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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Jch bin recht vergnügt über Herrn Hickmann.
Er hat der Person, die Herrn Lovelaces fünf Gui-
neas überbrachte, noch zwey Guineas mitgegeben,
die als von einem Unbekannten bestellet sind. Auch
soll weder ich noch Sie davon wissen. Die Art
das Geschenck zu geben gefällt mir besser als das
Geschenck selbst. Er erzeiget mehr dergleichen Wohl-
thaten, und ist dabey so verschwiegen als die Nacht:
niemand erfährt etwas davon, bis die Danckbar-
keit derer ihn verräth, welche die Wohlthat genos-
sen haben. Er theilt bisweilen meine Almosen aus,
und ich glaube, daß er sie insgeheim vermehret.

Allein die Zeit ist noch nicht gekommen, da sein
Gutes gelobet werden soll: und er scheint auch nicht
nöthig zu haben, daß er durch Lobes-Erhebungen
aufgemuntert werde, Gutes zu thun.

Sein Hertz ist in der That gut: und es wäre
unbarmhertzig gehandelt, wenn man von einem ein-
tzigen alle gute Eigenschaften fodern wollte. Allein
er handelt nicht klug für sich, daß er sich meinetwe-
gen Mühe giebt, da er siehet, wie verächtlich mir alle
Manns-Personen sind, daher ich eine jede Manns-
Person von mittelmäßigen Eigenschaften nur zu
meinem Zeit-Vertreib gebrauchen werde, nicht zu
gedencken, daß er selbst sich zu der lächerlichen Per-
son macht, weil er seine Sache so wunderlich anfängt.
Unsere Zuneigung und Abneigung pflegt selten ver-
nünftig zu seyn, und auf unsere wahre Glückseelig-
keit abzuzielen. Die leichtfertigen Augen haben
ein all zu genaues Bündniß mit dem Hertzen, und
dieses Bündniß scheint bey nahe gegen die Vernunft

gemacht


Jch bin recht vergnuͤgt uͤber Herrn Hickmann.
Er hat der Perſon, die Herrn Lovelaces fuͤnf Gui-
neas uͤberbrachte, noch zwey Guineas mitgegeben,
die als von einem Unbekannten beſtellet ſind. Auch
ſoll weder ich noch Sie davon wiſſen. Die Art
das Geſchenck zu geben gefaͤllt mir beſſer als das
Geſchenck ſelbſt. Er erzeiget mehr dergleichen Wohl-
thaten, und iſt dabey ſo verſchwiegen als die Nacht:
niemand erfaͤhrt etwas davon, bis die Danckbar-
keit derer ihn verraͤth, welche die Wohlthat genoſ-
ſen haben. Er theilt bisweilen meine Almoſen aus,
und ich glaube, daß er ſie insgeheim vermehret.

Allein die Zeit iſt noch nicht gekommen, da ſein
Gutes gelobet werden ſoll: und er ſcheint auch nicht
noͤthig zu haben, daß er durch Lobes-Erhebungen
aufgemuntert werde, Gutes zu thun.

Sein Hertz iſt in der That gut: und es waͤre
unbarmhertzig gehandelt, wenn man von einem ein-
tzigen alle gute Eigenſchaften fodern wollte. Allein
er handelt nicht klug fuͤr ſich, daß er ſich meinetwe-
gen Muͤhe giebt, da er ſiehet, wie veraͤchtlich mir alle
Manns-Perſonen ſind, daher ich eine jede Manns-
Perſon von mittelmaͤßigen Eigenſchaften nur zu
meinem Zeit-Vertreib gebrauchen werde, nicht zu
gedencken, daß er ſelbſt ſich zu der laͤcherlichen Per-
ſon macht, weil er ſeine Sache ſo wunderlich anfaͤngt.
Unſere Zuneigung und Abneigung pflegt ſelten ver-
nuͤnftig zu ſeyn, und auf unſere wahre Gluͤckſeelig-
keit abzuzielen. Die leichtfertigen Augen haben
ein all zu genaues Buͤndniß mit dem Hertzen, und
dieſes Buͤndniß ſcheint bey nahe gegen die Vernunft

gemacht
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[303/0317] Jch bin recht vergnuͤgt uͤber Herrn Hickmann. Er hat der Perſon, die Herrn Lovelaces fuͤnf Gui- neas uͤberbrachte, noch zwey Guineas mitgegeben, die als von einem Unbekannten beſtellet ſind. Auch ſoll weder ich noch Sie davon wiſſen. Die Art das Geſchenck zu geben gefaͤllt mir beſſer als das Geſchenck ſelbſt. Er erzeiget mehr dergleichen Wohl- thaten, und iſt dabey ſo verſchwiegen als die Nacht: niemand erfaͤhrt etwas davon, bis die Danckbar- keit derer ihn verraͤth, welche die Wohlthat genoſ- ſen haben. Er theilt bisweilen meine Almoſen aus, und ich glaube, daß er ſie insgeheim vermehret. Allein die Zeit iſt noch nicht gekommen, da ſein Gutes gelobet werden ſoll: und er ſcheint auch nicht noͤthig zu haben, daß er durch Lobes-Erhebungen aufgemuntert werde, Gutes zu thun. Sein Hertz iſt in der That gut: und es waͤre unbarmhertzig gehandelt, wenn man von einem ein- tzigen alle gute Eigenſchaften fodern wollte. Allein er handelt nicht klug fuͤr ſich, daß er ſich meinetwe- gen Muͤhe giebt, da er ſiehet, wie veraͤchtlich mir alle Manns-Perſonen ſind, daher ich eine jede Manns- Perſon von mittelmaͤßigen Eigenſchaften nur zu meinem Zeit-Vertreib gebrauchen werde, nicht zu gedencken, daß er ſelbſt ſich zu der laͤcherlichen Per- ſon macht, weil er ſeine Sache ſo wunderlich anfaͤngt. Unſere Zuneigung und Abneigung pflegt ſelten ver- nuͤnftig zu ſeyn, und auf unſere wahre Gluͤckſeelig- keit abzuzielen. Die leichtfertigen Augen haben ein all zu genaues Buͤndniß mit dem Hertzen, und dieſes Buͤndniß ſcheint bey nahe gegen die Vernunft gemacht

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/317>, abgerufen am 22.12.2024.