den, daß es &#x017F;ich ihm nicht fer-<lb/>
ner wieder&#x017F;etzt, &#x017F;ondern &#x017F;o gela&#x017F;&#x017F;en wird, als ein<lb/>
Haus-Tyrann &#x017F;eine Frau wu&#x0364;n&#x017F;chen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Die ver&#x017F;chiedene Auffu&#x0364;hrung un&#x017F;erer zwey Rit-<lb/>
ter gegen ihre Dulcineen, i&#x017F;t bey nahe ein mathema-<lb/>
ti&#x017F;cher Erweiß meines Satzes. Jch bin &#x017F;chon ge-<lb/>
wohnt, Hickmanns win&#x017F;elnde Demuth vor mir zu<lb/>
&#x017F;ehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chmiegen und biegen &#x017F;oll. Sein wehmu&#x0364;thiger<lb/>
Unver&#x017F;tand macht bey mir &#x017F;o wenigen Eindruck,<lb/>
daß ich mich oft durch die Mu&#x017F;ik des Schlaafs er-<lb/>
wehren muß, in den er mich &#x017F;inget oder weinet.<lb/><hi rendition="#fr">Lovelace</hi> hingegen weiß das Spiel zu unterhalten:<lb/>
wenn man mit ihm umgehet, &#x017F;o i&#x017F;t es nicht anders,<lb/>
als wenn man ein Feuer-Werck &#x017F;iehet.</p><lb/>
          <p>Jhr ha&#x0364;ufiger Zanck und Ver&#x017F;o&#x0364;hnung &#x017F;ind der<lb/>
richtig&#x017F;te Erweiß meiner Anmerckung. Wenn<lb/><hi rendition="#fr">Hickmann Lovelace</hi> wa&#x0364;re, (blos <hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> La-<lb/>
&#x017F;ter ausgenommen) &#x017F;o ha&#x0364;tte ich ihn la&#x0364;ng&#x017F;tens ge-<lb/>
nommen. Allein er ha&#x0364;tte den Anfang auf eine an-<lb/>
dere Art machen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Er wird niemahls das<lb/>
wieder erlangen, was er verlohren hat, &#x017F;ondern bis<lb/>
an das Ende &#x017F;einer Freyerey, ja bis an das Ende<lb/>
&#x017F;eines Lebens muß er die &#x017F;chu&#x0364;chterne Per&#x017F;on in dem<lb/>
Lu&#x017F;t-Spiele &#x017F;eyn.</p>
          <fw place="bottom" type="sig">S 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0295] ſondern ſich nur einbilden kann. Daß er nachher ungeſtuͤmer geworden iſt, und ſich kein Bedencken gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder ſehr demuͤthig um Vergebung zu bitten, iſt bey ihm (da man ihm weder Muth noch Verſtand abſprechen kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim- mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach und nach ſo zu ermuͤden, daß es ſich ihm nicht fer- ner wiederſetzt, ſondern ſo gelaſſen wird, als ein Haus-Tyrann ſeine Frau wuͤnſchen moͤchte. Die verſchiedene Auffuͤhrung unſerer zwey Rit- ter gegen ihre Dulcineen, iſt bey nahe ein mathema- tiſcher Erweiß meines Satzes. Jch bin ſchon ge- wohnt, Hickmanns winſelnde Demuth vor mir zu ſehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er ſich ſchmiegen und biegen ſoll. Sein wehmuͤthiger Unverſtand macht bey mir ſo wenigen Eindruck, daß ich mich oft durch die Muſik des Schlaafs er- wehren muß, in den er mich ſinget oder weinet. Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten: wenn man mit ihm umgehet, ſo iſt es nicht anders, als wenn man ein Feuer-Werck ſiehet. Jhr haͤufiger Zanck und Verſoͤhnung ſind der richtigſte Erweiß meiner Anmerckung. Wenn Hickmann Lovelace waͤre, (blos Lovelaces La- ſter ausgenommen) ſo haͤtte ich ihn laͤngſtens ge- nommen. Allein er haͤtte den Anfang auf eine an- dere Art machen muͤſſen. Er wird niemahls das wieder erlangen, was er verlohren hat, ſondern bis an das Ende ſeiner Freyerey, ja bis an das Ende ſeines Lebens muß er die ſchuͤchterne Perſon in dem Luſt-Spiele ſeyn. Der S 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/295
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/295>, abgerufen am 16.06.2024.