unterhalten hatte, sogleich stumm ward, so bald Sie in die Stube traten!
Jch habe Jhnen dieses schon sonst gesaget, und Jhnen dabey zu verstehen gegeben, daß die verächt- liche und etwas hochmüthige Unfreundlichkeit, die Sie gegen ihn, und zwar gegen ihn allein bewiesen, eine gantz andere Auslegung litte, als Sie darüber gemacht haben wollten: eine Auslegung, die vor ihn und wider Sie gewesen seyn würde.
Herr Hickmann ist ein wohlgesitteter und be- scheidener junger Herr. Wo ich diese Tugend an- treffe, und es hat der Person nicht an Gelegenheit gefehlet, ihr Gemüth zu bessern und zu bereichern; da vermuthe ich immer einen Schatz in dem Ge- müthe der dem Besitzer Ehre bringen würde, wenn ihm Muth gemacht würde, den Schatz auch andern bekannt zu machen. Hingegen ein Mann, der sich selbst gefällt, und sich doch gewiß nicht gefallen könnte, wenn er nicht von andern Leuten sehr mit- telmäßige Gedancken hegete, wird in jeder Gesell- schaft bey allen Unterredungen seinen Lehr-Stuhl aufschlagen. Finden andere seine Schwäche aus, so wird er im Vertrauen auf sich selbst mehr sagen als er weiß, um seine Unwissenheit nicht zu bekennen.
Sollte nicht ein bescheidenes Frauenzimmer auch eine bescheidene Manns-Person hoch schätzen, und sich keine andere als eine solche Gesellschaft auf ewig wünschen? Einen solchen Mann, in dessen Gegenwart und gegen welchen sie den Mund öffnen darf, und versichert seyn kann, daß er kein verächt- liches Vorurtheil gegen das hat, was sie saget, son-
dern
unterhalten hatte, ſogleich ſtumm ward, ſo bald Sie in die Stube traten!
Jch habe Jhnen dieſes ſchon ſonſt geſaget, und Jhnen dabey zu verſtehen gegeben, daß die veraͤcht- liche und etwas hochmuͤthige Unfreundlichkeit, die Sie gegen ihn, und zwar gegen ihn allein bewieſen, eine gantz andere Auslegung litte, als Sie daruͤber gemacht haben wollten: eine Auslegung, die vor ihn und wider Sie geweſen ſeyn wuͤrde.
Herr Hickmann iſt ein wohlgeſitteter und be- ſcheidener junger Herr. Wo ich dieſe Tugend an- treffe, und es hat der Perſon nicht an Gelegenheit gefehlet, ihr Gemuͤth zu beſſern und zu bereichern; da vermuthe ich immer einen Schatz in dem Ge- muͤthe der dem Beſitzer Ehre bringen wuͤrde, wenn ihm Muth gemacht wuͤrde, den Schatz auch andern bekannt zu machen. Hingegen ein Mann, der ſich ſelbſt gefaͤllt, und ſich doch gewiß nicht gefallen koͤnnte, wenn er nicht von andern Leuten ſehr mit- telmaͤßige Gedancken hegete, wird in jeder Geſell- ſchaft bey allen Unterredungen ſeinen Lehr-Stuhl aufſchlagen. Finden andere ſeine Schwaͤche aus, ſo wird er im Vertrauen auf ſich ſelbſt mehr ſagen als er weiß, um ſeine Unwiſſenheit nicht zu bekennen.
Sollte nicht ein beſcheidenes Frauenzimmer auch eine beſcheidene Manns-Perſon hoch ſchaͤtzen, und ſich keine andere als eine ſolche Geſellſchaft auf ewig wuͤnſchen? Einen ſolchen Mann, in deſſen Gegenwart und gegen welchen ſie den Mund oͤffnen darf, und verſichert ſeyn kann, daß er kein veraͤcht- liches Vorurtheil gegen das hat, was ſie ſaget, ſon-
dern
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0336"n="322"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
unterhalten hatte, ſogleich ſtumm ward, ſo bald Sie<lb/>
in die Stube traten!</p><lb/><p>Jch habe Jhnen dieſes ſchon ſonſt geſaget, und<lb/>
Jhnen dabey zu verſtehen gegeben, daß die veraͤcht-<lb/>
liche und etwas hochmuͤthige Unfreundlichkeit, die<lb/>
Sie gegen ihn, und zwar gegen ihn allein bewieſen,<lb/>
eine gantz andere Auslegung litte, als Sie daruͤber<lb/>
gemacht haben wollten: eine Auslegung, die vor<lb/>
ihn und wider Sie geweſen ſeyn wuͤrde.</p><lb/><p>Herr <hirendition="#fr">Hickmann</hi> iſt ein wohlgeſitteter und be-<lb/>ſcheidener junger Herr. Wo ich dieſe Tugend an-<lb/>
treffe, und es hat der Perſon nicht an Gelegenheit<lb/>
gefehlet, ihr Gemuͤth zu beſſern und zu bereichern;<lb/>
da vermuthe ich immer einen Schatz in dem Ge-<lb/>
muͤthe der dem Beſitzer Ehre bringen wuͤrde, wenn<lb/>
ihm Muth gemacht wuͤrde, den Schatz auch andern<lb/>
bekannt zu machen. Hingegen ein Mann, der ſich<lb/>ſelbſt gefaͤllt, und ſich doch gewiß nicht gefallen<lb/>
koͤnnte, wenn er nicht von andern Leuten ſehr mit-<lb/>
telmaͤßige Gedancken hegete, wird in jeder Geſell-<lb/>ſchaft bey allen Unterredungen ſeinen Lehr-Stuhl<lb/>
aufſchlagen. Finden andere ſeine Schwaͤche aus,<lb/>ſo wird er im Vertrauen auf ſich ſelbſt mehr ſagen als<lb/>
er weiß, um ſeine Unwiſſenheit nicht zu bekennen.</p><lb/><p>Sollte nicht ein beſcheidenes Frauenzimmer<lb/>
auch eine beſcheidene Manns-Perſon hoch ſchaͤtzen,<lb/>
und ſich keine andere als eine ſolche Geſellſchaft auf<lb/>
ewig wuͤnſchen? Einen ſolchen Mann, in deſſen<lb/>
Gegenwart und gegen welchen ſie den Mund oͤffnen<lb/>
darf, und verſichert ſeyn kann, daß er kein veraͤcht-<lb/>
liches Vorurtheil gegen das hat, was ſie ſaget, ſon-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dern</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[322/0336]
unterhalten hatte, ſogleich ſtumm ward, ſo bald Sie
in die Stube traten!
Jch habe Jhnen dieſes ſchon ſonſt geſaget, und
Jhnen dabey zu verſtehen gegeben, daß die veraͤcht-
liche und etwas hochmuͤthige Unfreundlichkeit, die
Sie gegen ihn, und zwar gegen ihn allein bewieſen,
eine gantz andere Auslegung litte, als Sie daruͤber
gemacht haben wollten: eine Auslegung, die vor
ihn und wider Sie geweſen ſeyn wuͤrde.
Herr Hickmann iſt ein wohlgeſitteter und be-
ſcheidener junger Herr. Wo ich dieſe Tugend an-
treffe, und es hat der Perſon nicht an Gelegenheit
gefehlet, ihr Gemuͤth zu beſſern und zu bereichern;
da vermuthe ich immer einen Schatz in dem Ge-
muͤthe der dem Beſitzer Ehre bringen wuͤrde, wenn
ihm Muth gemacht wuͤrde, den Schatz auch andern
bekannt zu machen. Hingegen ein Mann, der ſich
ſelbſt gefaͤllt, und ſich doch gewiß nicht gefallen
koͤnnte, wenn er nicht von andern Leuten ſehr mit-
telmaͤßige Gedancken hegete, wird in jeder Geſell-
ſchaft bey allen Unterredungen ſeinen Lehr-Stuhl
aufſchlagen. Finden andere ſeine Schwaͤche aus,
ſo wird er im Vertrauen auf ſich ſelbſt mehr ſagen als
er weiß, um ſeine Unwiſſenheit nicht zu bekennen.
Sollte nicht ein beſcheidenes Frauenzimmer
auch eine beſcheidene Manns-Perſon hoch ſchaͤtzen,
und ſich keine andere als eine ſolche Geſellſchaft auf
ewig wuͤnſchen? Einen ſolchen Mann, in deſſen
Gegenwart und gegen welchen ſie den Mund oͤffnen
darf, und verſichert ſeyn kann, daß er kein veraͤcht-
liches Vorurtheil gegen das hat, was ſie ſaget, ſon-
dern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/336>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.